Der leidenschaftliche Jazz-Fan Michel ist genervt: Niemand, aber auch wirklich niemand scheint seine Begeisterung für die LP "Me, myself and I" teilen zu wollen. Michel fühlt sich wie ein Glückspilz, hat er doch gerade auf einem Pariser Flohmarkt die Klarinetten-Scheibe entdeckt, der er Kultstatus beimisst. Weder die gelangweilt-teilnahmslose Ehefrau Nathalie – glaubwürdig gespielt von Maren Schulz aus Schwachhausen – deren bester Ratgeber ein Psychotherapeut ist, dessen Tipps sie lammfromm verinnerlicht, noch seine patzige Tochter Bastienne, Spitzname "Fucking red", in düsterem Grunge-Look und Misslaunig. Für sie ist Jazz einfach nur "Scheiß-Musik".
Nele Roßow, die die Bastienne spielt, ist neu im Ensemble des Union Theaters. Für sie ist das Engagement an Bremens ältestem Amateurtheater Familien- und Herzensangelegenheit gleichermaßen, wie sie erzählt. Denn die Hastederin ist von ihrem Onkel Nils beim Union Theater angeheuert worden. Nein, Lampenfieber habe sie nicht, aber von jeher einen Faible fürs Theater, sagt sie. Und Nele, hauptberuflich Auszubildende als Fachkraft in der Lagerlogistik, erntet von den viele "alten Hasen", die oft schon seit Jahrzehnten Mitglied beim Union Theater sind, viel Lob für ihr bevorstehendes Debüt. Doch zurück zum Stück.
Ein polnischer Portugiese
Immer, wenn Michel gerade dabei ist, seine weißen Glacéhandschuhe überzustreifen, um seine Kultplatte in die Hand zu nehmen, um sie aufzulegen, kommt garantiert etwas dazwischen. Mal ist es der glücklose Klempner Leo, der hereinplatzt, um zu verkünden, dass er gerade einen kolossalen Wasserrohrbruch verursacht hat, dann wieder der dickfellige Nachbar Pavel (Christian Seegert aus Ritterhude, im Hauptberuf Unternehmenscoach), der sich über das eindringende Wasser beschweren will und es sich in Michels Wohnung gemütlich macht. Nur unwillig lässt er sich wieder hinaus komplimentieren. Umwerfend komisch: Wenn Nils Roßow aus Oberneuland herzzerreißend in Tränen ausbricht und gesteht, dass er kein Polnisch verstehe, sondern Portugiese und als solcher nicht so bewandert in Klempner-Künsten sei. Aber er brauche nun einmal das Geld für seine fünf Kinder, wie er betont.
Kaum ist Nachbar Pavel weg, steht prompt Elsa (Christina Richter aus Bremen-Nord) ganz in rot vor der Tür. Michels Geliebte ist nicht nur in rot gewandet, sie sieht auch rot. Ein Schelm, der dabei an Bastiennes Spitznamen "Fucking red" denkt... Doch rot hin oder her, Elsa bevorzugt es nun, das moralische Büßergewand zu tragen. Sie will unbedingt Michels Frau Nathalie, die zudem noch ihre beste Freundin ist, reinen Wein einschenken. Denn sie argwöhnt, dass diese ohnehin schon alles weiß. Und Michel, ohnehin in der Midlife-Crisis, sieht mit schreckgeweiteten Augen schon das ganze Lügenkonstrukt seiner Liaison in sich zusammenbrechen.
Entspannung, Ausgleich und Freude
Jörg Peterschewski aus Horn macht das in der Hauptrolle des verzweifelten Ehemannes, der sich von allen missverstanden fühlt, ganz vorzüglich. Auch sein Herz schlägt seit vielen Jahren für das Theater, wie er betont. Im Hauptberuf ist er Qualitätsmanager für medizinische Software. Stellvertretend für das Ensemble bringt es seine Bühnen-Ehefrau Maren Schulz alias Nathalie auf den Punkt: "Für mich bedeutet das Theaterspielen Entspannung, Ausgleich und Freude gleichermaßen". Auf der Bühne steht Schulz seit Teenager-Tagen. Hauptberuflich ist sie in leitender Position bei einem Software-Unternehmen für die Finanzen zuständig. Nicht zuletzt Ansgar Matuschak, der als Regisseur auf ein flottes Tempo setzt und französischen Esprit aufblitzen lässt.
Die Boulevard-Komödie "Eine Stunde Ruhe" hat am Freitag, 26. Januar, um 19.30 Uhr in der Union Brauerei, Theodorstraße 13a, Premiere. Weitere Termine: Sonnabend, 27. Januar und 3. Februar um 18 Uhr, Sonntag, 28. Januar und 4. Februar, 16 Uhr. Dienstag, 30. Januar bis Freitag, 2. Februar, 19.30 Uhr. Die Tickets kosten zwischen 21 und 23, ermäßigt 13, Euro. Erhältlich sind sie bei Nordwest-Ticket in der Martinistraße 43, Telefon 36 36 36 oder in der Geschäftsstelle des Union Theaters, montags bis freitags von 10 bis 13 Uhr. Telefon 0176 429 985 11 oder 65 30 28 42.