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Biotope am Wegesrand: die Werftinsel Ein schmaler Landstrich, der Ruhe bietet

In dieser Reihe richten wir den Blick auf Details und scheinbar Unscheinbares in der Natur. Wir porträtieren kleinere Lebensräume in den Ortsteilen, an denen oft achtlos vorübergegangen wird.
21.07.2021, 17:00 Uhr
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Von Jörn Hildebrandt

Eine lang gestreckte Insel liegt in der Weser, dünn wie ein Damm. Bestanden mit einer hohen, dunkelgrünen Reihe aus schlanken Schwarzpappeln erinnert die Werftinsel fast an ein großes Schiff, das direkt vor dem Einkaufszentrum Waterfront vor Anker liegt. Diese noch namenlose Flussinsel fällt durch ihre extreme Schmalheit auf: Bei einer Länge von 478 Metern ist sie nur etwa 20 Meter breit. Doch sie bietet Raum genug, damit Bewohner und Bewohnerinnen aus Gröpelingen oder anderswo einen Ort der Ruhe und Entspannung finden.

Eine Fußgängerbrücke aus Metall führt vom Vorplatz der Waterfront direkt auf die unbewohnte Insel, die über die gesamte Länge auf einem Weg begangen werden kann. Bereits auf der Brücke umfängt den Spaziergänger ein maritimes Flair: Möwen kreischen, Wogen schlagen, der Wind wird kräftiger, die Hafenanlagen mit Spundwänden und Kais werden sichtbar, und ein Panoramablick auf die gesamte Überseestadt tut sich auf.

In einigen Lücken der rostroten Spundwände vor der Waterfront haben sich Rauchschwalben ihre Nester gebaut. Sie fliegen in hohem Tempo über das Wasser der Weser, auf der Jagd nach Insekten. Im Uferbereich der Insel schwimmen Stockenten, die noch ihre bereits herangewachsenen Jungen führen. Die gesamte Uferlänge fällt durch ihren extrem üppigen Bewuchs auf: Nah am Wasser erheben sich die großen Dolden der Arznei-Engelwurz vor dicht an dicht stehendem Bergahorn und Weiden, hinter denen sich die markanten Pappeln erheben.

Hinter der Brücke führt der Weg rechts in ein Dickicht, das ein gewisses Urwald-Feeling aufkommen lässt. Und plötzlich ist die Einkaufswelt von der Waterfront mit ihren riesigen versiegelten Flächen ohne jegliches Grün in weite Ferne gerückt.

Wir kommen nun nahe an den Pappeln vorbei, deren Rinde grau und gelb gesprenkelt erscheint, denn sie sind dicht mit Blasenflechten und Gelbflechten bewachsen. Es lohnt sich, einmal den Blick an den Pappelstämmen entlang nach oben zu richten, um die straff in die Höhe strebenden Zweige der Bäume zu sehen. Einige Pappeln zeigen an ihren Stämmen brettartige Verbreiterungen – damit wird die Standfestigkeit der hoch aufragenden Bäume erhöht.

Auf der Insel entlangwandernd, hören wir noch deutlicher das Schlagen der Wellen gegen die Steinpackungen, die für eine Stabilisierung der Uferseiten sorgen. An den Steinen lässt sich die Hochwassergrenze der Weser leicht erkennen: Im unteren Bereich sind die Steine von Algen grün gefärbt und glänzen vor Feuchtigkeit, im oberen Bereich, der nicht mehr vom Flusswasser überspült wird, färben Gelbflechten die Steine in intensiven Gelb- und Orangetönen.

Von der trockenen Landseite aus versuchen vor allem Brombeeren und Brennnesseln, so weit wie möglich auf den Steinpackungen vorzudringen. Ihre Ausläufer finden zwischen den Steinen immer wieder freie Spalten und Lücken. Die Hochwasserlinie markiert jedoch recht klar, wo das Vordringen der Pflanzen eine Grenze hat.

Unübersehbar sind auf den Steinpackungen nicht nur die fahlen Halme von Schilf und Staudenknöterich, sondern auch der viele Müll: Bretter, Schiffstaue, aber auch Glas- und Plastikflaschen.

Weil die Insel sehr schmal ist, hat die Vogelwelt nur wenig Raum und wird durch Spaziergänger und Radfahrer auf dem Weg leicht gestört. Doch die Pappeln sind hoch genug, um Ringeltauben Brutplätze zu bieten – ihr dumpf gurrender, mehrsilbiger Gesang ist an fast jeder Ecke der Insel zu hören. In Gebüschen fernab vom Weg finden auch Rotkehlchen und Mönchsgrasmücken ausreichend Schutz – ihre Stimmen verschaffen der Insel ein vielfältiges Klangbild.

Am Wegesrand ist man von üppigstem Grün umgeben: Rosen, Rote Taubnessel, Kratzdisteln und Rainfarn und besonders der Gewöhnliche Beifuß bestimmen das Bild – häufige Arten, die für hohe Nährstoffgehalte stehen. Auffällige gelbe Blüten bildet eine wichtige Heilpflanze, das Johanniskraut, das vor allem als Mittel gegen Depressionen eingesetzt wird und das beruhigend wirkt.

Am Ende des Wegs und damit an der Nordspitze der Werftinsel laden zwei Sitzbänke zum Entspannen ein, meist in Gesellschaft von Anglern, die ihre Leinen in Richtung Weser geworfen haben.

Setzen wir den Weg bis zum anderen Ende der Insel fort, wird das Gelände zunehmend offener und lichter: Graukresse, Wiesenkerbel, Hasenklee und Rainfarn machen sich breit und bilden vielfältige Blütenaspekte – und plötzlich wird auch das Insektenleben reicher: Tagfalter wie Kohlweißling und Admiral flattern umher, und auf den Blüten sitzen bei Sonnenschein zahlreiche Weichwanzen, Weichkäfer und Blumenfliegen.

Am südlichen Ende der Werftinsel steht das rote Molenfeuer Überseehafen Nord, das die Zufahrt zu den Handelshäfen markiert. Von hier genießen wir, umfangen vom zarten Duft wilder Rosen, einen wunderbaren Blick auf den neu angelegten Sandstrand der Überseestadt und auf das Lankenauer Höft am südlichen Weserufer.

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