Herr Günthner, wann sind Sie das letzte Mal die Maritime Meile vom Anfang bis zum Ende gegangen?
Martin Günthner: Ich würde sagen, es ist jetzt anderthalb Jahre her, dass ich die 1852 Meter lange Strecke abgelaufen bin. Wenn ich in den Norden der Stadt komme, und das ist durchaus häufiger der Fall, dann fällt mir jedes Mal auf, dass dieser Teil Bremens enorm viel zu bieten hat.
Und wie hat Ihnen der Landgang an der Vegesacker Wasserkante gefallen?
Ich schaue vor allem immer, was bei den Werften, bei Abeking & Rasmussen, Fassmer und bei Lürssen passiert. Auf der einen Seite bekommt man die Gegenwart zu sehen und auf der anderen das Historische.
Aber wenn Sie auf Abeking & Rasmussen, Fassmer und Lürssen schauen, dann haben Sie vor allem Niedersachsen im Blick. Was ist denn mit Bremen und der Meile?
Ich schaue auf die andere Weserseite, aber natürlich auch die Weser runter. Wenn ich auf der Meile bin, beziehe ich alles mit ein, was den Standort ausmacht. Dazu gehört für mich das industrielle Profil ebenso wie das Aufarbeiten maritimer Themen, weil beides von herausragender Bedeutung ist.
Und wie fanden Sie den Landgang nun?
Ausgesprochen gut.
Was war denn gut?
Dass die traditionsreiche Vegesacker Fischerei- und Hafengeschichte auf der Maritimen Meile sichtbar wird. Die bremische Hafenentwicklung ist zwar auch in Bremerhaven zu sehen, aber in Vegesack auf besonders geschichtsträchtige Weise. Die Mischung aus verschiedenen Attraktionen macht einen Besuch spannend.
Und was war nicht so gut?
Nichts.
Sechs Vereine, die mehr aus der Meile machen wollen, sehen noch viel Potenzial. Und Sie?
Auch ich sehe natürlich noch Potenzial. Ich finde, dass die Maritime Meile eine größere Bedeutung bekommen muss als bisher.
Das finden die Vereine schon lange. Nur haben manche von Ihnen den Eindruck, dass sie auf sich allein gestellt sind ...
Wir unterstützen über die Wirtschaftsförderung und über Vegesack Marketing immer wieder Projekte auf der Maritimen Meile. Vieles ist in den vergangenen Jahren mitfinanziert worden.
Zum Beispiel?
Wir beteiligen uns an der Grundfinanzierung des Vegesacker Marketings und unterstützen die Wirtschaftsförderung bei der Vermarktung des Bremer Nordens. Außerdem fördern wir die Erweiterung des öffentlichen Wlan-Netzes auf der Meile und ein neues Leit- und Orientierungssystem für Besucher. Auch in das Schulschiff, den Hafen und den Hafenspeicher haben wir investiert.
Wann kommen denn die Wlan-Erweiterung und das Leitsystem?
Die Mittel sind bewilligt, und der Verein Vegesack Marketing hat die Zuwendungsbescheide für beide Projekte bereits erhalten. Insofern gehe ich von einer zügigen Umsetzung aus.
Und welche Summe kommt unterm Strich dabei heraus, wenn Sie alle Projekte zusammenzählen?
Der Verein Vegesack Marketing erhält an Grundförderung 220 000 Euro pro Jahr, dazu kommen noch Zuschüsse für das Festival Maritim.
Und was ist mit Projekten speziell für die Meile?
Das Geschichtenhaus haben wir mit 50 000 Euro gefördert, die Gezeitenstation mit 55 000 Euro. Für das freie Wlan und für das Leit- und Orientierungssystem haben wir 230 000 Euro bewilligt. Dazu kommen noch diverse Maßnahmen aus dem Freizeit- und Naherholungskonzept. Unterm Strich kommen wir auf einen Betrag von fast 800 000 Euro.
Und welche Projekte plant die Behörde als Nächstes zu fördern?
Ich glaube, wir sollten uns jetzt zunächst auf die Vermarktung dessen konzentrieren, was wir an der Maritimen Meile geschaffen haben und was sich dort gerade noch entwickelt. Dann müssen wir gemeinsam prüfen, welche Projekte man sinnvoll ergänzen kann.
Sie wollen die Werbung ausbauen, die Vereine aber die Zahl der Angebote auf der Maritimen Meile. Was nun?
Unsere Haltung ist ja nicht, dass wir nichts machen wollen. Wir stehen neuen Projekten offen gegenüber und suchen immer nach neuen Ideen. Allerdings muss man sich vorher genau anschauen, was das für Vorhaben sind, was sie dem Standort bringen und was sie langfristig kosten.
Rolf Noll vom Kutter- und Museumshavenverein hat schon länger eine Idee. Er will einen Helgenkran am Hafen aufstellen. Wie steht es um das Projekt?
