373 Zuschauende staunen nicht schlecht, als plötzlich ein großer, grüner Frosch auf die Bühne des Saals der Bremer Philharmoniker hüpft. Eduard heißt er, wird von Claudia Spörri vom Figurentheater „Mensch, Puppe!“ gespielt und er beschwert sich erst einmal über die laute Musik, die das Streichquartett macht. Aber nachdem er die Musikerinnen und Musiker sowie die Geigen, die Bratsche und das Cello näher kennengelernt hat, findet er die Musik sogar richtig gut.
Das passt genau in das Konzept der Bremer Philharmoniker, die ihr Domizil von Findorff ins Tabakquartier nach Woltmershausen verlegt haben, um dort nicht nur zu musizieren, sondern auch Kindern und Jugendlichen Instrumente und Musik näherzubringen. Und davon konnten sich Interessierte aus Pusdorf und umzu nun auch am „Tag für alle“ überzeugen.
Und sie kamen in Scharen. Davon konnte sich auch Thomas Schacht überzeugen, der an diesem Tag den Kindern anbietet, Instrumente aus einfachen Mitteln zu bauen. Wobei der Andrang so groß war, dass erst einmal Nachschub an Dosen, Gummibändern und Schläuchen geordert werden musste: „Wir haben gar nicht damit gerechnet, die Leute nehmen das dankbar an“, erzählt er. „Wir könnten hier heute 300, 400 Instrumente rausgeben, doch nun ist das Material alle.“ Bis dahin sind die Kinder zum Beispiel mit selbst gebauten Waldhörnern aus der Werkstatt gegangen, komplett mit Papiertrichter, Mundstück und Schlauch. Aber warum bauen, wenn es doch fertige Instrumente zu kaufen gibt? „Natürlich gibt es die auch zu kaufen“, sagt er – „aber rauszufinden, wie ein Instrument funktioniert und dann zusammenzufügen, erzeugt ein tiefes Verständnis für die Klangeigenschaften eines Instruments.“ Es komme darauf an, herauszufinden, wo der Ton herkommt und wie er sich entwickelt.
Bühnenauftritt am Bildschirm
„Die Bremer Philharmoniker sind dafür bekannt, dass sie sich niederschwellig um Nachwuchs kümmern“, erzählt dazu auch Barbara Klein, Pressesprecherin der Bremer Philharmoniker, als sie in der Musikwerkstatt steht. Fast alle Instrumente sind da und so an der Wand angeordnet, wie sie auch in einem Orchester vorgefunden werden. Und auch eine kleine Bühne gibt es, damit die Kinder spielerisch erfahren können, wie es sich anfühlt, auf einer Bühne zu stehen: „Und das kann man dann auch auf dem Bildschirm sehen“, sagt Barbara Klein. Überhaupt sei alles digital vernetzt und interaktiv, sagt sie, wobei im Nebenraum immer auch noch analoge Instrumente zum Einsatz kommen, zum Beispiel der „Walking Bass“, der, mit einem dünnen Seil als Saite bestückt, zum "Drauftreten" einlädt und dabei erfahren lässt, wie Klang überhaupt entsteht. Außerdem gibt es da noch einige Bildschirme, die mit einem kleinen Mischpult bestückt sind. Und per Touchscreen lassen sich darauf die verschiedensten Instrumente abspielen, während verschiedene Schlagwerkzeuge, auch eigens entwickelte aus tönernen Blumentöpfen, dazu dienen, um Klang zu erklären: „Wie schwingt Luft?“, sagt Heinz Rohde von der Musikwerkstatt, „und wir zeigen, dass Großes dunkler klingt als Kleines. Wir machen Schwingungen sichtbar.“ Das Schönste sei, dass sie hier den Probenraum haben. „Dann können die Schüler den Musikern bei der Arbeit zuschauen.“ Dem Probenraum, der ja auch der Saal ist, bescheinigt er eine tolle Akustik: „Die Musiker proben hier gerne, in der Plantage in Findorff gab es da einige Defizite.“
Auch Christian Kötter-Lixfeld, Intendant der Bremer Philharmoniker, sagt: „Es ist ein schöner Saal, um ein Orchester abzubilden.“ Dieser sei unter dem Gesichtspunkt des Denkmalschutzes umgebaut worden – mit sämtlichen technischen Möglichkeiten, die es auch erlauben, aufzunehmen und zu senden. Und die Ausmaße der Bühne ist nahezu identisch mit den Ausmaßen des großen Saals in der Glocke – so können die im Saal der Philharmoniker erarbeiteten Programme nahezu maßstabsgetreu in der Glocke aufgeführt werden. Maßgeblich beteiligt an dem gesamten Prozess ist auch der unlängst verstorbene Joachim Linnemann gewesen, Inhaber und geschäftsführender Gesellschafter der Justus Grosse Firmengruppe. Zur Eröffnung des gesamten Kulturkomplexes im Tabakquartier am 13. Januar 2023 wird der Saal der Philharmoniker deshalb „Joachim Linnemann-Saal“ benannt.
Verschiedene Übungsräume
Unter dem Saal, gewissermaßen im Keller, gibt es derweil verschiedene Räume zum Üben. In diesen Räumen gibt es noch immer Zeugnisse der Tabakfabrik, sichtbar anhand von Schlauchanlagen, alten Hebebühnen oder großen Sicherungskästen. „Es war uns wichtig, dass sichtbar ist, was die Brinkmänner gemacht haben“, sagt dazu Christian Kötter-Lixfeld.
Die Besucherinnen und Besucher machen sich derweil ein Bild von den geschaffenen kulturellen Werten und Möglichkeiten: „Ich fand die Instrumente super“, sagt zum Beispiel die acht Jahre alte Mila-Su aus Woltmershausen, die mit ihrer Mutter Gülcan Üstüay hergekommen ist. „Die Musik bei der Aufführung war schön und ich möchte gerne Geige lernen.“ Für Frank Rodewald steht fest: „Das wird hier eine ganz tolle Sache. Wir werden bestimmt mal herkommen, um uns das mal anzusehen.“ Wobei er auch sagt: „Die Anbindung hierher ist für ältere Menschen schwierig, hier fehlt der ÖPNV.“ Und seine Frau Cordula meint, die Philharmonie und das benachbarte Theater seien eine Bereicherung: „Wir brauchen etwas Gehobenes im Stadtteil. Woltmershausen hat ein wenig abgebaut, das baut sich ja erst langsam wieder auf.“
Mathilda ist elf Jahre alt, ist den acht Jahre alten Hannah und Tara dort und kommt aus der Neustadt. Mathilda fand das Konzert mit dem Frosch Eduard lustig. „Und ich war auch schon in der Musikwerkstatt in Findorff.“ Und Tara meint: „Bei den Instrumenten habe ich richtig coole Sachen ausprobiert. Geige würde ich gerne mal spielen.“