Walle bekommt eine „Willkommensschule“. Die verlassenen Gebäude der Berufsschule für Groß-, Außenhandel und Verkehr (BS GAV) an der Ellmersstraße sollen in Kürze zur Beschulung von Kindern aus Übergangsunterkünften genutzt werden. Der Unterschied zu den bestehenden Einrichtungen am Ohlenhof und an der Stresemannstraße: In diesem Fall ist die Willkommenschule nicht für ukrainische Schülerinnen und Schüler vorgesehen.
Zunächst soll der Standort für 16 Klassen mit insgesamt 400 Schülerinnen und Schülern revitalisiert werden, wie Esra Basha aus der senatorischen Behörde für Kinder und Bildung dem Waller Bildungsausschuss bei seiner jüngsten Sitzung im Ortsamt West erklärte. Eine Kapazitätssteigerung sei grundsätzlich möglich.
Bisher kein Unterricht
In den Zeltunterkünften an der Herzogin-Cäcilie-Allee leben rund 300 Kinder und Jugendliche im schulpflichtigen Alter. Die rund zehn Prozent ukrainischen Kinder seien schulisch versorgt. Für die Übrigen – laut Angaben des Sozialressorts sind rund ein Viertel syrischer Herkunft – hatte es bislang keinen Unterricht gegeben. Die Gegebenheiten vor Ort hätten dies nicht ermöglicht, heißt es. Um ihnen den Schulweg zu erleichtern, liefen Gespräche mit einem Träger, der einen Bus-Shuttle von der Überseestadt nach Utbremen einrichten könne, so Basha. Die verbleibenden Schulplätze würden an Kinder aus anderen Stadtteilen vergeben. Gebäude und Lehrkräfte mit Kenntnissen in 16 Sprachen stünden bereit, aktuell sei die Behörde noch auf der Suche nach einer „Schulleiterpersönlichkeit“. Man rechne damit, dass die Schule innerhalb der kommenden Wochen ihren Betrieb aufnehme.
Die Berufsschule GAV war vor einigen Monaten in ihren Neubau an der Nordstraße umgezogen. Zuvor hatte man jahrelang den baulichen Zustand des Gebäudes an der Ellmersstraße beklagt. Vertreterinnen und Vertreter des Waller Beirats hatten das Gebäude vor kurzem mit einigen Vorbehalten in Begleitung von Stadtplanerin Georgia Wedler besichtigt – und waren „nicht ganz so schockiert“, wie Grünen-Fraktionssprecherin Brunhilde Wilhelm im Rahmen der Sitzung erklärte. Ein Eindruck, den auch ihre Beiratskollegin Sonja Kapp (SPD) bestätigte. Das Schulgebäude soll zudem als Zwischenlösung für die ersten Jahrgänge der Oberschule Überseestadt genutzt werden, bis sie in den geplanten Campus auf der Überseeinsel umziehen können – Tenor im Ausschuss: so kurz wie möglich.
Not lässt sich in Zahlen ausdrücken
„Wir waren uns einig, dass wir der Nutzung zustimmen können und aus der Not heraus auch müssen“, erklärte Wilhelm. Die „Not“, die durch die weltpolitischen Krisen ausgelöst wurde, lässt sich in Zahlen ausdrücken: Bis Ende deses Jahres wird die Bildungsbehörde für 2200 Kinder und Jugendliche Schulplätze an allgemein- und berufsbildenden Schulen finden müssen, mit denen keine demografische Prognose gerechnet hatte. „Viel mehr als 2016“, so Basha. Laut Anmeldezahlen handele es sich dabei um 1700 Schulpflichtige aus der Ukraine, die übrigen stammen aus anderen Herkunftsländern. Bis auf 400 Kinder und Jugendliche konnten alle mit Unterricht versorgt werden, so die Referentin. Die Zahl der Vorkurse an den Schulen wurde bremenweit verdoppelt, im Bremer Westen auf 27 aufgestockt. Speziell für die ukrainischen Kinder wurden die bislang zwei Willkommensschulen gegründet. Zum Jahresende soll eine weitere Willkommensschule an der Helsinki-Straße in Bremen-Nord ihren Betrieb aufnehmen. Mit Hochdruck ist die Behörde auch auf der Suche nach Sprachförderlehrkräften, so Basha.
Schulplätze werden auch die Kinder und Jugendlichen benötigen, die demnächst in den Wohncontainer an der Holsteiner Straße wohnen. Nach Auskunft der Sozialbehörde soll die Übergangsunterkunft in Trägerschaft der Johanniter noch vor Weihnachten bezugsfertig sein. Unter den rund 100 Menschen - überwiegend Familien - die dort laut Ressortsprecher Bernd Schneider untergebracht werden, dürften „erfahrungsgemäß“ ein Drittel Minderjähriger sein.