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Interview mit Yared Dibaba "Sprache ist ein wichtiger Schlüssel"

Kuddelmuddel heißt das neue Album von Yared Dibaba und den Schlickrutschern. Die Sänger treten in Vegesack auf. Im Interview verrät Yared Dibaba, was für ihn Sprache, Heimat und Wurzeln bedeuten.
14.09.2021, 18:00 Uhr
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Von Iris Messerschmidt

Am 19. Dezember treten Yarad Dibaba & Die Schlickrutscher in Vegesack auf. Mit Ihrem neuen Album namens „Kuddelmuddel“. Was steckt hinter dem Titel?

Yared Dibaba: Kuddelmuddel ist das plattdeutsche Wort für Vielfalt. Das gilt in jeder Hinsicht auch für Yared Dibaba und die Schlickrutscher, sowohl musikalisch, als auch in der Konstellation unserer Band. 

Seit wann stehen Sie gemeinsam mit den Schlickrutschern auf der Bühne?

Seit 2014 sind wir zusammen unterwegs.

Wie ist die Zusammenarbeit entstanden?

Der Ursprung war ein Auftritt im NDR-Fernsehen in einer Weihnachtssendung, die Jan Fedder & Bettina Tietjen moderierten. Da bin ich gemeinsam mit der Finkwarder Speeldeel aufgetreten, habe einen Shanty mit einem Gospelteil verwoben. Das war sozusagen der Startschuss. Darüber hinaus mache ich schon ganz lange Musik in Hamburg, kannte so auch den einen oder anderen Musiker. Mein Bruder hat zudem seine Kontakte spielen lassen und gut ausgebildete Sänger dazu geholt. Die Schlickrutscher sind also Band und Shantychor zusammen.

Wofür steht der Name Schlickrutscher?

Das ist ein schlittenartiges Gefährt aus Holz, auch Schlickschlitten genannt. Mit einem norddeutscher Schlickschlitten bewegt man sich im Watt, wenn es schwer vorangeht. Ich fand, der Name Schlickrutscher passt wunderbar, denn er ist auch gleichzeitig eine politische Botschaft. Immer, wenn es im Leben schwergängig ist, darf man den Mut nicht verlieren, muss sich zu helfen wissen oder helfen lassen, eben einen Schlickrutscher haben, der über schwergängiges Gelände hilft.

Schon mit dem ersten Album „Land in Sicht“ haben Sie bewiesen, dass sich Platt in dieser Form bestens hören lassen kann. In „Die Welt op platt“ besuchten sie „Plattsnacker“ auf der ganzen Welt. Woher kommt Ihre Leidenschaft für die plattdeutsche Sprache?

Ich bin in Norddeutschland aufgewachsen. Für mich ist Sprache eine Form der Heimat, wobei ich meine erste Heimat Oromia in Äthiopien – zu der ich auch eine starke Verbindung habe –, durch den Bürgerkrieg verlassen musste.

Mit Bettina Tietjen hatten Sie Camping-Erlebnisse auf der Insel Poel. Hat Sie das überzeugt, ist der Camping-Urlaub etwas für die Familie Dibaba?

Ich weiß nicht, ob das was für die Familie ist. Ich persönlich war durch dieses Erlebnis mit dem Camping wieder versöhnt – direkt in der Natur, draußen, genügend Raum haben, wo man sich bewegen kann. Das liegt allerdings auch an den Erfahrungen von Bettina Tietjen, die im Camping ja ein "Alter Hase" ist. Sie hat mir viel gezeigt und ich fand es ganz gut.

Am nächsten Morgen hatten Sie gleich eine große Campinggemeinschaft hinter sich – beim Frühsport. Wie kommen Sie gut in den Tag?

Ich mache tatsächlich morgens immer Sport, Laufen, Fitness. Einen Tag ohne Sport kann ich mir kaum vorstellen, ich brauche das, um gut in den Tag zu kommen.

Aufgewachsen in Niedersachsen, kaufmännische Ausbildung und Schauspielschule in Bremen, Gesangsstudium in Hamburg, Moderationen vorwiegend im NDR. Sie leben mit Frau und Kindern in Hamburg. Yared Dibaba, zu diesem Namen kennen fast 100 Prozent der Norddeutschen ein Gesicht. Ist so ein hoher Bekanntheitsgrad im täglichen Leben eher einfach oder eher schwierig?

