Lindenhof. Einen Deutschkurs besuchen, das Kind in einer Kita anmelden, einen Facharzt finden oder Behördenbriefe verstehen: Für Menschen mit Fluchthintergrund ist es nicht einfach, sich nach dem Umzug in eine eigene Wohnung im Alltag zurechtzufinden. Mit dem Projekt „Ankommen im Quartier“ hatte die Sozialbehörde deshalb 2016 in acht als sozial benachteiligt geltenden Quartieren, in denen auch das Förderprogramm „Wohnen in Nachbarschaften“ (Win) läuft, Beratungsstellen speziell für Menschen eingerichtet, die noch neu im Stadtteil sind.
In Gröpelingen betreut Marei Radke die dortige Anlaufstelle, die seit Anfang des Jahres in einem räumlich abgetrennten Bereich in der Stadtbibliothek West ansässig ist. Die gebürtige Rheinländerin hat Pädagogik und Sozialwissenschaften mit Schwerpunkt Interkulturelle Pädagogik studiert und war anschließend als stellvertretende Einrichtungsleiterin von Notunterkünften und Übergangswohnheimen tätig. „Mir gefällt die Vielfältigkeit an meinem Beruf. Meine Arbeit ist so ausgerichtet, dass die Menschen sehen, wo sie sich Hilfe holen können. Ich begleite sie somit auf dem Weg dahin, dass sie die Dinge selbst in die Hand nehme können und selbstständiger werden. Wenn sie zum Beispiel anfangen, Formulare selbst auszufüllen, dann bestärkt mich das in meiner Tätigkeit. Die Menschen sind außerdem kulturell sehr unterschiedlich – dadurch lerne ich viel, auch über mich“, sagt sie. Ihre halbe Stelle reiche allerdings ihrer Ansicht nach nicht aus: „Die Anfragen hier werden nicht weniger.“
Dass mit Mitteln aus dem Förderprogramm „Soziale Stadt“ nun für „Ankommen im Quartier“ ein eigener Raum in der Bibliothek abgetrennt werden konnte, ist dabei in den Augen aller Beteiligten ein Schritt nach vorne. Sie müsse Rat Suchende nun nicht mehr ganz bis zum Bewohnertreff an der Rostocker Straße schicken, sondern einfach nur ein paar Meter weiter, freut sich etwa Maria Kroustis vom Bürgerinformationsservice (BIS) der Performa Nord, die seit 2017 im Foyer der Stadtbibliothek West Auskünfte zu allen Verwaltungsdienstleistungen gibt: „Auf diese Weise ‚verlieren’ wir jetzt unterwegs kaum mehr jemanden.“ „Während sie warten, geben sich manche Leute untereinander Informationen weiter und fangen an, sich gegenseitig zu unterstützen. Das hatten wir vorher nicht, weil es an der Rostocker Straße keinen Wartebereich gab“, sagt außerdem Marei Radke, die pro Woche zwischen 25 und 30 Personen unterstützt.
Den für Gröpelingen und Wohlers Eichen verantwortlichen Win-Quartiersmanagerinnen Rita Sänze und Renate Dwerlkotte gefällt es, dass die Wartezone von Bücherregalen umgeben ist: „So können die Leute etwaige Hemmschwellen leichter überwinden und bei der Gelegenheit auch gleich noch nach einem passenden Buch suchen.“
„Bibliotheken sind im Umbruch, Medien spielen dort nur noch zum Teil eine Rolle. Die Bibliotheken werden stattdessen immer mehr zu öffentlichen Orten und Anlaufstellen für Menschen, die mit verschiedenen Anliegen dorthin kommen. Es ist toll, dass immer mehr Menschen herkommen, die sonst nicht hier wären“, findet auch Bibliotheksleiter Andreas Gebauer.
Weitere Informationen
Um die Ausbreitung des Coronavirus zu stoppen, sind die Zentralbibliothek und alle Zweigestellen vorerst bis zum 19. April geschlossen. Die Gröpelinger Beratungsstelle „Ankommen im Quartier“ ist in dieser Zeit telefonisch unter 361-42563 oder per E-Mail an marei.radke@afsd.bremen.de erreichbar.