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Integration problematischer Familienclans Zweifel am Projekt "Pro Düne" wachsen

Bremen-Nord. „Pro Düne“: Unter dieser Bezeichnung läuft seit dem Frühjahr ein Projekt in dem Grohner Hochhauskomplex, das auf eine bessere soziale Integration problematischer Familienclans zielt.
18.11.2013, 00:00 Uhr
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Zweifel am Projekt
Von Jürgen Theiner

„Pro Düne“: Unter dieser Bezeichnung läuft seit dem Frühjahr ein Projekt in dem Grohner Hochhauskomplex, das auf eine bessere soziale Integration problematischer Familienclans zielt. Rund 170000 Euro investiert die Stadt in das Programm, das Modellcharakter für andere Bremer Brennpunkte haben soll. An der Effizienz des Projekts gibt es nun jedoch Zweifel, die sogar von offizieller Seite bestätigt werden. „Es läuft nicht optimal“, heißt es recht unverblümt aus der Innenbehörde.

Sozial abgeschottete Großfamilien mit hoher Kriminalitätsbelastung sind eine große Herausforderung für die Kommunalpolitik. Ein Feld, auf dem sich mehrere Probleme überlappen: mangelnde Akzeptanz des Rechtsstaates, Bildungsferne, Arbeitslosigkeit und Abhängigkeit von Sozialleistungen, nicht zuletzt das Festhalten an den sozialen Normen des Herkunftslandes.

Insofern war es ein Fortschritt, dass sich im vergangenen Jahr eine Arbeitsgruppe aus Vertretern mehrerer Senatsressorts zusammenfand, um ein Modellprojekt zu entwickeln, in das all diese Aspekte einfließen sollten. Als wichtigste Zielgruppe von „Pro Düne“ galten die Mhallamiye, eine Volksgruppe aus dem Libanon, aus der viele Familienverbände seit den 70er-Jahren nach Deutschland eingewandert sind, auch und gerade nach Bremen. Viele dieser Clans gelten als vergleichsweise schlecht integriert. In der Kriminalitätsstatistik sind sie absolut überproportional vertreten.

Auf Staatsräteebene der beteiligten Ressorts wurden vor diesem Hintergrund schon im Frühjahr 2011 Grundzüge des Projekts festgelegt. Im Mittelpunkt stand neben der Kriminalprävention der Ausbau einer ganzen Palette von Hilfsangeboten auf den Gebieten der Bildung, der beruflichen Perspektiven und der allgemeinen gesellschaftlichen Teilhabe. Um ein derart ambitioniertes Vorhaben stemmen zu können, wurden eigens zwei Planstellen geschaffen, zusätzlich zu den vorhandenen Betreuungsstrukturen im „Dünenwind“, dem Bewohnertreff der Grohner Düne. Eine Koordinatorin sollte das Konzept mit örtlichen Akteuren abstimmen, ein sogenannter Kulturmittler den Dialog mit der Zielgruppe der Mhallamiye aufnehmen.

Nach längerem Planungsvorlauf ging das Projekt vor einem guten halben Jahr an den Start. Was hat es bisher erreicht? Nicht viel, urteilt die Buchautorin Beate Krafft-Schöning. Die gelernte Journalistin verfügt über ausgezeichnete Kontakte in die Gruppe der Mhallamiye und hat erst kürzlich unter dem Titel „Blutsbande“ ein Sachbuch über den sogenannten Miri-Clan veröffentlicht.

Nach Krafft-Schönings Einschätzung haben die Koordinatorin Sabine Bädecker und Kulturmittler Aras Baban bisher kaum Zugang zu ihrer Klientel gefunden. Bädecker kenne sich „nicht wirklich aus. Sie vermittelt das Programm auch kaum“. Aras Baban wiederum werde von den Mhallamiye in der Grohner Düne als Gesprächspartner nicht wirklich wahrgenommen.

Gespräche offerieren, Hilfsangebote machen: Schon eine solche sozialpädagogisch inspirierte Herangehensweise ist nach Auffassung der Milieukennerin nicht wirklich zielführend. Die Mhallamiye bräuchten klare Ansagen. „Man muss denen zeigen, dass man Chef ist und führt“, so Krafft-Schöning. Dann erreiche man auch Ergebnisse im Sinne gesellschaftlicher Integration. Die Stadt Essen mache dies vor.

Im Übrigen, so die Autorin, habe die hohe Fluktuation in der Bewohnerschaft der Düne dem Programm bereits teilweise die Grundlage entzogen. Viele Mhallamiye hätten in jüngerer Zeit die Großsiedlung verlassen. Nachgerückt seien vor allem Sinti und Roma. Zwischen diesen und den noch vor Ort lebenden arabischstämmigen Zuwanderern komme es immer wieder zu Reibereien. „Das wird irgendwann richtig knallen“, befürchtet Beate Krafft-Schöning. „Wenn ich bei der Polizei Verantwortung hätte, würde ich mir mal Gedanken über ein entsprechendes Sicherheitskonzept machen.“

Die skeptische Wahrnehmung des bisherigen Projektstandes wird von der Innenbehörde geteilt. „Es läuft nicht optimal“, sagt Sprecherin Rose Gerdts-Schiffler. Dies sei der Eindruck von Staatsrat Holger Münch, „dem das Gelingen von ,Pro Düne’ ein großes Anliegen ist“. Für Mitte Dezember sei eine Art Zwischenbilanz des Projektes vorgesehen. Bis dahin müssten Fortschritte erzielt werden.

Nicht ganz so kritisch ist die Wahrnehmung im Sozialressort. Sprecher Bernd Schneider billigt Sabine Bädecker zu: „Sie hat mit den örtlichen Akteuren Konsens erreicht, wie man miteinander arbeiten will.“ Richtig sei allerdings, dass Kulturmittler Baban noch nicht zu den entscheidenden Größen der Familienclans vorgedrungen ist. Die Gründe ließ Schneider offen. Baban kümmere sich jetzt vorrangig um Jugendliche und Kinder. Die Jüngeren vor sozialer Isolation und einem Abgleiten in die Kriminalität zu bewahren, sei schließlich auch ein wichtiges Anliegen von „Pro Düne“.

Einig sind sich alle Beobachter, dass ein wichtiger Begleitumstand dem Projekt geschadet hat. Fast zeitgleich mit dem Start von „Pro Düne“ ging die langjährige Grohner Quartiersmanagerin und Leiterin des Nachbarschaftstreffs „Dünenwind“, Erika Storck-Treudler, in den Ruhestand. Sie war rund um die Großsiedlung bestens vernetzt und hätte den Akteuren von „Pro Düne“ eine wichtige Stütze sein können. Ihre Nachfolgerin Katrin Höpker fing im Frühjahr ebenso wie Bädecker und Baban bei null an.

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