Wer am Hafen anfing, konnte mit Talent und Ehrgeiz bereits jung eine gehobene Position einnehmen. Das ist in diesem Fall wortwörtlich zu verstehen, und Hans Heino Loose kann es bezeugen. Jahrzehntelang saß er in den Führerhäusern so ziemlich jedes Kranmodells in den stadtbremischen Häfen. Er kommt ins Schwärmen, wenn er sich an diese Zeit erinnert. Zum Beispiel an die besonders schnellen und wendigen Vollportal-Kippdrehkrane, die das Neustädter Hafenbecken säumten. „Das muss man einfach gesehen haben“, sagt er. „Wenn die Dinger alle in Aktion waren, dachte man: Da tanzt ein Ballett.“ Kranführer wurde man nicht von heute auf morgen.

Hans Heino Loose
An seinen ersten Lehrtag am 26. August 1976 kann sich Loose noch lebhaft erinnern. An den „rauen, aber herzlichen Ton“ musste er sich nicht gewöhnen. „Wir waren ja alles Hafenkinder. Unsere Väter und Großväter haben schon im Hafen gearbeitet.“ Die Jungen wurden erst einmal durch den Scheuersack geschickt. „Am ersten Tag hieß es: Ihr geht mal in‘n Zement“, erzählt Loose. „Zement, Zement, wochenlang pro Schicht 25 Tonnen mit reiner Körperkraft bewegen – wir brauchten keine Muckibude.“ Kaffee, Baumwolle, Kautschuk, Kokosfasern: „Erst, wenn man überall seine Erfahrungen gesammelt hatte, wurde man gefragt: Was willst du eigentlich werden?“
Schwindelfrei mit Feingefühl
Die Kranführer – die waren schon etwas Besonderes. Loose erinnert sich an „ganze Dynastien, Vater-Sohn-Gespanne waren nicht selten“. Neben einem hervorragenden räumlichen Vorstellungsvermögen, absoluter Schwindelfreiheit, Zuverlässigkeit und Pünktlichkeit gehöre auch dieses gewisse Gefühl für harmonische Bewegung zu den Voraussetzungen. „Wer dieses Grundgefühl nicht hat, wird kein Kranführer“, erklärt Loose.
Von den erfahrenen älteren Kollegen lernte man die verschiedenen Anschlagstechniken, um Stückgut wie Baumwollballen und Kaffeesäcke so zu greifen, dass nichts auseinanderfiel. „Es gab Leute unter uns, die konnten mit dem Kran eine Flasche Bier greifen“.

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Im Hafen war Arbeit – und viel davon. Wer fleißig war, konnte gutes Geld verdienen. Doppelschichten reißen, und dann noch das Wochenende freiwillig durcharbeiten: Das gehörte jahrelang zu seinem Alltag. „Wenn es sein musste, sagte der Teamleiter: Heino, bleib büschn’ länger, und bring deiner Frau paar Blumen mit.“ Im August dieses Jahres wird er die Altersgrenze erreichen, Ruhestand nach 45 Berufsjahren. Das Schönste, sagt er, war der große Zusammenhalt unter den Kollegen. Kranführer am Hafen, das war kein Job für Solisten. „Füreinander da sein, das ist verdammt wichtig“, sagt der 64-Jährige. „Wer nur an sich selbst denkt, lebt gefährlich.“
Dieses ist eins von sechs Porträts, die in dem Magazin zu lesen sind.