Noch ist es still im Theatersaal, doch die aufwendig gestaltete Bühne lässt vermuten, dass das Publikum an diesem Abend noch einiges erleben wird. Laut wird es erst im Backstage-Bereich, wo sich die Schauspieler auf ihren großen Auftritt vorbereiten. Perücken, Schminke und Kleidung verwandeln die Männer und Frauen in die Protagonisten der plattdeutschen Komödie "Twee Omas starten dörch" von Jürgen Seifert. Es ist das erste Stück, das die Theatergruppe des Waller Heimatvereins seit der Pandemie aufführt – und war damit eine ganz besondere Premiere.
"In dem Zweiakter geht es um zwei Omas im Altenheim, die es faustdick hinter den Ohren haben und 100.000 Euro klauen, um Urlaub in der Karibik zu machen", informiert Gruppenleiterin und Regisseurin Anja Jacobs. Die zwei Hauptrollen übernehmen die Wallerinnen Annegesine Liebrum und Vera Carstens.
Laut Anja Jacobs zählt die Theatergruppe, die stets plattdeutsche Stücke aufführt, derzeit um die 20 Mitglieder. "Die Gruppe ist ganz gemischt, es haben auch schon mal 16-Jährige mitgemacht", sagt sie. Auch das Publikum werde immer jünger und "die, die einmal da waren, kommen auch gerne wieder".
2020 pausierte die Theatergruppe ihre Aktivitäten aufgrund der Pandemie. Diesen Winter finden dafür insgesamt elf Vorstellungen statt. Ab Mitte September übte die Gruppe das neue Stück auf der Bühne, die erste Aufführung folgte Anfang November. "Die Resonanz war gut, auch wenn einige noch vorsichtig sind", freut sich die Leiterin. Die Proben hätten auf Abstand und mit Testungen stattgefunden. "Trotzdem haben wir es genossen, wieder beieinander zu sein."
Eine der zwei Hauptdarstellerinnen, Vera Carstens, ist bereits seit fast 20 Jahren Mitglied der Theatergruppe. "Als Kind war ich viel bei meiner Großmutter und habe dort gerne Theater geguckt", begründet die 57-Jährige ihr Interesse am Schauspiel. "Ich mag es außerdem, hier Freunde zu treffen und in einer tollen Gruppe Spaß zu haben." Denn die Mitglieder versammeln sich nicht nur fürs Schauspiel: In diesem Jahr machten sie sich zum Beispiel im Zuge einer Theaterfahrt gemeinsam auf den Weg nach Leipzig. Nun sei es ein gutes Gefühl, wieder auf der Bühne zu sein – durch die Einschränkungen habe in den vergangenen Monaten etwas gefehlt. "Ich habe immer noch Lampenfieber, aber das muss auch sein, damit man sich nicht zu sicher fühlt", scherzt Carstens vor ihrem Auftritt.
Für Lynn Aschmies, 20 Jahre alt und damit das jüngste Mitglied, war die Premiere von "Twee Omas starten dörch" der erste Auftritt auf der Bühne. Plattdeutsch kennt die Wallerin durch ihre Großeltern, wie sie sagt. Und auch ihr Onkel Sven Aschmies macht in der Theatergruppe mit. "Meine Freunde finden das cool und gucken manchmal auch zu", erzählt die 20-Jährige.
Von der Sporthalle zum Theatersaal
Die Theatergruppe entstand bei der Gründung des Waller Heimatvereins im April 1988. Im November desselben Jahres wurde der erste plattdeutsche Heimatabend veranstaltet. Erster Leiter der Gruppe war Peter Junge, auf ihn folgte Ingrid Salomon, die die Leitung bis 2006 innehatte. Nach 16 Jahren gab sie die Leitung schließlich an Anja Jacobs ab. "Ihr ist nach einigen Jahren als Schauspielerin mit dem Sprung ins kalte Wasser eine ausgezeichnete Übernahme der Gruppe gelungen", lobt Herbert Meyer-Bolte, Vorsitzender des Heimatvereins. Ohne Erfahrung als Regisseurin und in vielen Bereichen auf sich allein gestellt, habe sie Veränderung gewagt.
Im Jahr 2007 musste der Heimatabend des Vereins aufgrund der Schließung der Gaststätte Zum Alten Krug erstmals nach 19 Jahren in neue Räume ausweichen – so konnte die Schul-Gymnastikhalle an zwei Wochenenden genutzt werden. "Mit einem gewaltigen Kraftakt wurde ein gemütlicher Theatersaal hergerichtet, eine Bühne mit Vorhang gezaubert, Teppichboden verlegt und ein schönes Ambiente geschaffen", sagt Meyer-Bolte. In den Jahren 2017 bis 2019 wurde erstmals jeweils ein Dreiakter aufgeführt.