Vegesack. Geschäftsleute und Anwohner tun derzeit alles, um die Ansiedlung eines Wettbüros an der Alten Hafenstraße in Vegesack zu verhindern. Hilfe von der Politik ist allerdings kaum zu erwarten.
Das geplante Wettbüro an der Alten Hafenstraße lässt sich baurechtlich nicht verhindern. Diese Nachricht aus dem Bauamt hat Anlieger wie Geschäftsleute aufgeschreckt. Sie fürchten, dass dem Straßenzug mit der Ansiedlung des Wettbüros bald ein Schmuddel-Image anhaften könnte. Die Stadt, ärgert sich Feinkosthändler Jürgen Scharringhausen, lasse die Sache wohl laufen, "weil wir hier nicht die Reeder-Bischoff-Straße sind".
Schon vor mehr als einem Jahr hatte der Eigentümer der Alten Hafenstraße 58 angefangen, den Laden im Erdgeschoss umzubauen. Laut Bauamt zunächst ohne Baugenehmigung. Die Behörde legte die Baustelle erst lahm, stimmte dann aber dem Bauantrag zu. "Nach Bebauungsplan ist die vorgesehene Nutzung im dort gültigen Kerngebiet allgemein zulässig", erläutert Bauamtsleiter Maximilian Donaubauer. Diese Einschätzung bestätigte zuletzt sogar die Einigungsstelle des Bauressorts.
Der Mietvertrag mit der Delmenhorster Firma Crown Buchmacher ist seit 2012 geschlossen. Dass sich die Eröffnung hinzieht, schreibt der für die Vermietung zuständige Hauseigentümer Gerold Ahrens aus Oldenburg "mafiösen Strukturen in Vegesack" zu. Das Bauamt habe ihm Steine in den Weg gelegt und der Eigentümerbeirat informiere die Hausbewohner bewusst falsch. In dem Haus mit 25 Wohnungen und fünf Gewerbeeinheiten werde bereits erzählt, dass der Wert der Wohnungen um 30 Prozent fällt, wenn das Wettbüro einzieht. Ahrens versucht, die Mieter zu beruhigen. Die Wettbüros besagter Firma befänden sich im gepflegten Zustand. "Es gibt weder ein besonderes Migrationsproblem noch ein Problem mit abhängigen Spielern", hat er den Bewohnern im Vorfeld einer Eigentümerversammlung geschrieben. Die Baugenehmigung schreibe die Emissionswerte vor, Alkohol dürfe nicht ausgeschenkt werden. "Es wäre etwas anderes, wenn hier ein Sexshop eröffnen würde", sagt Ahrens.
Einige Bewohner des Hauses befürchten dennoch, dass es künftig hoch hergeht, wenn die Kunden ihre Wetten lautstark kommentieren und dabei eine Fußballübertragung läuft. "Das muss man sich anders vorstellen als eine Lotto-Annahmestelle", sagt Klaus Jacobs auf Anfrage. Er ist Vorsitzender des Eigentümerbeirats. Auch sorgten sich Hausbewohner, dass ein Wettbüro zwielichtige Gestalten anlockt. "Ein Wettbüro führt zur Beeinträchtigung des Sicherheitsgefühls der Anwohner. Es hat Einfluss auf die Lebensqualität", ist er überzeugt.
Schützenhilfe bekommen die Anlieger von Geschäftsleuten in der Nachbarschaft. Die Arbeitsgemeinschaft Alte Hafenstraße will die Räume sogar schon auf Facebook gepostet haben. Bisher allerdings ohne Erfolg. "Warum sollten wir das nicht machen und den Hausbesitzer bei seinen Bemühungen unterstützen?", fragt Feinkosthändler Jürgen Scharringhausen. "Es geht darum, dass ein Wettbüro für die Alte Hafenstraße einfach nicht passt."
Eigentümer erwägen Klage
Die Attraktivität eines Standorts hängt ab vom Sortiment, meint Scharringhausen. "Ich möchte nicht, dass diese Straße verkommt. Ich habe Angst, dass meine Nachbarn auch noch rausgehen", sagt der Kaufmann mit Blick auf den Geschenkeladen gegenüber. Dort läuft bereits der Räumungsverkauf. Mit ihren Problemen fühlen sich die Kaufleute alleingelassen.
Dabei hatte der Beirat erst im vergangenen Jahr ein von der Verwaltung vorgelegtes Konzept zur Spielstättenverordnung auf Wettbüros ausgeweitet. Aus dem Spielhallenkonzept sollte ein Vergnügungsstättenkonzept werden. Geplant war, dass die Richtlinie noch 2012 in Kraft tritt. Eine behördliche Arbeitsgruppe sollte ihm nur noch den letzten Schliff geben. "Warum das Konzept noch nicht in der Deputation gelandet ist, weiß ich nicht", sagt Ortsamtsleiter Heiko Dornstedt (SPD). "Ich würde mir aber wünschen, dass es schnellstmöglich realisiert würde, denn es korrespondiert mit unserer Zukunftswerkstatt. Die hat gezeigt, dass es viele Menschen gibt, die keine Spielhallen wollen."
Das Konzept liegt noch im Bauamt. Und zwar deshalb, weil die Beiratspolitiker nicht nur den Wildwuchs von Spielhallen, sondern auch von Wettbüros eindämmen wollen, erläutert Bauamtsleiter Maximilian Donaubauer. Gleichzeitig seien Bauamt und Beirat übereingekommen, die Ergebnisse des Prozesses Zukunft Zentrum Vegesack in der weiteren Konzeption zu berücksichtigen. Donaubauer: "Insofern sind wir im Verfahren der Ausdifferenzierung." Doch selbst wenn das Konzept fix und fertig wäre, das Wettbüro könnte hier dennoch eröffnen. Zumindest, wenn die alte Übersicht des Kerngebietes zu Rate gezogen würde. Denn im Kerngebiet, so Donaubauer, seien Vergnügungsstätten zulässig.
Der Eigentümerbeirat denkt offenbar an privatrechtliche Durchsetzungsmöglichkeiten. Im Haus Nummer 58 wird jedenfalls schon davon geredet, notfalls gegen das geplante Wettbüro im Erdgeschoss zu klagen.