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Wallerie Mehr Schein als sein

Mit der Ausstellung „Bremer Notgeld: Millionenschwere Upcycling-Kunst“ erinnert Delia Nordhaus in der Wallerie an die Zeit der Hyperinflation vor 100 Jahren.
17.04.2023, 09:00 Uhr
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Von Anke Velten

Drei Milliarden im Portemonnaie: Was man damit wohl alles anfangen könnte! Vor 100 Jahren hätte man dafür gerade einmal einen Laib Brot bekommen. 1923 ist als „Jahr der Hyperinflation“ in die Geschichte eingegangen. Es gab mehr Geld denn je, doch dafür wurde es immer weniger wert. Die Waller Künstlerin Delia Nordhaus hat den Jahrestag zum Anlass genommen, historischen „Blüten“ einen Rahmen und ihren künstlerischen Kommentar zu verleihen. Drei Wochen lang zeigt sie ihre Ausstellung „Bremer Notgeld: Millionenschwere Upcycling-Kunst“ in der Upcycling-Galerie Wallerie im Walle- Center. Und es geht ihr dabei selbstverständlich nicht (nur) um den Blick in die Vergangenheit. Es geht um materielle und ideelle Werte, Wertewandel und -verfall.

Auch die Künstlerin ist Milliardärin. Seit ihrer Kindheit hüte sie einen dieser alten Geldscheine, erzählt sie. Kaufen kann sie sich nichts dafür, kostbar ist er dennoch: „Mein Vater hat ihn mir geschenkt, er begleitet mich mein ganzes Leben“, sagt Nordhaus. Vor einigen Jahren überließ ihr dann ein Bekannter eine kleine Sammlung historischen Bremer Notgelds zur künstlerischen Verwertung.

Bekannte Motive

18 dieser Banknoten stehen im Mittelpunkt der Exponate, und sie lohnen durchaus die nähere Betrachtung: Denn sie sind kleine Kunstwerke an sich, mit ihren antikisierenden Motiven oder im Stil des Art Déco, und sie zeigen auch immer wieder die Wahrzeichen, Symbole und Sehenswürdigkeiten, auf die die Hafen- und Kaufmannsstadt Bremen so stolz war. Die aufwendige Gestaltung steht allerdings in starkem Kontrast zu ihrem Marktwert. Als das Jahr zu Ende ging, waren die Scheine nicht mehr das Papier wert, auf dem sie gedruckt waren.

Der verlorene Erste Weltkrieg kam das Deutsche Reich teuer zu stehen. Er war auf Pump finanziert worden – maßgeblich durch die Kriegsanleihen der Bürgerinnen und Bürger. Die Siegermächte forderten enorme Reparationen. Die Lösung war bestechend einfach, aber nicht besonders weitsichtig: Es wurde viel mehr Geld gedruckt und in Umlauf gebracht. An den Konsequenzen litten vor allem die Menschen in den Städten, die sich nicht selbst versorgen konnten, denn Papiergeld konnte man nicht essen.

320 Milliarden Mark für ein Ei

Ende des Jahres kostete ein Kilo Kartoffeln 90 Milliarden Mark, ein Ei gar 320 Milliarden. Es wurde billiger, Geldbündel zu verheizen, als Kohle zu kaufen. Zigaretten wurden mit Banknoten angezündet, um Streichhölzer zu sparen. In vielen Haushalten haben die Notgeld-Scheine als Kuriositäten überlebt. Es gebe auch einen lebhaften Sammlermarkt, auf dem besondere Raritäten hoch gehandelt werden, erzählt Nordhaus, die sich in den vergangenen Monaten intensiv mit der Materie beschäftigt hat.

Doch wie geht man damit künstlerisch um? Nordhaus, die sonst eher malerisch und plastisch unterwegs ist, wählte für ihre neue Werkserie das Genre der Montage. Die historischen Banknoten erhalten unterschiedliche Begleiter, die voller Bedeutung stecken –  einen „Kontext“, so Nordhaus. Manches erschließt sich wortspielerisch leicht  – wie die gepressten Blüten. Bei anderen gilt es, um die Ecke zu denken, wie bei dem 100-Millionen-Mark-Schein, der von Silberstoff und -fäden umspielt wird: „Echte Werte“, wie der Titel sagt.

Nur gebrauchtes Material

Alle Materialien, die sie verwandte, sind gebraucht, geschenkt, wiederverwertet. Die Dias stammen aus dem Nachlass des Worpsweder Malers und Waller Lehrers Helmut Busch, erklärt Nordhaus. Es sind Aufnahmen von Landschaften und Lieblingsblumen, die als Vorlagen für Gemälde gedacht waren. Sämtliche Arbeiten sind einheitlich gerahmt. Ihre Innenbeleuchtung im blau-weißen Licht winziger LED-Lämpchen nimmt ihnen jede Nostalgie. Aus der Reihe tanzt die Holzskulptur „Kohle“ – ein Bilderrätsel, nur so viel sei verraten.
Die Zeiten haben sich geändert, und auch die Währung ist längst eine ganz andere. Doch nicht nur aus Datumsgründen war es der richtige Zeitpunkt, das Bremer Notgeld ans Licht und in die Öffentlichkeit zu holen, erklärt Nordhaus. „Ich nehme die Ängste seit Monaten wahr. Waren werden teurer, man bekommt weniger für sein Geld, die Furcht vor einer Inflation steigt.“ Ihr Wunsch sei es, dass die Bilder einen Anstoß geben, sich Gedanken zu machen –  über echte und scheinbare, bleibende und vergängliche Werte.

Die Ausstellung „Bremer Notgeld: Millionenschwere Upcycling-Kunst“ kann bis Freitag, 6. Mai, in der Wallerie im Walle-Center angeschaut werden. Öffnungszeiten: donnerstags und freitags 11 bis 14 Uhr, sonnabends 13 bis 17  Uhr und nach Vereinbarung. Kontakt und weitere Informationen über die Galerie und die beteiligten Künstlerinnen und Künstler: www.wallerie.de.

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