Vegesack. So viel Bewegung wie zurzeit hat es in den angestammten Vegesacker Einkaufslagen lange nicht gegeben. Neue Geschäfte kommen, vorhandene vergrößern sich. Verkürzt haben sich auch die Zeitspannen, in denen sich leer stehende Geschäftsflächen mit neuen Sortimenten füllen. Klafften solche Lücken früher oft über viele Monate, so findet sich inzwischen wieder deutlich schneller Ersatz.
Das gilt zum Beispiel für die frühere Buchhandlung C.C. Otto, deren Ladenlokal bereits vor einigen Wochen ein Schuhgeschäft übernommen hat. Schuhe gibt es neuerdings auch im früheren "Ihr Platz" an der Ellipse. Vor wenigen Tagen hat dort "Schuh Mann" eröffnet. Die Firma R & U Schuh aus Alfstedt betreibt in Norddeutschland bereits 40 Filialen unter diesem Namen. Mit ihrer Billig-Linie "Rabattz" war sie schon seit einiger Zeit in der Fußgängerzone vertreten. Aber in Vegesack – so hat man sich bei R & U vergewissert – geht nicht nur billig.
"Wir treten dort jetzt mit einem Sortiment in mittlerer Preislage an. Dem alten Zentrum scheint es jetzt wieder besser zu gehen, weil das Haven Höövt nicht eingeschlagen hat", gibt Verkaufsleiter Michael Theis seine Eindrücke vom Standort wieder. Gleich drei Neueröffnungen lassen sich zurzeit rund um den Sedanplatz beobachten. Bereits eröffnet hat "Copy Maxx", nebenan geht in wenigen Tagen ein "Beauty-and-Wellness-House" an den Start. Im Erdgeschoss des früheren Möbelhauses Koerber nimmt in Kürze eine Bäckerei den Geschäftsbetrieb auf. Und für die zweite Jahreshälfte kündigt sich mit der Rückkehr des Warenhauses "Woolworth" bereits ein größerer Kaufkraftmagnet an.
Im unteren Vegesack – an der Straße "Zur Vegesacker Fähre" – hat sich derweil "Weser-Sport" deutlich vergrößert. Seit 2011 firmierten Gilbert John und Martina Blohm-John zunächst als reine Handball-Ausrüster. Inzwischen haben sie ihr Angebot auf andere Teamsportarten ausgedehnt und eine Modelinie mit aufgenommen. "Wir sind mit dieser Ausrichtung recht erfolgreich", sagt Gilbert John. Erfolgreicher jedenfalls als das breite Sortiment, mit dem sich Konkurrent "Intersport Hass" zunächst vom Kleinen Markt und kürzlich auch aus dem Haven Höövt verabschiedete.
Der Intersport-Auszug war ein weiterer Schlag ins Kontor des Shopping-Centers. Seit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens im Mai 2012 hat das Haven Höövt mit verstärktem Mieterschwund zu kämpfen. Derzeit läuft ein Räumungsverkauf beim Juwelier Steil. Noch im Januar hatte Hans-Joachim Steil gegenüber dieser Zeitung seiner Hoffnung auf eine Wende zum Besseren Ausdruck verliehen. Nun geht er selbst.
Was die Suche nach einem neuen Eigentümer für das Haven Höövt macht, darüber ist zurzeit wenig zu erfahren. Die in Berlin ansässige Maklerfirma CBRE Retail Investment betreut eine entsprechende Ausschreibung im Auftrag des Insolvenzverwalters. Mit Ergebnissen ist aber erst im Sommer zu rechnen.
Derweil harren im Haven Höövt überwiegend Ketten aus. Einer der wenigen selbstständigen Kaufleute, denen die Durststrecke noch nicht zu lang geworden ist, heißt Kychosro Iraji und ist Betreiber der Delfin-Apotheke im Erdgeschoss. Der Pharmazeut hat konkrete Erwartungen an die künftigen Besitzer.
Erstens: Mieten runter. "Inklusive Nebenkosten zahle ich hier ungefähr 33 Euro pro Quadratmeter. Das ist überzogen", findet Iraji. Zweitens: Der Branchenmix im Haus muss besser werden. Unter dem Dach des Haven Höövt gebe es aktuell sieben Handy-Läden, aber keine einzige Parfumerie mehr. Das sage alles. Drittens: Weg mit den Gebühren für das Parkhaus. Dass man als motorisierter Kunde quasi Eintritt bezahlen müsse, sei ein Unding. "Darüber meckern die Leute am meisten", weiß der Geschäftsmann aus jahrelanger Erfahrung.
Der Geschäftsführer des Einzelhandelsverbandes Nordsee, Wolfgang Brakhane, beobachtet das Wechselspiel von Fußgängerzone und Haven Höövt schon eine ganze Weile. Dass die alten Einkaufslagen zurzeit obenauf sind, wundert ihn nicht. Neben einem allgemein günstigen Konsumklima hätten auch günstigere Mieten zur Belebung von Gerhard-Rohlfs-Straße und Reeder-Bischoff-Straße beigetragen. Das Haven Höövt sieht Brakhane dagegen vor einem beschwerlichen Wiederaufstieg. Das sei bei einem Shopping-Center nicht anders als bei einem einzelnen Geschäft: "Wenn jemand einen Stammkunden verloren hat, dann ist der weg. Einen neuen zu gewinnen, ist dreimal schwerer."
Vegesacks Zentrum ist obenauf
Verlagerung des Schwerpunkts: Im Standortwettbewerb haben die alten Einkaufslagen das Haven Höövt abgehängt
Neue Geschäfte in der Fußgängerzone, immer mehr Abgänge im Haven Höövt – das Gefälle zwischen den beiden Schwerpunkten des Vegesacker Einzelhandels nimmt weiter zu. Ist diese Gewichtsverschiebung von Dauer? Fachleute sagen: Auch wenn sich ein Investor für das insolvente Shopping-Center findet, wird dessen Weg aus der Krise beschwerlich.