Die Staatsanwaltschaft will im Beluga-Prozess nur für den Hauptangeklagten eine Haftstrafe, für die anderen Angeklagten Bewährungsstrafen fordern.
Im Betrugsprozess gegen den Bremer Ex-Reeder Niels Stolberg hat die Staatsanwaltschaft am Mittwoch für den Hauptangeklagten eine Haftstrafe von bis zu fünf Jahren gefordert. Die drei anderen Angeklagten aus dem Management der früheren Beluga-Reederei sollen mit einer Bewährungsstrafe davonkommen.
Ein Plädoyer der Anklage war das noch nicht. Das Gericht hatte lediglich darum gebeten, nach Würdigung aller Beweise in einem Zwischenschritt den Strafrahmen anzugeben, den die Prozessbeteiligten sich vorstellen. Die Anwälte von Stolberg wiesen die Einschätzung der Staatsanwaltschaft zur Schuld ihres Mandanten scharf zurück.
Stolberg sei bestraft genug, er habe alles verloren, wollte sich nie persönlich bereichern und sei überdies schwer an Krebs erkrankt. Die Anwälte forderten für den Ex-Reeder eine Bewährungsstrafe. Wie am Mittwoch bekannt wurde, haben die Gläubiger von Beluga allein gegen Stolberg Forderungen in Höhe von 2,2 Milliarden Euro erhoben.
Das erklärte die Staatsanwaltschaft. Der 56-Jährige hat Privatinsolvenz angemeldet. Die Große Wirtschaftsstrafkammer 2 des Bremer Landgerichts wird nach einer sogenannten Zwischenberatung selbst eine Einschätzung darüber abgeben, wie hoch die Strafen für die Angeklagten werden könnten.
Insgesamt 35 Vorwürfe
Erst danach stehen die eigentlichen Plädoyers an, bevor es zu den Urteilen kommt. Die Vorwürfe gegen Stolberg und seine ehemaligen Mitarbeiter reichen in unterschiedlichen Anteilen von Kreditbetrug, Bilanzfälschung, Untreue bis zu schwerem Betrug.
Stolberg muss sich für insgesamt 35 Vorwürfe verantworten. Er soll unter anderem Eigenkapital vorgetäuscht haben, um die Banken für Kredite zu gewinnen. Auch Privatanleger sind nach Auffassung der Staatsanwaltschaft mit falschen Angaben betrogen worden.
So seien für das Jahr 2009 fingierte Aufträge im Gesamtwert von 300 Millionen Euro in den Büchern von Beluga enthalten gewesen. Die Reederei war damals im Zusammenhang mit der internationalen Schifffahrtskrise gewaltig in Schieflage geraten und suchte händeringend nach einem Investor, um an frisches Geld zu kommen.
Strafmildernde Umstände
Der US-amerikanische Hedgefonds Oaktree hatte sich überzeugen lassen, stieg mit 165 Millionen Euro in das Unternehmen ein, kam dann aber nach und nach dem Betrug auf die Spur. Stolbergmusste die Reederei im März 2011 verlassen und wurde von den Amerikanern angezeigt.
Nach jahrelangen Ermittlungen, deren Ergebnisse sich in einer mehr als 800 Seiten starken Anklageschrift niederschlagen, wurde im Januar vergangenen Jahres vor der Großen Wirtschaftsstrafkammer 2 des Bremer Landgerichts das Verfahren eröffnet.
Bevor sich die Staatsanwaltschaft in ihrer Erklärung auf ein ungefähres Strafmaß festlegte, betonte sie die strafmildernden Umstände. Die Angeklagten seien grundsätzlich geständig und hätten zur Aufklärung beigetragen, der eine mehr, der andere weniger.
Professionelles kriminelles Vorgehen
Außerdem lägen die Taten sehr lange zurück, und die Angeklagten, allesamt nicht vorbestraft, hätten über Jahre mit der Belastung durch die Ermittlungen, das anschließende Verfahren und das große öffentliche Aufsehen leben müssen. Speziell bei Stolberg spiele noch eine Rolle, so die Ankläger, dass er sich als Unternehmer stark sozial engagiert habe.
Freilich nicht nur aus altruistischen Motiven, sondern auch, um sich Ansehen zu verschaffen. Schließlich dürfe man seine gesundheitliche Verfassung nicht außer acht lassen. Den mildernden Umständen gegenüber stünden bei den Angeklagten die Art und Weise ihres kriminellen Vorgehens. "Das war dermaßen professionell, wie man es selten erlebt hat."
Für die Taten selbst und ihre planmäßige Verschleierung sei ein enormer Aufwand an Zeit und Arbeit betrieben worden. Entsprechend groß sei das Ausmaß des Betrugs gewesen. Beim Eigenkapital, also den Investitionskosten, seien mehr als 100 Millionen Euro vorgetäuscht worden.
Privates Vermögen in die Reederei gesteckt
Die Verteidiger von Stolberg sahen die Staatsanwaltschaft mit ihrer Argumentation in einem "völlig falschen Film". Ihr Mandant habe alles getan, um sein Unternehmen zu retten, dabei aber zu den falschen Mitteln gegriffen. Nie sei es so gewesen, dass er sich persönlich bereichern wollte.
Im Gegenteil. Stolberg habe zu einer Zeit, als es Beluga bereits schlecht ging, 30 Millionen Euro in die Reederei gesteckt, sein gesamtes privates Vermögen. "Andere schaffen dann eher was zur Seite." Der Vorwurf des Kreditbetrugs im Zusammenhang mit dem vorgetäuschten Eigenkapital sei der "harmloseste Sachverhalt aller Zeiten".
Es gebe jede Menge Anzeichen dafür, dass die Banken von den Tricks wussten, "denen war das egal, die wollten das Geschäft machen". Und Oaktree, der US-amerikanische Investor, den Stolberg ins Unternehmen geholt hatte, habe von Anfang einen Plan B gehabt, "so doof sind die nicht". Trotzdem hätte man man auf Seiten von Beluga natürlich keine gefälschten Vorlagen präsentieren dürfen.
Der Betrugsprozess vor dem Bremer Landgericht wird am 21. Juni fortgesetzt. Stolberg sollte daran auf Anraten seiner Ärzte eigentlich nicht mehr teilnehmen. Sie hatten ihn vor Wochen bis Ende Juni krankgeschrieben. Ein Amtsarzt entschied anders und erklärte den Hauptangeklagten für bedingt verhandlungsfähig.