Nezihe Ciftci zählt zu den besten Lehrern in Deutschland: Die 33-Jährige, die an der Europaschule Schulzentrum S II Utbremen Deutsch und Politik unterrichtet, hat den Deutschen Lehrkräftepreis bekommen. Damit ist sie eine von bundesweit elf Lehrkräften, die auf Initiative ihrer Schülerinnen und Schüler ausgezeichnet wurden.
Der Lehrerberuf sei vielleicht der wichtigste Beruf einer modernen Gesellschaft, unterstreicht die Nachrichtensprecherin und Wettbewerbs-Schirmherrin Gundula Gause: „Er fordert ganz eigene Persönlichkeiten. Sie begleiten Kinder und Jugendliche in einer der wichtigsten Lebensphasen. In Kindheit und Jugend wird die Basis für jeden Lebensweg gelegt. Das ist die Zeit, in der junge Menschen Wurzeln schlagen können und sich Inhalte erarbeiten, auf die sie ihr ganzes Leben aufbauen können.“
Guter Unterricht auch auf Distanz
Ciftci sei eine tolle Lehrerin und verdiene den Preis, finden die Schülerinnen und Schüler der Fachabiturklasse, die sie voriges Jahr nominiert hatten und dies gegenüber der Jury unter anderem so begründeten: „Wir haben trotz Teilgruppen und Distanzunterricht sehr guten Unterricht erleben dürfen und haben im Deutschunterricht sehr viel über die Themen soziale Gerechtigkeit und den Roman ‚Jugend ohne Gott‘ gelernt. Im Politikunterricht haben wir uns das gesamte Jahr mit der Kolonialgeschichte Deutschlands auseinandergesetzt und es wurde nie langweilig. Trotzdem nimmt Frau Ciftci auch Rücksicht auf ihre Schülerinnen und Schüler, wenn sie ihre eigenen Themen im Unterricht ansprechen wollen.“
Ciftci punkte dabei nicht nur fachlich, sondern auch menschlich, unterstrich ein Schüler: „Ich konnte die letzten anderthalb Jahre mit unseren Problemen in der Klasse, aber auch einigen persönlichen Problemen immer zu ihr gehen, um nach ihrer Meinung zu fragen, denn ich finde, gute Lehrerinnen und Lehrer sollten heutzutage nicht nur in der Lage sein, einen guten und lehrreichen Unterricht zu gestalten, sondern auch bei außerschulischen Problemen versuchen zu helfen – und genau das macht sie.“
Riesengroße Überraschung
Bei ihrer Verabschiedungsfeier im vorigen Jahr erzählten die Zwölftklässler Ciftci, dass sie sie für den Preis vorgeschlagen hatten. „Das war für mich eine riesengroße Überraschung und eine tolle Anerkennung meiner Arbeit“, sagt die 33-Jährige, die in Findorff lebt. Sie habe das dann nicht weiterverfolgt, „aber einige Schüler, die jetzt in der 13. Klasse sind und das allgemeine Abitur machen, haben immer mal nachgefragt.“ In der Anti-Rassismus-AG, die sie gemeinsam mit einem Kollegen koordiniert, habe sie schließlich erfahren, dass sie jetzt tatsächlich ausgezeichnet worden ist: „Ich war damals schon so dankbar, als ich vorgeschlagen wurde. Das ist die größte Anerkennung, die man bekommen kann.“
Die Arbeit mit jungen Leuten mache ihr viel Spaß, sagt Ciftci, die sich im Unterricht selbst als Teil einer Lerngruppe begreift: „Auch ich bin in einem ständigen Lernprozess. Die Schülerinnen und Schüler fordern mich immer wieder heraus, Dinge zu hinterfragen – das hält lebendig.“
Ciftci stammt ursprünglich aus dem Saarland und ist 2004 mit der Familie nach Osterholz-Scharmbeck umgezogen. „Ich wollte eigentlich nicht Lehrerin werden, sondern Jura studieren“, erzählt die gelernte Rechtsanwalts- und Notarfachangestellte. In der Oberstufe gab sie anderen Nachhilfe – damals brachte einer ihrer Lehrer das Thema Pädagogik-Ausbildung ins Spiel. Ciftci bewarb sich schließlich für beides und entschied sich am Ende für das Lehramtsstudium an der Bremer Uni.
Flexibel bleiben, mutig sein
Seit 2017 arbeitet die ausgebildete Gymnasial- und Oberschullehrerin an der Europaschule Schulzentrum S II Utbremen; 2018 begann sie ihr Referendariat in Utbremen und an der Oberschule Findorff, das sie 2019 beendete. Damit stand sie vor der Entscheidung, an welcher Schule es weitergehen sollte: „Ich wollte gerne mit jungen Menschen weiterarbeiten, die vielleicht schon politische Vorstellungen und Konzepte haben. So nahm ich die Herausforderung an, hier zu unterrichten.“
Was Ciftci angehenden Lehrerinnen und Lehrern mit auf den Weg geben würde? „Flexibel bleiben und auch mutig sein, Dinge auszuprobieren und sich selbst nicht so ernst zu nehmen. Bei mir im Unterricht wird auch häufig gelacht.“