Wir haben immer gesagt, dass wir das Projekt gut finden. Hierbei muss selbstverständlich die Verkehrssicherheit gewährleistet sein, der Fußweg muss zu jeder Zeit frei sein und es darf kein Werftbetrieb an Land stattfinden. Diese Anforderungen hat auch der Beirat Vegesack an das Projekt gestellt. Die Gespräche über die Umsetzung sind deshalb noch nicht abgeschlossen.
Auch der MTV Nautilus hatte einen Vorschlag: Er wollte die Brache der früheren Bremer Bootsbau Vegesack GmbH übernehmen und touristisch nutzen. Warum hat man es nicht auf einen Versuch mit dem Verein ankommen lassen?
Weil etwas Ähnliches versucht worden wäre, was vorher mit der Bootsbau Vegesack GmbH auch schon nicht funktioniert hat. Und weil wir zu dieser Zeit begonnen haben, das Gelände wieder gewerblich nutzbar zu machen.
Wie weit sind denn die Verkaufsgespräche mit der Lürssen-Werft inzwischen vorangeschritten?
Wir freuen uns über das Interesse von Lürssen an dem Areal – für das Investoren ja nicht gerade Schlange standen – und würden es auch gerne zügig verkaufen. Der Beirat Vegesack hat dem Verkauf auch bereits zugestimmt. Das Bauressort blockiert den Verkauf allerdings derzeit aus Gründen, die nicht nur etwas mit diesem Projekt zu tun haben.
Von welchen Gründen sprechen Sie?
Es wird offenbar eine Verbindung zum Wohnbauprojekt hergestellt, das Investor Ludwig Koehne an der Weserstraße plant und dem der Beirat bisher noch nicht zugestimmt hat. Das ist aus unserer Sicht nicht nachvollziehbar, zumal mein Ressort den Bausenator und das Projekt unterstützt.
Und wie geht es nun weiter?
Lürssen hat für die wirtschaftliche Entwicklung Bremens eine herausragende Bedeutung. Und ich freue mich darüber, dass die Firma sich hier am Standort weiterentwickeln möchte. Deshalb setze ich mich dafür ein, dass der Verkauf des Gewerbegeländes an Lürssen zügig zustande kommt.
Bremen hat viele touristische Attraktionen. An welcher Stelle steht denn die Maritime Meile im Ranking der Behörde?
Ein Institut der Hochschule hat dazu eine Befragung bei Touristen gemacht. An erster Stelle bei ihnen steht natürlich die historische Innenstadt mit dem Rathaus und dem Roland als Weltkulturerbe. Das nennen knapp 90 Prozent aller Touristen. 24 Prozent der befragten Besucher gaben an, das Weserstadion besucht zu haben, 23 Prozent die Überseestadt. Bei der Maritimen Meile waren es 16 Prozent.
Und was folgt für Sie daraus?
Dass ein Vergleich zwischen Attraktionen in der Innenstadt und im Norden der Stadt schwierig ist. Aussagekräftiger wäre ein Vergleich der Maritimen Meile mit Sehenswürdigkeiten in ihrem Umfeld.
Wie viele Besucher sind denn 16 Prozent?
Bei rund zwei Millionen Übernachtungsgästen sind das immerhin über 300 000 Besucher. Dazu kommen noch die Tagesgäste. Die Zahlen geben einen Eindruck, dass es doch insgesamt ein sehr großes Potenzial auch für den Bremer Norden und die Maritime Meile gibt.
Die Behörde hat ein Tourismuskonzept für die nächsten Jahre entwickelt. Was steht denn in dem Papier über die Maritime Meile?
Das Tourismuskonzept 2025 ist keine Aufzählung einzelner Projekte, sondern beschreibt das Ziel und unsere Strategien.
Und was ist das Ziel?
Das Ziel ist, die Zahl der Übernachtungsgäste auf drei Millionen zu steigern. Im Konzept sind verschiedene Handlungsfelder beschrieben. Und die Maritime Meile spielt dabei insbesondere unter dem Stichwort ,Kulturelles Erbe' eine wichtige Rolle. Man darf sie nur nicht künstlich klein machen, indem man sie zum Beispiel immer wieder mit dem Weltkulturerbe Rathaus und Roland vergleicht.
Mit dem Stichwort ,Kulturelles Erbe' beschreiben Sie nur den Ist-Zustand. Aber was ist mit der Zukunft?
Die Maritime Meile funktioniert ja so, wie sie ist. Auch in der Zukunft. Und in der wollen und werden wir sie noch stärker bei Besuchern positionieren. Ich bin sehr zuversichtlich, dass das gelingen wird.
Martin Günthner (43)
ist seit neun Jahren Wirtschaftssenator und damit zuständig für Tourismus. Er hat Geschichte und Philosophie studiert. Seit 1992 gehört Günthner der SPD an. Er wohnt in Bremerhaven, ist verheiratet und hat zwei Kinder.