Walle. Mit einer so ausführlichen Erörterung hatten die Mitglieder der Deputation für Mobilität, Bau und Stadtentwicklung wohl eher nicht gerechnet, auf deren Tagesordnung am Donnerstag unter anderem das 2018 beschlossene Integrierte Verkehrskonzept für die Überseestadt (IVK) stand. Denn der CDU-Bürgerschaftsabgeordnete Heiko Strohmann hatte um einen kurzen Sachstandsbericht zu den 22 IVK-Erstmaßnahmen gebeten.
Zur Erinnerung: Ziel des IVK war es, auf Grundlage der bis 2030 in der Überseestadt vorauszusehenden Entwicklungen ein Verkehrs- und Mobilitätskonzept zu erarbeiten und dabei Maßnahmen und Projekte zu identifizieren, mit denen die Entwicklung des Standortes als urbaner, nutzungsgemischter Ortsteil durch verkehrliche Maßnahmen und Angebote unterstützt werden kann. Dabei hatten Gutachter alle Verkehrsträger betrachtet und aufbauend auf einer Chancen- und Mängelanalyse ein Konzept entwickelt.
Grundsätzlich sollten im IVK dabei vor allem Maßnahmen entwickelt werden, die mehr Menschen dazu bewegen könnten, vom Auto auf den öffentlichen Personennahverkehr oder das Fahrrad umzusteigen. Gleichzeitig sollte aber auch sichergestellt werden, dass der Verkehr auf den Straßen weiterhin fließt.
Ende 2018 hatte die Bau- und Verkehrsdeputation die umstrittenste IVK-Maßnahme – einen von den Gutachtern empfohlenen „Durchstich“ zwischen Hafenstraße und Nordstraße, gegen den die Bürgerinitiative Waller Wied bis zuletzt protestiert hatte – abgelehnt und 22 Erstmaßnahmen beschlossen, für die bis Ende dieses Jahres insgesamt 5,2 Millionen Euro zur Verfügung stehen. Einige dieser Maßnahmen, etwa die Optimierung der sogenannten „Grünen Welle“ im Bereich Hansestraße / Hansator, wurden inzwischen umgesetzt, teilte nun Grit Gerber, Referatsleiterin Verkehrsprojekte im Umweltressort, den Deputierten mit. Bei fast sämtlichen Maßnahmen ist demnach mit der Planung begonnen worden.
Zur Überraschung mancher Deputationsmitglieder meldeten sich in der Sitzung nun auch Vertreter des Waller Beirats in der Angelegenheit zu Wort. Dieser hatte bereits Ende 2018 gewarnt, mit der als Alternative zum „Durchstich“ im IVK angestrebten Öffnung der Kreuzung Überseetor / Nordstraße in Richtung Gröpelingen werde automatisch der Verkehr auf dem Waller Ring zunehmen.
Ortspolitiker Karsten Seidel (Grüne) erläuterte, weshalb der Beirat den für dieses Jahr geplanten Ausbau der Kreuzung Überseetor /Nordstraße auch weiterhin ablehnt: „Es geht um Ausfahrt aus der Überseestadt und nicht um einen Anschluss in die Überseestadt. Der Stadtteil Walle kann nicht die Konsequenzen einer unzureichenden Mobilitätsplanung für die Überseestadt tragen.“ Der Waller Beirat befürchtet Ausweich- und Schleichverkehr vor allem im Ortsteil Steffensweg und geht davon aus, dass sich mit einer Überseetor-Öffnung Autoschlangen in Richtung Utbremer Kreisel bilden werden.
„Dies wäre nicht nur angesichts der ohnehin hohen Verkehrsbelastung für die Anwohner unzumutbar“, so Seidel, „sondern auch angesichts des erfolgten Rückbaus des Waller Rings und des in diesem Jahr beginnenden Rückbaus des Osterfeuerberger Rings kontraproduktiv.“ Außerdem sollte im Umfeld der Berufsschule für Großhandel, Außenhandel und Verkehr – die einen Neubau an der Ecke Überseetor / Nordstraße bekommt – nicht durch zusätzlichen Verkehr das Unfallrisiko erhöht werden, warnen die Waller Ortspolitiker. Auch die Grundschule an der Nordstraße direkt gegenüber wäre davon betroffen.
Auch eine Öffnung der Kreuzung ausschließlich für vom Überseetor kommend nach links abbiegende Busse lehnen die Ortspolitiker ab, wie Seidel nun noch einmal unterstrich. Die Befürchtung: „Auf diese Weise könnte es zu einer ‚Aufweichung‘ des Kreuzungsbereiches für eine spätere Vollöffnung kommen.“
Beibehalten werden sollte stattdessen die Maßnahme R 11 – die Schaffung eines Fußgänger-Überwegs über die Nordstraße in Höhe Überseetor – die nicht als Erstmaßnahme definiert worden war. Diese Maßnahme könnte grundsätzlich zur Verbesserung der Verbindungen zwischen Alt-Walle und der Überseestadt beitragen und wäre auch im Zusammenhang mit der möglichen Schaffung des kleinen Naherholungsgebietes „Heimatgrün“ ein Gewinn für den Stadtteil, sind die Ortspolitiker ebenso überzeugt wie die Mitglieder der Bürgerinitiative Heimatviertel Waller Wied, die sich für das Heimatgrün stark machen.
Rein formal hatte der Bericht der Waller Beiratsmitglieder zwar keine Konsequenzen, da die Deputierten zum IVK-Sachstand keinen Beschluss zu fassen hatten. „Es schadet ja aber nichts, die Sache noch einmal ins Gedächtnis zu rufen“, sagt Deputationssprecher Falk Wagner (SPD). Womöglich werde vor der Umsetzung ja erneut über weitere Schritte diskutiert.
Eine andere IVK-Erstmaßnahmen ist die Schaffung einer besseren Querverbindung zwischen Alt-Walle und der Überseestadt für Fußgänger und Radfahrer an der Schulze-Delizsch-Straße über die Nordstraße zur Hafenstraße. Dieses Projekt soll demnächst mit Mitteln aus dem Städtebauförderungsprogramm „Aktive Stadt- und Ortsteilzentren“ realisiert werden – der Weg ist nun frei: Die Deputation hat die benötigten 918 000 Euro freigegeben.