Die Zahlen der politisch motivierten Kriminalität (PMK) im Land Bremen ist im vergangenen Jahr in fast allen Bereichen erheblich angestiegen: So wurden im Jahr 2024 in Bremen insgesamt 931 Fälle registriert (im Jahr zuvor 663).
Das ist ein Anstieg um rund 35 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Das ergibt sich aus Zahlen, die das Innenressort am Montag vorgelegt hat. Vor allem antisemitische Straftaten (2024: 107 / 2023: 71) und Angriffe gegen Politiker (2024: 93 / 2023: 50) haben stark zugenommen. Darüber hinaus stiegen auch die Delikte im Zusammenhang mit den internationalen Krisenlagen und gesellschaftlichen Protestbewegungen.
Bremens Innensenator Ulrich Mäurer sieht einen Zusammenhang zwischen den aktuellen Zahlen und den Krisen in der Welt. Mäurer: "Die Zunahme politisch motivierter Straftaten ist Ausdruck einer tiefgreifenden gesellschaftlichen Polarisierung, die wir sehr ernst nehmen müssen. Wir sehen, dass internationale Konflikte – wie der Krieg im Nahen Osten oder der russische Angriffskrieg auf die Ukraine – längst auch unsere Städte und Nachbarschaften erreichen." Besonders der Anstieg antisemitischer Straftaten erfülle ihn mit großer Sorge, sagt Mäurer.
Im Zuge des terroristischen Überfalls der Hamas auf Israel am 7. Oktober 2023 sei die Zahl antisemitischer Straftaten bundesweit und auch im Land Bremen erheblich gestiegen. Sowohl 2023 als auch 2024 wurden laut Innenressort im Land Bremen mehr antisemitische Straftaten im Phänomenbereich der ausländischen Ideologien erfasst, als im Bereich PMK-rechts.
Mehr Straftaten von rechts und links
Je nach Motiv und Umständen der Tat ordnen die Polizeien die Straftaten sogenannten "Phänomenbereichen" zu: politisch motiviert von links, von rechts, durch ausländische Ideologie oder durch religiöse Ideologie. Wenn keine dieser Kategorien passt, wird die Tat unter "sonstige Zuordnung" eingeordnet. Im Phänomenbereich PMK rechts, also den Straftaten mit einem rechtsextremen Hintergrund, stiegen die Fallzahlen von 314 (2023) auf 398 Fälle im Jahr 2024 erneut an.
Im Phänomenbereich der PMK links haben sich die Fallzahlen von 89 (2023) auf 192 Fälle im Jahr 2024 mehr als verdoppelt und zugleich wieder das Niveau der Vorjahre erreicht. Der Anstieg ist insbesondere durch eine Zunahme an Sachbeschädigungen (2024: 93 / 2023: 50 Fälle) zu erklären. Zudem ist die Anzahl der Verstöße gegen das Versammlungsgesetz gestiegen (2024: 22 / 2023: vier).
Doppelt so viele Hasspostings angezeigt
Im Phänomenbereich PMK ausländische Ideologie stiegen die Fallzahlen von 100 (2023) auf 153 Fälle. Der Zuwachs erklärt sich vor allem durch eine Zunahme von Beleidigungen (2024: 35 / 2023: sechs). Darüber hinaus hat sich die Anzahl der Sachbeschädigungen (2024: 49 / 2023: 25) verdoppelt, ebenso die Verwendung von Kennzeichen verfassungswidriger und terroristischer Organisationen (2024: 14, 2023: sieben). Fast alle dieser Fälle wurden polizeilich dem Themenfeld Krisenherde/Bürgerkriege zugeordnet, wobei der Nahost-Konflikt erneut das vorherrschende Thema (103 von 153 Fällen) war, vor Konflikten in der Türkei sowie dem russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine.
Ein besonders starker Anstieg ist auch im Bereich der Fallzahlen der PMK im Internet zu verzeichnen (2024: 218 / 2023: 142). Diese Entwicklung ist laut Innenbehörde vor allem auf eine steigende Sensibilität sowie ein erhöhtes Anzeigeverhalten zurückzuführen. Im Jahr 2024 wurden 127 Hasspostings angezeigt, im Jahr zuvor waren es noch 58 Fälle.
Mäurer fordert Allianz aus der Gesellschaft
Abschließend betont Mäurer: "Extremismus ist kein Randphänomen – er reicht bis in die Mitte der Gesellschaft" Deshalb brauche es eine starke Allianz: von Schulen, sozialen Trägern und Sicherheitsbehörden bis hin zu jeder und jedem Einzelnen, die für unsere demokratischen Werte einstehen. Der Sprecher für Inneres und Justiz der FDP-Bürgerschaftsfraktion, Marcel Schröder, äußert sich in einer ersten Stellungnahme kritisch zur Zunahme von politisch motivierten Straftaten im Land Bremen: „Die Zahlen sind erschreckend und sollten ein deutliches Alarmsignal für die rot-grün-rote Regierung sein." Der Senat müsse jetzt handeln: "Wer sonntags den Schutz der Demokratie beschwört, der muss montags den Verfassungsschutz, die Polizei und die Justiz verstärken."
Besonderheiten der PMK-Statistik
Die Statistik zur Politisch motivierten Kriminalität (PMK) ist eine sogenannte Eingangsstatistik. Das bedeutet, darin werden die Straftaten bereits mit Aufnahme der polizeilichen Ermittlungen und somit bereits beim ersten Anfangsverdacht erfasst. In die Statistik gehen Fälle ein, bei denen der Tatzeitpunkt im entsprechenden Kalenderjahr lag.