An Wänden und Decke des weißen Zeltes zeichnen sich märchenhafte Schatten-Figuren ab, die sich im Kreis drehen. Dafür sorgt eine Lampe, die unterhalb des Zeltdaches befestigt ist. Kurz vor Schluss der Mitmachausstellung "Gestatten, ich bin dein Schatten" des kek-Kindermuseums können große und kleine Besucher – auf einem großen, runden Bett liegend – entschleunigen und sich dabei etwas Schauerlich-Schönes vorlesen lassen. Für Spannung sorgt das Kunstmärchen "Der Schatten" (Skyggen), das Hans Christian And ersen 1847 verfasste.
Der bekannte dänische Erzähler lässt in das Märchen seine eigenen Erfahrungen als Außenseiter einfließen. Erzählt wird die Geschichte eines gelehrten Mannes, dessen eigener Schatten sich verselbstständigt und ihm schließlich zum Verhängnis wird. Die Bremer Kunsthalle widmete 2018 den Scherenschnitten von Hans Christian Andersen eine ganze Ausstellung. Die Faszination und die Magie des Schattens spiegelt sich auch in der Mitmachausstellung, die bis zum 18. Februar im Hafenmuseum im Speicher XI zu sehen ist. Der Schatten, ein Thema, das in Europa im Zeitalter der Romantik von besonderer Bedeutung war. In den Werken von E. T. A. Hoffmann wimmelte es nur so vor schauerromantischen Geschichten bis hin zum Teufelspakt, der die Handelnden oft ihre Seele und ihren Schatten kostet. Das Kindermuseum geht in der Mitmachausstellung dem Phänomen Schatten in den verschiedensten Formen nach: in Kunst, Literatur, Film, Fotografie und Theater.
Zu Gast im Silhouettiersalon
"Gestatten, ich bin dein Schatten" ist zuweilen aber nicht nur von einer angenehm prickelnden "Lust-Angst-Atmosphäre" geprägt, wie es Silke Rosenthal, Mitgründerin des Kindermuseums formuliert. Die Schau fordert die Kreativität von groß und klein fantasievoll heraus. Gleich am Eingang können die Gäste Platz nehmen, um hinter einem goldgerahmten Blatt Papier in einem sogenannten Silhouettiersalon ihren Schattenriss zeichnen zu lassen, der sich etwa durch das Tragen einer barocken Perücke oder eines Hutes aufhübschen lässt. Das Silhouettenbild kann dann nach Wunsch koloriert werden.

Silke Rosenthal lässt ein Silhouettenbild von sich anfertigen.
Derlei Konterfeis seien vor der Erfindung der Fotografie besonders populär gewesen, erzählt Rosenthal. Unter anderem auch bei Schiller und Goethe. Fotografie, dieser Begriff kommt ursprünglich aus dem Griechischen und bedeutet so viel wie "Mit Licht zeichnen". Und Rosenthal hat auch gleich die passende Geschichte zu den Silhouetten-Porträts parat: Etienne de Silhouette, so hieß der als geizig bekannte Finanzminister des französischen Königs Ludwig XV. "C'est un silhouette", mit diesem Kommentar habe der König quittiert, dass sein Minister aus Sparsamkeitsgründen seine Salons mit Schattenriss-Porträts anstatt mit Gemälden dekorieren ließ.
Scherenschnitte wie bei Andersen
Die Künstlerin Melanie Kuhl hat zudem eine Art runden Käfig gebaut, der mit verschiedenen Scherenschnittfiguren aus goldfarbener Folie dekoriert ist. Der Bühnenbildner Stefan Berthold hat die Szenerie wie auch an anderen Ausstellungsstationen in warmes Licht getaucht. Folie und Schere liegen bereit, damit die Besucher der Schau in der Manier von Hans Christian Andersen eigene Scherenschnitte hinzufügen können.
Als die Bilder laufen lernten
An einer Station schräg gegenüber lassen sich beispielsweise in Workshops Trickfilme drehen. Dazu wird eine Elfenfigur mit einem Sonnenemblem auf einem durchsichtigen Leuchtboard hin- und herbewegt. Hier erleichtere die moderne Technik enorm viel, sagt Rosenthal. Das sei im Fall der Trickfilm-Pionierin Lotte Reiniger 1891 noch ganz anders gewesen. Als kleines Kind fing sie mit der Kamera 16 Bilder pro Sekunde ein und montierte sie zu Trickfilmen von einer Stunde. Im Hintergrund laufen unterdessen wie zum Beweis märchenhafte Demo-Filme. Weiter gehts zur weißen Box, die Sounddesigner Riccardo Castagnola eingerichtet hat. Im Inneren schimmert Neonlicht, wenn sie auch nur einen Spalt breit geöffnet wird. Dann wird für den Zuhörer auch hörbar, wie der Schatten klingt, wie ein Sturm, der langsam Fahrt aufnimmt.
Zauberhaftes Schattentheater
In vielen Ländern ist das Schattentheater bedeutender Teil der Kultur, in China, in der Türkei, aber auch in ganz Südostasien. Und schon lässt Silke Rosenthal einen zerbrechlichen, bunten, chinesischen Mandarin seine Schatten tänzelnd auf eine transparente Wand werfen. Und sie hält eine thailändische Meerjungfrauen-Prinzessin in die Höhe. Die Künstlerin Melanie Kuhl hat 21 solcher kleinen Kunstwerke gefertigt, mit denen sich ganze Theaterstücke aufführen lassen. Mithilfe eines Overhead-Projektors lassen sich zudem komplette Bühnenbilder entwerfen. Wieder an einer anderen Station können analoge Fotografien entwickelt und, sobald sie getrocknet sind, mit nach Hause genommen werden.