„Die sind ja alle schon so lange hier?!“ registrierte Ulrike Pala überrascht, als sie im September 2001 im Ortsamt West als Stadtteilsachgebietsleiterin für Gröpelingen anfing und sich im Kreise ihrer neuen Kolleginnen und Kollegen umsah. Schon bald fand sie dann den Grund dafür heraus: „Es ist eine interessante Tätigkeit, immer wieder was Neues – und du bist hier am Zahn der Zeit. Man gewinnt immer wieder neue Perspektiven, und dann sind da ja auch noch die Abendsitzungen: Da hast du mit ganz anderen Leuten zu tun als tagsüber. Als Jugendliche habe ich immer gesagt: Ich möchte alles mal ausprobieren. Die Stelle hier war dafür genau richtig.“
Genau deswegen hielt es Pala dann auch schließlich 22 Jahre im Ortsamt, das sie seit 2013 geleitet hat. Jetzt ist damit Schluss: An diesem Freitag überreicht der Bürgermeister ihr die Entlassungsurkunde, ab dem 1. Mai ist Pala Rentnerin.
"Wir waren Pioniere"
Pala wurde 1957 in Bremen geboren und wuchs in der östlichen Vorstadt und in Horn-Lehe auf. Nach einer Ausbildung zur Fremdsprachenassistentin und dem Studium der Sozialpädagogik an der Hochschule Bremen arbeitete sie unter anderem für die Bremer Ausländerbeauftragte. Ihr großes Thema: Migration und Integration. Bereits während ihres Studiums engagierte sich Pala im Verband binationaler Familien und Partnerschaften, wo sie Ende der 1980er-Jahre unter anderem afrodeutsche Spielkreise mitorganisiert und eine Kinderbuchsammlung zum Thema Rassismus mit aufgebaut hat. „Wir waren Pioniere“, sagt sie, wenn sie sich heute an diese Zeit zurückerinnert.
Später war sie dann beim Programm „Eine Welt der Vielfalt“ am Landesinstitut für Schule (LIS) mit dabei, wo die Sozialpädagogin und Mutter von zwei Söhnen zur Toleranz-Trainerin ausgebildet wurde: „Wir waren eine kleine Gruppe von Trainern und sind dann in die Kindergärten und Schulen ausgeschwärmt, um dort mit Gruppen Toleranz und Respekt zu üben. Das war eine ganz tolle Zeit.“
Gute Erinnerungen
Migration und Integration – das war auch in Gröpelingen immer Thema. Dementsprechend gut gefiel es Pala dann auch im Ortsamt. Als sie am 1. September 2001 dort anfing, war mit ihr nach zweijähriger Vakanz die Stadtteilsachgebietsleiterstelle für Gröpelingen endlich wieder besetzt. Woran Pala sich besonders gerne zurückerinnert? An die Aktion „Gröpelingen gegen Rassismus – Gröpelingen mit Courage“ zum Beispiel. Das war 2007, gut ein Jahr nach der großen Demo gegen den NPD-Aufmarsch im Bremer Westen am 4. November 2006.
Ortsamt, Beirat, Volkshochschule West, Bremer Heimstiftung, das Nachbarschaftshaus Helene Kaisen und die Landeszentrale für politische Bildung schlossen sich damals zusammen und wollten mindestens 5000 Unterschriften gegen Ausländerfeindlichkeit sammeln, um in Anlehnung an das Projekt des Vereins Aktion Courage als bundesweit erste Kommune den Titel „Stadtteil gegen Rassismus – Stadtteil mit Courage“ zu bekommen. „Ich wollte schon immer gerne eine Stadtteilaktion machen, und da kam ich auf die Aktion ‚Schule gegen Rassismus‘“, erinnert sich Pala. Die Vorbereitung habe ein dreiviertel Jahr gedauert: „Und von September bis Dezember gab es dann ganz viele Aktionen rund um das Thema Rassismus und Ausländerfeindlichkeit.“
Mehr als 6000 Unterschriften
Rund 65 Ehrenamtliche, darunter Schülerinnen und Schüler der Johann-Heinrich-Pestalozzi-Schule und der Gesamtschule West (GSW), wurden im Na‘ geschult und sprachen danach Freunde, Verwandte und Kollegen auf das Thema Fremdenfeindlichkeit und auf die Aktion an. Am Ende bekannten sich mehr als 6000 Gröpelingerinnen und Gröpelinger mit ihrer Signatur zu ihrem „lebendigen und bunten Stadtteil mit kultureller Vielfalt“. So gab es für sie im Dezember eine Urkunde und ein großes Schild, das auf dem Ohlenhofplatz aufgehängt wurde. „Das hängt jetzt auf dem Bürgermeister-Koschnick-Platz“, freut sich Pala.
Herausragend findet die scheidende Ortsamtsleiterin im Rückblick auch das Projekt „Knoten Oslebshausen“: Nachdem es über Jahre mit der verfahrenen Verkehrssituation auf der Oslebshauser Hauptkreuzung nicht vorangegangen war, hatten im Jahr 2008 Ortsamt, Beirat und eine Unternehmerinitiative auf eigene Faust eine Studie in Auftrag gegeben. „Da mussten wir noch um Erlaubnis bitten, ob wir das mit Globalmitteln machen dürfen. Und die Trägerbefassung haben wir dann auch gleich noch miterledigt“, erzählt Pala.
Kreisverkehr vorgeschlagen
Damals schlug der beauftragte Verkehrsexperte vor, einen Kreisverkehr einzurichten – eine Idee, die 13 Jahre später in einer zweiten Studie als zu platzaufwendig und ungünstig für den Busverkehr bewertet wurde. Stattdessen schlagen nun Planer vor, die Oslebshauser Landstraße abzuhängen, um sie vom Durchgangsverkehr zu befreien.
Als Pala vor zehn Jahren dann von den drei Beiräten zur neuen Ortsamtsleiterin gewählt wurde, veränderte sich ihr Tätigkeitsspektrum. Vor allem beschäftigte sie nun auch immer wieder die phasenweise sehr dünne Personaldecke im Haus, bis Ende 2021 schließlich alle neun Stellen besetzt waren. Leider ein Erfolg von kurzer Dauer, drei Kolleginnen haben sich seitdem beruflich umorientiert. Auch Palas Nachfolgerin Cornelia Wiedemeyer wird sich somit wieder um neue Kräfte bemühen müssen.
Und wie geht es ab Mai für Ulrike Pala weiter? Sie habe Lust, bei dem einen oder anderen Verein mehr zu machen, sagt sie: „Ich habe mein Leben lang gearbeitet und auch immer gerne ein bisschen mehr als zu wenig. Jetzt freue ich mich darauf, einfach mitzumachen und keine Verantwortung zu haben.“