Schönebeck. Sie heißen Karli, Berta, Andrew, Petzold, Erwin, Herr Brummtnicht und Comtesse Paulette: Insgesamt 150 Teddys tummeln sich derzeit im Heimatmuseum Schloss Schönebeck. Die diesjährige Weihnachtsausstellung zeigt historische Teddybären aus den Jahren 1910 bis 1960. Die liebenswerten Schmusetiere sind nicht nur betagt; einige von ihnen haben eine bewegte Vergangenheit und sind weit gereist: Sie kommen aus Deutschland, Großbritannien, Frankreich, den USA und Australien.
Der Kleinste in der Ausstellung ist der gerade mal daumengroße Pertussin-Teddy. Das Steiff-Bärchen diente als Werbeartikel, das 1960 zusammen mit gekauften Packungen von Pertussin-Hustensirup ausgegeben wurde. Die größte Bärin ist Ursula mit stattlichen 65 Zentimetern. Der Steiff-Teddy aus den 50er-Jahren wurde nach seiner früheren Besitzerin benannt. „Sie haben alle Namen – irgendwie muss ich sie ja katalogisieren“, sagt die Sammlerin Magdalena Farnesi. Zuhause in Findorff bewohnen die Bären ein eigens eingerichtetes Teddyzimmer. Dies ist jetzt deutlich leerer: Gut drei Viertel der Bärensammlung ist im Schloss zu sehen.
Die Teddys kommen auf den unterschiedlichsten Wegen zu Magdalena Farnesi: Einige hat sie auf Auktionen ersteigert, es gibt aber auch Dachboden- und Flohmarktfunde und einige wurden vor dem Mülleimer gerettet. Manchmal kommen ältere Leute auf die Sammlerin zu, um ihr einen Teddy zu überlassen, weil sie den geliebten Begleiter seit Kindheitstagen bei ihr in guten Händen wissen. Und so bringt jeder Bär seine eigene Geschichte mit.
Zum Beispiel Alfred. Der Teddy stammt aus dem Haushalt des Malers Alfred Roller (1864 bis 1935), ein Mitbegründer der Wiener Sezession, und gehörte wahrscheinlich Rollers Sohn Dietrich, der 2001 starb. Alfred wurde bei der Renovierung des Rollerschen Hauses in einer Kiste gefunden. Der Teddy war – wahrscheinlich als häuslicher Reparaturversuch – in braunen Plüsch eingenäht. In einer behutsamen und langwierigen Restaurierung hat Magdalena Farnesi die ursprüngliche Teddyfigur wieder freigelegt. Mr. Green wiederum stammt aus Großbritannien. In den 20er-Jahren genäht, blickt er seinem hundertsten Geburtstag entgegen. Antike Teddybären bleichen auf unterschiedliche Art aus, so erhalten braune Steiff-Bären mit der Zeit einen silbernen Glanz. Anders Mr. Green: Er hat sich im Laufe der Jahre einen Grünstich zugelegt.
Im Schloss sind die Teddybären in Vitrinen nach Herstellern gruppiert. Vertreten sind unter anderem Haas, Hermann, Petz, Schuco und Weiersmüller aus Deutschland, Chad Valley, Chiltern, Dean’s, Farnell, J. C. Terry, Pedigree und Tara aus Großbritannien und Irland, Fadap und Pintel aus Frankreich, Knickerbocker und Character aus den USA sowie Joy Toys und Emil Toys aus Australien. Aber auch Teddybären, die bisher keinem Hersteller zugeordnet werden konnten, sind dabei. Es gibt Informationen zu jedem einzelnen Teddy, außerdem zu den Herstellern und einigen Designern wie etwa Florence Attwood (1907 bis 1952). Obwohl sie seit ihrem zweiten Lebensjahr taub war, wurde sie die erste Designerin der Firma Merrythought und entwickelte dort eigenständig fast alle Spielzeugreihen.
Einige der Teddybären kommen selbst zu Wort und schildern Geschehnisse aus ihrer Vergangenheit: So erzählt Taylor Ted, ein britisches Bärchen, wie er 1935 bei Woolworths gekauft und der kleinen Margaret Mary Taylor geschenkt wurde. 1939 verpasste sie ihm einen eleganten Fellschnitt – und stellte erst dann fest, dass Teddyfell nicht nachwächst. Bald darauf kam der Manchester Blitzkrieg: „Meine Mary versteckte sich mit mir während der Luftangriffe unter dem Küchentisch und ich habe ihr Mut gegeben. So haben wir beide überlebt.“ Margarets Sohn Peter wurde später Lehrer und erzählte seinen Schülern von den Kriegserlebnissen seiner Mutter und ihres Teddys. Heute sitzt Taylor Ted – immer noch kahl geschoren, aber angetan mit einem blau-weiß-gestreiften Strickanzug – in einer Vitrine des Schönebecker Schlosses.
Die menschlichen Geschichten rund um die Teddys faszinieren und berühren Magdalena Farnesi immer wieder aufs Neue. Generell lasse sich feststellen, dass „Teddys in den 20er-Jahren ein bisschen dem Kindchen-Schema entsprechen; sie sind eher rundlich und wirken freundlich und fröhlich. In den 30er-Jahren sind die Teddys dünner, sie wirken ernst und nachdenklich. Fast als wüssten sie, was gerade auf der Welt los ist.“
Seit gut fünf Jahren sammelt sie Teddys. „Mit Puppen konnte ich nichts anfangen, aber Teddys fand ich schon immer großartig“, sagt die 38-Jährige. Auch ein Bär aus den Kindheitstagen ihres Lebensgefährten Joachim Lüdtke ist Bestandteil der Sammlung. Magdalena Farnesi arbeitet für eine Organisation mit dem Schwerpunkt der Erforschung und Dokumentation jüdischer Geschichte. Außerdem übersetzt sie Kinder- und Jugendbücher.
Ihre Teddysammlung war bereits in Schleswig zu sehen und soll – sobald Corona es zulässt – auch im tschechischen Olmütz gezeigt werden. Der Kontakt zum Schönebecker Schloss kam durch eine Freundin zustande, die in Schönebeck wohnt. Holger Schleider, erster Vorsitzender des Heimat- und Museumsvereins, freut sich auf die Eröffnung und hofft auf viele Besucher jeden Alters: „Nachdem es im vergangenen Jahr coronabedingt keine Weihnachtsausstellung gab, ist es ein großer Glücksfall, dass wir jetzt die Teddybären hier im Schloss präsentieren können.“