Wird in Walle demnächst womöglich viel Geld für etwas ausgegeben, was keiner will und im Grunde niemand braucht? Diesen Eindruck zumindest hat Karin Schlechtinger von der Bürgerinitiative (BI) Waller Wied, nachdem sie kürzlich im Fachausschuss Überseestadt des Waller Beirats Entwürfe für den „Platz an der Hafenstraße“ gesehen hat, der zwischen dem Zweirad-Stadler-Parkplatz und dem Lärmschutzwall an der Nordstraße angelegt werden soll.
Hintergrund ist die auf Höhe der Schulze-Delitzsch-Straße geplante Nordstraßen-Querung, durch die Alt-Walle und die Überseestadt besser miteinander verbunden werden sollen. Seit fast zehn Jahren fordern Waller Beirat und Anwohner mehr Ampeln und Übergänge an der Nordstraße. 2018 hatten Experten im Integrierten Verkehrskonzept (IVK) für die Überseestadt ein Maßnahmenpaket zur Verbesserung der Verkehrssituation vorgeschlagen. Darunter die Maßnahme „R.9“: der „Neubau Durchwegung Hafenstraße- Schulze-Delitzsch-Straße“.
Aktuell führt zwischen dem etwa 480 Meter langen Erdwall an der Nordstraße und den letzten 200 Metern Zollzaun bei Fahrrad-Stadler ein vor allem bei Hundehaltern und Straßenbahnnutzern beliebter Trampelpfad hindurch. Die Wirtschaftsförderung Bremen (WFB), die für das städtische Areal zuständig ist, hat nun in Abstimmung mit dem Mobilitätsressort einen Entwurf dazu erstellen lassen, wie der je nach Wetterlage mehr oder weniger matschige Pfad zu einer attraktiven Verbindungsstrecke ausgebaut werden kann. Dabei herausgekommen ist das Projekt „Platz an der Hafenstraße“, für das über den Europäischen Fonds für regionale Entwicklung (EFRE) Fördermittel beantragt werden sollen: Ein Platz mit einer begrünten Mittelinsel, insektenfreundlicher Bepflanzung, Sitzbänken und Fahrradbügeln. Die Gesamtkosten für die Umgestaltung der etwa 1000 Quadratmeter großen Fläche: 350.000 Euro.
Von dieser Summe überrascht zeigt sich die Grünen-Fraktion des Waller Beirats, der im Zuge der Trägerbeteiligung zu dem Vorhaben Stellung nehmen soll. Bislang war man dort aufgrund der im IVK aufgeführten Beträge von einer „einfachen Durchwegung“ für rund 100.000 Euro ausgegangen. Unhinterfragt „durchwinken“ mochten die Grünen das Projekt deshalb nicht, sie wollen zunächst Details zu Bedarf und Kosten. „Hier wird uns eine Lösung präsentiert, für die es kein Problem gibt“, sagt Fraktionsmitglied Karsten Seidel.
„Ein Platz an dieser Stelle mutet absurd an, wenn man sich den Kontext ansieht. Besonders unter der Bedingung, dass niemand – weder Anwohner, Nutzer, Anrainer noch der Beirat – dazu jemals befragt wurde“, sagt wiederum BI-Sprecherin Karin Schlechtinger. Sie verweist auf mehrere andere öffentliche Plätze in der unmittelbaren Umgebung: „Es gibt keinen guten Grund für eine Errichtung eines Platzes an dieser Stelle. Der Ort ist extrem exponiert in Bezug auf Verkehrslärm und eher wenig frequentiert. Durch die Pflasterung wird noch mehr Fläche versiegelt und Lebensraum für Klein- und Kleinstlebewesen vernichtet.“
Auch Fahrradständer wären dort Schlechtingers Einschätzung nach fehl am Platz: „Nur wenige Meter weiter gibt es direkt vor der Tür von Stadler eine großzügige Abstellanlage, die wesentlich attraktiver ist. Durch den Publikumsverkehr dort ist man auch besser vor Diebstahl geschützt.“ Die Wallerin stellt sich seit der Präsentation der Planung eine Frage: „Warum wird ein Platz für viel Geld geschaffen, nach dem niemand gefragt hat und für den der Bedarf zumindest fragwürdig erscheint, wenn andere Projekte gewollt sind und gebraucht werden?“ Denn, so Schlechtinger: „Es existiert eine Verbindung von der Hafenstraße in Richtung Nordstraße, die jedoch blind am Grundstück von Stadler endet. Eine einfache Fortsetzung dieser Verbindung über die verbleibenden etwa zehn Meter fehlt völlig in den betrachteten Alternativen, auch wird dieser Weg in keine der vorgestellten Alternativen einbezogen.“ Der zuständige WFB-Mitarbeiter konnte sich bis Redaktionsschluss bedingt durch Abwesenheit nicht zu dem Sachverhalt äußern.