Das habe ich, ehrlich gesagt, so noch nicht überdacht. Die Menschen begegnen mir herzlich und offen. Von daher macht es das Leben nicht schwer. Ich bin ja schon relativ früh vor das Publikum getreten. Wenn man so einen Beruf ergreift, weiß man doch auch, auf was man sich einlässt. Es ist, wie es ist. Bekanntsein gehört nun einmal dazu, ist ja auch wichtig in diesem Beruf.

Sie haben ja auch schon mit Heidi Kabel in einer Episodenfolge auf der Bühne des Hamburger Ohnsorg-Theaters gestanden. Welche Rolle müsste Ihnen angeboten werden, damit Sie wieder Theater spielen?

Das ist eine gute Frage. Ich finde Rollen schön, die eine Herausforderung haben, was Charakter und Handlung angeht. Rollen, die Menschen inspirieren, die sie berühren, mit Erkenntnisgewinn herausgehen lassen. Rollen, die Vorbilder für Menschen sind, sie ermutigen, sowohl zum Lachen, als auch zum Weinen bringen. Mit anderen Worten: Es muss eine gute Rolle sein. Der Rest wird sich dann ergeben. Ich hätte schon Lust, wieder Theater zu spielen. Da ist man dem Publikum so nah. Ich liebe die Bühne und das Theater, finde es immer wieder toll, dass die Zuschauer dir direkt bei der Arbeit zuschauen können, und der Schauspieler sofort eine Reaktion auf seine Arbeit bekommt.

„Dänz op de Deel“ ist das Motto – „Schüddel wat Du hest, Du büst allerbest“, heißt es in einer Ankündigung zum „Kuddelmuddel“-Auftritt. Ist diese Aufforderung Programm?

Schüddel wat Du hest, heißt, beweg Dich einfach. Du büst allerbest, heißt, Du bist gut so, wie du bist. Gemeinsam soll es heißen: Mach dich frei, von Alltagssorgen und übermäßigen Gedanken. Wer dem Impuls der Musik folgt, stellt fest, dass Tanzen ein Genuss sein kann. Wer sagt, er kann nicht tanzen, hat den Kopf noch zu voll. Jeder kann tanzen, es gibt kein Richtig oder Falsch, einfach nur die Lust an der Bewegung und seinen Gefühlen freien Lauf zu lassen.

Zum Schluss noch die Frage: Was sagen Ihnen „Moin“, „Jo“, „Nützt ja nix“?

Fünf Worte, die ich Menschen an die Hand gebe, die meinen, kein Plattdeutsch zu sprechen. Fünf Wörter für den Anfang, mit denen sich Menschen trauen sollen, diesen eigenständigen Dialekt zu sprechen, das ist nichts Unmögliches. Wenn man sich bemüht, kommen automatisch immer mehr Wörter dazu, kann man die plattdeutsche Sprache lernen. Sicher kann man auch Englisch oder Französisch lernen, doch man sollte sich auch seiner sprachlichen Wurzeln bewusst sein. Warum nicht plattdeutsch sprechen, das Gute liegt doch so nah. In Äthiopien beispielsweise war mir verboten, meine Sprache zu sprechen. Doch Sprache ist ein ganz wichtiger Schlüssel, auch im Herzen von Menschen. Sprache ist Wurzeln, Herkunft, Heimat. Wer seine Sprache kennt, braucht keine Angst zu haben, dass man ihm die Heimat wegnimmt. Denn sie bleibt für immer im Herzen.

Die Fragen stellte Iris Messerschmidt.

Zur Person

Yared Dibaba (52 Jahre),

ist am 8. April 1969 in Aira, Region Oromia, Äthiopien geboren. Sein vollständiger Name lautet Dibaba, Yared Terfa. Der deutsche Schauspieler, Moderator, Entertainer, Autor und Sänger lebt mit Frau und zwei Kindern in Hamburg. 1973 kam er mit seiner Familie das erste Mal nach Deutschland, 1976 kehrte die Familie nach Äthiopien zurück und Yared Terfa (Dibaba) besuchte fortan in seiner Heimat eine deutsche Schule. 1979 flüchtete seine Familie mit ihm wegen des Bürgerkriegs aus Äthiopien, siedelte sich in der Gemeinde Ganderkesee an. 1990 machte Yared Dibaba in Delmenhorst Abitur, begann erst eine Ausbildung zum Industrie- und Großhandelskaufmann bevor er die Schauspielschule besuchte.

Info

Tickets und weitere Informationen über und für den Auftritt von Yared Dibaba und den Schlickrutschern gibt es im Internet unter www.kulturbuerobremennord.de.

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