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Tunnel zum Sozialzentrum Vegesack: Liebevolle Bildkunst statt rassistischer Parolen

Jugendliche haben Nazi-Parolen in einem Vegesacker Tunnel mit farbenfrohen Graffiti verdeckt. Die Öffentlichkeit kann das Ergebnis vorerst nicht betrachten. Was hinter dem Projekt steckt.
18.06.2024, 06:00 Uhr
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Von Christian Pfeiff

Nachdem rassistische und nationalistische Schmierereien an den Wänden überhand nahmen, verschlossen die entsprechenden Verantwortungsträger bereits vor vielen Jahren den Durchgangstunnel neben dem Sozialzentrum am Sedanplatz. Die Schmierereien blieben seither jedoch erhalten – sehr zum Unbill der Mitarbeiter des Sozialzentrums, die den Tunnel überwiegend seither als Fahrradstand nutzen.

Um nicht allmorgendlich vor Arbeitsbeginn auf geschmierte Hakenkreuze und fremdenfeindliche Parolen blicken zu müssen, verschafften sich die Mitarbeitenden mit tatkräftiger Unterstützung des Freizi Alt-Aumund, des Martinsclubs und des Ortsamtes, nach langen Jahren nun endlich Abhilfe und ließen die Symbole und Parolen von jungen Talenten aus dem Aumunder Freizi kunstvoll übermalen.

Gruppe "Young Art" griff zur Spraydose

„Anfang des letzten Jahres wurde ich von verschiedenen Mitarbeitern, die hier ihre Fahrräder abstellen, darauf angesprochen, dass das hier mit ganz schlimmen Nazi-Parolen verunstaltet ist“, erklärt Sozialzentrumsleiter Burckhard Radtke, wie es dazu kam. Eine vormalige Kollegin machte daraufhin den Vorschlag, die angestrebte grafische Neugestaltung des Tunnels durch Jugendliche vornehmen zu lassen.

Die Verantwortliche konnten für diese Aufgabe acht Jugendliche aus dem Freiz Alt-Aumund gewinnen. Unterstützt wurde sie durch Teilnehmer eines gemeinsamen inklusiven Graffitiprojekts mit dem Martinsclub. Finanziell unterstützt durch das Projekt „Partnerschaft für Demokratie“ sind seit Herbst vergangenen Jahres auf den acht zur Verfügung stehenden Flächen im verschiedene Motive entstanden.

Obwohl den Jugendlichen in ihrer Motivwahl und der entsprechenden kreativen Gestaltung völlig freie Hand gelassen wurde, weisen die acht neuen Gemälde dennoch einen recht homogenen Tenor auf, zeigen häufig Elemente aus der Natur, sowohl symbolisch als auch anatomisch visualisierte Herzen und nicht zuletzt die unmissverständliche Aufforderung „Frieden für alle“.

Ein ebenso interessantes wie ambivalentes Motiv entwarf beispielsweise Amar Habash mit einem auf den ersten Blick gruselig wirkenden, schwarzen Baum, aus dessen Mund ein weiterer, heller Stamm mit neuem Leben erwächst. „Der schockierende Eindruck auf den ersten Blick ist beabsichtigt. Wenn man das Bild genauer anschaut erkennt man aber, dass es darstellt, dass sich auch aus Dunkelheit etwas Schönes und Helles entwickeln kann und auch die Menschen selbst in dunklen Zeiten noch etwas Gutes in sich tragen“, erklärt Habash, der seine Werke unter seinem Künstlernamen „Amartz.z“ auch auf Instagram veröffentlicht.

Präsentation vielleicht im Spätsommer

Auch Habash gehört zu der „Young Art“-Gruppe, die sich jeweils montags ab 16 Uhr im Aumunder Freizi trifft und stets offen für die Beteiligung weiterer junger Künstlerinnen und Künstler ist. Ein weiteres inklusives Graffiti-Angebot des Freizis in Zusammenarbeit mit dem Martinsclub wird vom 24. bis 26. Juni stattfinden. Teilnahmeanmeldungen hierzu sind in beiden Einrichtungen möglich.

Für die Öffentlichkeit ist der im wahrsten Wortsinne liebevoll gestaltete Durchgangstunnel indes nicht – zumindest noch nicht: „Wir überlegen derzeit über bestimmte Öffnungszeiten des Tunnels, an denen auch interessierte Besucher die Werke besichtigen können“, erklärt Burckhard Radtke und stellt eine mögliche Umsetzung dieses Vorhabens für den Spätsommer in Aussicht.

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