Lama Slemano ist Gast Nummer eins an diesem Tag – mit Spannung erwartet vom Team des ersten Speedflatmatings in Bremen. Das englische Wort ist zusammengewürfelt, eine Mischung aus „Speed Dating“ und „Flatmate“, also „schnelles Kennenlernen“ und „Mitbewohner“. Für Slemano eine Chance, das Leben als Alleinerziehende leichter zu gestalten, wie sie sagt. Vor sechs Jahren ist die zweifache Mutter aus Syrien nach Bremen gezogen. Mal lebte sie mit, jetzt wieder ohne Beziehung. „Ich suche eine Wohnung, in der meine Kinder mehr Platz haben, ob bei mir in Gröpelingen oder in einem anderen Stadtteil ist mir egal“, schildert sie ihre Erwartungen.
So wie Slemano geht es etlichen Müttern. Fast jede dritte Familie in Deutschland lebt nicht mehr nach dem klassischen Modell Vater, Mutter, Kind. In Bremen sind es 24 Prozent, sagt Christiane Goertz, Koordinatorin des Netzwerks für Alleinerziehende beim Verein Frauen in Arbeit und Wirtschaft (FAW). Über 90 Prozent der Alleinerziehenden sind Frauen. Goertz weiß um die Sorgen und Nöte, das Familienleben allein zu organisieren und zu finanzieren. Sie ist mit rund 40 Bremer Institutionen zu diesem Thema vernetzt.
Konzept aus Großbritannien
Vorherrschendes Problem ist die Suche nach bezahlbarem Wohnraum. Genau dabei soll Speedflatmating Unterstützung leisten. Egal, ob man sich eine Wohnung teile oder jemand ein Zimmer anzubieten habe, erklärt Goertz die Idee, Alleinerziehende zusammenzuführen. „Das ist keine Erfindung von mir. Das Konzept stammt aus Großbritannien“, berichtet sie. In diversen deutschen Großstädten sei es zur Umsetzung gekommen. Sie selbst habe es sich in Hannover abgeguckt. Dort hätten sich die Treffen etabliert.
Für das erste Bremer Speedflatmating stellt das Waller Haus der Familie seine Räumlichkeiten zur Verfügung. Im Café Waller Dorf reihen sich Zweiertische aneinander. Jeweils eine Tulpe lugt aus der Vase und sorgt für ein wenig Atmosphäre. Tee, Kaffee, Gebäck stehen bereit. Es kann losgehen. Sieben Teilnehmerinnen haben sich angemeldet. Nach einer halben Stunde trudelt die zweite ein. „Wir lernen bei der Organisation noch dazu“, meint Goertz und räumt ein, dass der angegebene dreistündige Zeitraum des Treffens auf Flyern, sozialen Internetplattformen und Plakaten irreführend sei. Natürlich müssten alle pünktlich erscheinen, damit das Konzept aufgehe.
Spielregeln aufgestellt
Goertz und ihr Team, bestehend aus Andrea Overesch vom Haus der Familie, Ursula Heiligenberg von Fokus – Zentrum für Bildung und Teilhabe, Kirsten Bielski von der Waller Beschäftigungs- und Qualifizierungsgesellschaft (Wabeq) und Sonja Löhnert als ehrenamtliche Helferin, haben sich im Vorfeld Gedanken gemacht, was die Spielregeln von Speedflatmating sind.
Jedes Gespräch hat eine maximale Dauer von sieben Minuten. Als Anregungen liegen zwei Fragebögen aus. „Wie alt bist du?“, „Wie sieht deine Küche aus, wenn du gerade gekocht hast?“, „Was machst du, um Stress abzubauen?“ sind nur einige Beispiele, die dabei helfen sollen, eine Unterhaltung in Gang zu bekommen. Ein Gongschlag läutet das Ende ein. Wechsel. Die Nächste bitte. In einer Reihe geht es dann einen Stuhl weiter. „Auf diese Weise schaffen wir Zeit für Gespräche, aber auch für ein unverbindliches Ende“, erklärt Goertz. Schließlich gehe es nur um einen ersten Eindruck. Niemand müsse sich verpflichtet fühlen, den Kontakt aufrecht zu erhalten, jeder könne ihn aber vertiefen. Entweder bei einer Tasse Tee im Anschluss oder bei einem privaten Treffen. „Was die Frauen daraus machen, haben sie dann in der Hand“, meint die Organisatorin.
Kontakte zu Wohnungsbaugesellschaften
Kleine Kinder dürften ruhig mitgebracht werden. Zwei ehrenamtliche Helferinnen betreuen sie in einer Spielecke. Slemano hat ihre Tochter Heidi auf dem Schoss. Auf den vier Monate alten Noah passt Seda Mengüc in Sichtweite der Mutter auf.
Nicht nur für die Betreuung ist gesorgt. Goertz hat über ihre Kooperationspartner bereits Kontakte mit Bremer Wohnungsbaugesellschaften aufgenommen. Die Gewoba habe interessante Bauprojekte für Alleinerziehende in Planung, berichtet sie. Cluster-Wohnungen mit privaten Wohneinheiten und Gemeinschaftsräumen bieten Platz zum Rückzug und Raum, der geteilt wird. Neben der finanziellen Ersparnis der Mietparteien bekommt so das soziale Miteinander eine Fläche. „Netzwerken ist gerade für Alleinerziehende wichtig“, betont Goertz.
Wie wichtig Wohnraum für Mütter ist, die ihre Kinder allein versorgen, weiß Sonja Löhnert aus eigener Erfahrung. Die ehrenamtliche Helferin musste ihre Erfahrungen vor Jahren in Bayern machen als Vermieter sie abwiesen, da ja „kein Mann im Hause sei“. Das Grundverständnis für neue Familienformen sei noch nicht bei jedem da, bedauert sie.
Holprige Premiere
Auch wenn die Premiere vom Bremer Speedflatmating etwas holprig war – am Ende erschienen nur vier der sieben angemeldeten Frauen – ist Goertz sehr zuversichtlich, dass das Angebot auch in Bremen angenommen wird: „Der Bedarf ist auf alle Fälle da.“ Ein Termin für das nächste Treffen steht noch nicht fest. Der Ort auch nicht. Nur, dass es stattfinden wird, ist sicher. Interessierte können sich unter 04 21/ 1 69 73 23 und unter christiane.goertz@faw-bremen.de anmelden.