Bremen Stadtteile Osterholz Verden Diepholz Delmenhorst Wesermarsch Oldenburg Rotenburg Cuxhaven Bremerhaven Niedersachsen

Audiowalk zur Überseestadt Gehen, hören und mitten rein ins Kopfkino

Einst kamen Familien sonntags zum Schiffegucken in Bremens Hafen. Später dann, um der Überseestadt beim Wachsen zuzuschauen. Jetzt gibt es einen neuen Grund, weshalb sich ein Besuch dort lohnt.
17.10.2024, 05:00 Uhr
Jetzt kommentieren!
Zur Merkliste
Gehen, hören und mitten rein ins Kopfkino
Von Anne Gerling

Die fast vier Hektar große rechteckige Freifläche zwischen Herzogin-Cecilie-Allee und Schuppen 17, die aus der Luft gut zu erkennen ist, ist eine der letzten ihrer Art in der Überseestadt: Mittlerweile sind die fast 300 Hektar drumherum nahezu komplett bebaut. Und was man im Alltagstrott schnell vergisst, wenn man an der von Sanddorn, anderen wilden Sträuchern und Bäumen bewachsenen Brache vorbeikommt: Genau hier befand sich fast 100 Jahre lang der Überseehafen, bis er 1998 zugeschüttet wurde.

Die Bremer Regisseurin, Autorin und Performerin Katrin Bretschneider hat sich rund um dieses geschichtsträchtige Areal auf Spurensuche begeben und lädt dazu ein, sie dabei zu begleiten: Mehr als ein Smartphone, Kopfhörer und eine gute Stunde Zeit braucht man nicht für den von Bretschneider entwickelten Audiowalk „Kein Schiff wird kommen“. Es geht dabei ums Hören und ums Gehen – der angeleitete Hörspaziergang lädt mit Klangkollagen und Melodien, Erzähl-Sequenzen, Interview-Ausschnitten, theatralen, meditativen, künstlerischen und spielerischen Elementen dazu ein, inmitten dieses verschlafen wirkenden Idylls für eine Weile abzutauchen und in Gedanken zurückzureisen in jene „gute alte Zeit“, als es hier, im Herzen der stadtbremischen Häfen, noch richtig brummte.

Mehr als bloße Hafenromantik

Der Rundgang entlang der Weser und zum Strandpark Waller Sand will aber mehr, als bloße Hafenromantik zu verbreiten. Auch Gegenwart und Zukunft spielen darin eine Rolle. Denn Bretschneider beleuchtet nicht nur den radikalen Wandel vom Überseehafen zur Überseestadt, sondern gibt auch kritische Denkanstöße dazu, wohin hier wohl die Reise in den kommenden 100 Jahren gehen könnte.

„Wenn ich mich mit Geschichte beschäftige, dann geht es mir nicht nur um sachliches Interesse an der Vergangenheit. Sondern ich frage mich auch: Was heißt das für die Zukunft“, sagt die Schwachhauserin, die unter anderem 2014 gemeinsam mit Jugendlichen aus dem Freizi Gröpelingen und dem Verein Kultur vor Ort einen Audio-Stadtteilführer durch Gröpelingen mit fünf Hörstationen entwickelt hat. Voriges Jahr schließlich lud sie zu einer „Stadtrauminszenierung“ in die Überseestadt ein: Die Zuhörer wurden mit Kopfhörern ausgestattet und dann in Gruppen durch das ehemalige Hafengelände geführt. Durch den Einsatz von Texten, Klängen und O-Tönen wurde dabei die Vergangenheit des Ortes für die Gäste wieder lebendig gemacht. Die für diese Live-Vorstellungen von ihr und ihrem Team zusammengestellten Inhalte hat Bretschneider nun, gefördert durch die Arbeitnehmerkammer, zu der kostenfrei nutzbaren Fassung für den individuellen Gebrauch umgearbeitet. Damit kann sich ab sofort jede und jeder rund um die Uhr auf Entdeckungstour begeben.

Wie lange die im Audiowalk beschriebenen Wege und Örtlichkeiten in ihrer jetzigen Form existieren werden, lässt sich aktuell übrigens nicht sagen. Irgendwann, so viel ist klar, wird sich auch hier etwas ändern. Denn die Brachfläche am Startpunkt ist wiederum Teil eines Areals, das eines Tages zum "Zukunftsquartier Piek 17" ausgebaut werden soll.

Überschaubare Audiowalk-Szene

Deutschlands Audiowalk-Szene ist bislang noch überschaubar, doch sie wächst beständig. „Ein Audiowalk verändert die Wahrnehmung, wenn man sich Zeit nimmt und mal durchatmet“, findet Bretschneider. Was sie als Performerin an dem Format besonders anspricht: „Die Möglichkeit, über die Vorstellungskraft Räume zu öffnen und Möglichkeitsräume entstehen zu lassen, wo es ums Fühlen geht.“ Daten und Fakten seien selbstverständlich gewissenhaft recherchiert worden. Ihr gehe es aber gar nicht so sehr um reine Wissensvermittlung, unterstreicht die Audiowalk-Autorin, die sämtliche Texte auch selbst eingesprochen hat, „sondern auch darum, den ganzen Menschen anzusprechen. Dabei benutze ich ganz bewusst das Gehen als Zustand. Denn es macht einen Unterschied, ob ich auf dem Sofa sitze und einen Podcast höre oder ob ich mich hier bewege und dabei den Wind in den Haaren habe und meinen Gedanken hinterherhängen kann.“ Was sie immer wieder aufs Neue an dem dabei entstehenden „Kopfkino“ fasziniert: „Wir gestalten nur die Audiospur – die Bildspur ist ja schon da!“

Info

Die Erstbegehung von „Kein Schiff wird kommen“ mit Katrin Bretschneider und Andreas Mackeben aus dem Kulturressort findet am Sonntag, 20. Oktober, um 15.30 Uhr statt. Treffpunkt ist die Blaue Manege, Kommodore-Johnsen-Boulevard 19. Von da an kann der Audiowalk kostenfrei über den QR-Code am Startpunkt Herzogin Cecilie Allee/ Ecke Schwabensteinstraße oder über den Link auf der Webseite katrin.bretschneider.de gestartet werden. Er ist nach „Shaking Hands With Ghosts“ über die AG Weser der zweite Teil der Audiowalk-Reihe „Bremer Orte im radikalen Wandel“. Teil drei ist in Planung.
Zur Startseite
Mehr zum Thema

Das könnte Sie auch interessieren

Rätsel

Jetzt kostenlos spielen!
Lesermeinungen (bitte beachten Sie unsere Community-Regeln)