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Einsamkeit Vegesack: Senioren müssen nicht allein vor dem Frühstücksteller sitzen

Wer alleine frühstücken muss, das aber gar nicht mag, kann einmal im Monat Anschluss und Geselligkeit finden, wenn die Evangelische Kirchengemeinde Aumund-Vegesack zum Seniorenfrühstück einlädt.
13.07.2024, 06:00 Uhr
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Von Ulrike Schumacher

Wilhelm Kruse hat Glück. Der blaue Himmel verspricht an diesem Morgen einen schönen Tag. Die Sonne scheint, aber nicht zu heiß. Ideal für seine kleine Tour mit dem Fahrrad. Es ist der zweite Montag im Monat. Fester Termin für den bald 91-Jährigen. Im Saal der Evangelischen Kirchengemeinde Aumund-Vegesack in der Pezelstraße duftet schon der Kaffee. Es ist wieder Zeit für das Seniorenfrühstück. Und Wilhelm Kruse tritt deswegen in die Pedalen. Er möchte dabei sein. Gleich sitzt er wieder mit einer großen Runde am Tisch. Herrlich findet der Senior das. "Hier kann ich meine Bekannten treffen", sagt er. An den anderen Tagen sorgt er selbst für sein Frühstück. Das sei in Ordnung, erzählt er, "aber immer nur alleine zu frühstücken, ist manchmal auch langweilig".

Wilhelm Kruse ist der Älteste der 34 Männer und Frauen, die an diesem Tag in den Gemeindesaal streben. Draußen vor der Tür parken Räder, Rollatoren und Elektromobile. Schon hier weiß das Ohr, ohne dass das Auge es gesehen hat: Drinnen geht es gesellig zu. Die Besucher sitzen an vier großen Tischen, beißen in knackige Brötchen, streuen Zucker in ihren Kaffee, lassen Teelöffel in Tassen kreisen und nutzen ausgiebig die Gelegenheit zum Schnacken. "Wir kommen wegen der Gemeinschaft hierher", sagt Marianne Schaffer. "Es geht nicht ums Essen, es geht um die Begegnung." Die 81-Jährige sitzt mit zwei Frauen aus ihrer Nachbarschaft zusammen. Sie wirken fidel und vergnügt und sind der Meinung: Wer alleine lebt, muss etwas dafür tun, mit anderen Menschen in Kontakt zu kommen. "Man muss auf die Leute zugehen", sagt Erika Willaschek.

Viele Ältere leben allein

In Deutschland lebt jeder Fünfte allein. Gerade ist darüber eine Statistik veröffentlicht worden. Besonders häufig betrifft das ältere Menschen. Laut Statistik sei dies im vergangenen Jahr bei den mindestens 65-Jährigen fast doppelt so häufig der Fall gewesen wie beim Durchschnitt der Bevölkerung. Wer allein lebt, muss nicht zwangsläufig einsam sein. Aber häufig gebe es einen Zusammenhang. Studien würden belegen, dass sich Menschen in Deutschland vermehrt einsam fühlen. Angebote wie das Seniorenfrühstück, das es auch in anderen Kirchengemeinden und Begegnungsstätten gibt, wirken dem entgegen. Sie tragen dazu bei, "dass Menschen morgens nicht allein vor ihren Frühstückstellern sitzen", sagt Sigrid Lankenau, die zusammen mit Klaus Bruckert und Ingrid Gerbode das Seniorenfrühstück organisiert. Das Team sorgt dafür, dass neben Brötchen und Brot, neben Kaffee, Tee, Marmelade, Wurst und Käse auch eine brennende Kerze auf jedem Tisch steht.

Seit 20 Jahren gibt es dieses Angebot im Gemeindesaal in der Pezelstraße jetzt schon, erzählt Sigrid Lankenau. Geboren wurde die Idee auf Langeoog. Während einer Seniorenfreizeit, die auch sehr beliebt ist. "Wer keinen Partner mehr hat, reist vielleicht nicht mehr allein", gibt Irmtraud Mücke zu bedenken. Da sind die Gruppenreisen auf die Nordseeinsel eine schöne Gelegenheit, Urlaub zu machen und dabei in Gesellschaft zu sein. Bei einer dieser Fahrten kam der Wunsch auf, auch in Bremen gemeinsam das Frühstück zu genießen, erinnert sich Sigrid Lankenau. So ergab sich das Seniorenfrühstück, das am zweiten Montag im Monat von 9.30 bis 11 Uhr für fünf Euro pro Person angeboten wird. Es startet mit einer kurzen Andacht, mit einem Choral und einem Tischgebet. Zum Schluss gibt es immer eine heitere Geschichte, bevor Sigrid Lankenau die Besucher mit dem Vaterunser und guten Wünschen verabschiedet. Das nächste Seniorenfrühstück steht für den 12. August im Kalender. Spätestens bis zum Freitag davor muss man sich im Kirchenbüro unter der Telefonnummer 0421/664664 anmelden.

Raus aus den eigenen vier Wänden

Ob die vier Wochen bis zum nächsten Treffen eine Durststrecke wird? Marianne Schaffer, Irmtraud Mücke und Erika Willaschek schütteln die Köpfe. "Wir laufen uns immer mal wieder über den Weg", berichten sie. Bloß nicht in den eigenen vier Wänden verkriechen, lautet ihre Devise. "Wenn ich zum Bäcker gehe und dort frühstücke, habe ich auch Gesellschaft", sagt Erika Willaschek. Manchmal besucht sie die Eisdiele. "Da kennen die Stammgäste sich schon." Man müsse die Orte aufsuchen, die Begegnung versprechen.

Inge Einroos kann berichten, dass auch die Sitzgymnastik, die sie einst geleitet hatte, für viele eine Gelegenheit war, in Gesellschaft zu sein. "Die Menschen möchten sich austauschen", sagt sie. Deshalb ist auch der Mittagstisch so beliebt, den die Kirchengemeinde am letzten Freitag im Monat anbietet. "Man sucht sich eine Gesellschaft, in der man sich wohlfühlt", fügt Rosi Hütte hinzu, die lange Zeit die winterliche Hälfte des Jahres mit Camping in Spanien verbracht hat. Aus gesundheitlichen Gründen sei das nun nicht mehr möglich. Aber auf die Begegnung und den Austausch wollen sie und ihr Mann nicht verzichten. Deshalb sind auch sie an diesem Vormittag zum Seniorenfrühstück gekommen. Mit dem guten Gefühl, zu wissen, "dass die anderen schon auf einen warten".

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