50 neue Tempo-30-Strecken vor Kindergärten, Schulen und sozialen Einrichtungen hat das Bremer Amt für Straßen und Verkehr (ASV) seit dem Sommer in der Stadt eingerichtet. 18 weitere sollen bis Ende des Jahres folgen. In einer zweiten Stufe wird derzeit über weitere 110 potenzielle Bereiche gestritten, die noch in der Verkehrsbehörde geprüft werden. Unter anderem die Bremer Straßenbahn AG (BSAG) und die Beiräte werden angehört und können Einsprüche einlegen. Doch nicht nur das sorgt für Diskussionen: Die Polizei Bremen hat bei gezielten Kontrollen auf den neuen Strecken festgestellt, dass sich 15 Prozent der Autofahrer nicht an das Geschwindigkeitslimit halten.
Die Polizei Bremen überwache die neu ausgewiesenen 30er-Streckenabschnitte stichprobenartig im Rahmen einer flächendeckenden Verkehrsüberwachung, teilt Polizeisprecherin Jana Schmidt auf Nachfrage mit. So habe es beispielsweise im August zwei Kontrollen gegeben, bei denen das Tempo von 4000 Fahrzeugen gemessen wurde, wovon rund 600 zu schnell unterwegs waren. Bei diesen Blitzeraktionen über zehn Stunden zeichnete sich der Trend ab, dass sich etwa 85 Prozent der Autofahrer an die neuen Regelungen halten.
„Die meisten Übertretungen lagen im Bereich der vorher zulässigen Höchstgeschwindigkeit von 50 Stundenkilometern. Die höchste Übertretung war mit 69 Stundenkilometern ein Einzelfall“, so Schmidt. Dafür gab es eine Strafe von 160 Euro, zwei Punkten und einem Monat Fahrverbot. Ein konkretes Beispiel: In der Sankt-Jürgen-Straße passierten 757 Kraftfahrzeuge die Messstelle innerhalb von viereinhalb Stunden, 126 überschritten die zulässige Höchstgeschwindigkeit.
Ein Kritikpunkt von Politikern und Beiratsmitgliedern an den neuen Tempolimit-Abschnitten ist die Zerstückelung. Beispielsweise beim Osterdeich wird von einem „Flickenteppich“ gesprochen – Tempo 30 und 50 wechseln sich dort ab. Die als schützenswert eingestuften Einrichtungen wie eine Kindertagesstätte, Schule und Seniorenresidenz liegen am Osterdeich weiter als die vorgeschriebenen 300 Meter voneinander entfernt. Aus dem Gesetz leitet sich ab, dass diesen Einrichtungen nur einen Schutzbereich von 150 Metern zu beiden Seiten der Haupteingänge zusteht. Daher werden die Tempo-30-Strecken vor den betroffenen Abschnitten immer wieder unterbrochen. „Wenn wir diese Abschnitte zusammenfassen und alles komplett als Tempo-30-Strecke ausweisen, wäre es rechtlich anfechtbar“, erklärt ASV-Sprecher Martin Stellmann.
110 weitere Strecken werden überprüft
Bis Ende des Jahres sollen alle 68 Bereiche, die im ersten Schritt vom ASV mit Geschwindigkeitsbegrenzungen versehen werden, umgesetzt sein. Die Kosten belaufen sich auf 16.000 Euro. Dann geht es an die 110 weiteren Strecken, deren Umsetzung derzeit geprüft wird. Beiräte und BSAG haben bereits geäußert, dass festgestellt werden müsse, ob möglicherweise Verkehr in andere Bereiche gedrängt oder die Taktung von Bussen oder Bahnen beeinflusst werden.
Aus den Beiräten und Ortsämtern gibt es in dieser Hinsicht Kritik an der BSAG, die bei einigen Strecken ihr Veto eingelegt hat. „Es gibt Bereiche, in denen es zu einer Häufung von Tempolimits kommt. Wenn sich das summiert, beeinflusst es die Taktzeiten der Busse“, erklärt BSAG-Sprecher Jens-Christian Meyer. Das kommunale Verkehrsunternehmen habe einen vorgeschrieben Dienstleistungsauftrag, durch den Fahrpläne eingehalten werden müssen. Wenn in der gesamten Stadt Tempo 30 gelte, müssten alle Pläne überarbeitet werden. „Dann brauchen wir auch mehr Fahrzeuge und Personal“, so Meyer. Grundsätzlich halte die BSAG das Tempolimit aus Sicherheitsgründen für sinnvoll und lehne dieses nicht kategorisch ab.
Die Masse der neuen 30er-Strecken sieht der Allgemeine Deutsche Automobil-Club (ADAC) Bremen dagegen kritisch. „An Hauptverkehrsstraßen muss der Verkehr fließen, Autofahrer müssen in die Stadt rein- und rauskommen“, gibt ADAC-Pressesprecher Nils Linge zu bedenken. Er regt an, beispielsweise an Schulen und Kindergärten temporäre Geschwindigkeitsbegrenzungen in Betracht zu ziehen und die Bereiche genau zu prüfen. „Bremen ist eine Pendlerstadt, die auch für Autofahrer attraktiv bleiben muss“, sagt Linge. Zudem solle man versuchen, Ausweichverkehr in Wohngebiete zu vermeiden.