In der Europäischen Union werden jährlich rund 112 Millionen Tonnen Rüben geerntet, aus denen die Industrie etwa 15 Millionen Tonnen Kristallzucker gewinnt. Doch die Zuckerrübe eignet sich auch hervorragend für die Vergärung in Biogasanlagen. Jörg-Peter Steilen ist der erste Landwirt im Raum Schwanewede, der sie zur Stromproduktion einsetzt.
Trotz der Wetterkapriolen im vergangenen Jahr habe die Zuckerrübe den Landwirten in Norddeutschland eine respektable Ernte beschert, meldet jetzt der Landvolk-Pressedienst. Der Zuckerertrag liege zwischen zehn und zwölf Tonnen pro Hektar, die Zuckerfabrikanten seien hoch zufrieden.
Nicht für Kuchen und Gummibärchen, sondern ausschließlich für seine 2011 in Betrieb gegangene Biogasanlage baut Jörg-Peter Steilen Zuckerrüben an. Zwischen 60 und 100 Tonnen erntet der 55-jährige Landwirt pro Jahr, der seinen Hof am Meyenburger Damm zusammen mit seiner Frau und seiner Tochter bewirtschaftet.
Die Biogasanlage hat er sich bauen lassen, um die Gülle von 90 Tieren aus dem Kuhstall zu verwerten. Rund zehn Jahre sei er mit der Idee schwanger gegangen, bevor er sie in die Tat umgesetzt habe, erzählt Steilen. Dabei malt er ein plastisches Bild: „Den Hals haben wir weiterhin in der Schlinge, denn niemand weiß heute, ob der für 20 Jahre garantierte Strompreis ausreicht, um den Kredit für die Investition zu begleichen.“
Eine landwirtschaftliche Biogasanlage erzeugt Biogas durch die Vergärung meist tierischer Exkremente wie Gülle und Festmist sowie von Energiepflanzen wie Gras, Stroh, Mais oder Rüben als Substrat. Es dient als Energiequelle für Mikroorganismen. Das produzierte Biogas aus Methan und Kohlendioxid wird vor Ort in einem Blockheizkraftwerk zur Strom- und Wärmeerzeugung genutzt.
Die bislang am meisten verwendete Kulturpflanze zur Biogasgewinnung aus nachwachsenden Rohstoffen ist allerdings der Mais. „Doch dem Mais hängt inzwischen ein negatives Image an“, sagt Jörg-Peter Steilen. Umweltschützer warnen denn auch schon länger vor „Maiswüsten“ in Deutschland, die vor allem artenreiche Biotope verdrängten. Diese Kritik ist aber nicht der Hauptgrund, weshalb der Landwirt vom Meyenburger Damm als erster im Raum Schwanewede auf die Zuckerrübe setzt. Ausschlaggebend war auch für ihn die Tatsache, dass die Zuckerrübe im Vergleich zu allen anderen Feldfrüchten den höchsten Energieertrag pro Hektar liefert. Ihr Methangehalt ist auch wesentlich höher als beim Mais. Hinsichtlich der Gärbiologie, stellte die Universität Bonn fest, gebe es kaum eine bessere Energiepflanze.
Ein Rübenputzer aus NRW
Dass die Beta vulgaris, wie der lateinische Name der Zuckerrübe lautet, gleichwohl noch immer eher eine Außenseiterrolle für Biogasanlagenbetreiber spielt, ist ihrer vergleichsweise aufwendigen Reinigung geschuldet. Jörg-Peter Steilen: „Die Pflanze muss nach der Ernte von Sand und Steinen gesäubert werden, bevor man sie, zu Mus bearbeitet, in die Anlage pumpen kann.“ Der Schwaneweder hat einen „Rübenputzer“ aus Nordrhein-Westfalen gefunden, der nach Terminabsprache mit einem Spezialfahrzeug auf den Hof fährt und die wertvolle Ernte maschinell von Sand und Steinen befreit.
Im Landkreis Osterholz sind gegenwärtig 14 Biogasanlagen in Betrieb, davon stehen sechs in der Gemeinde Schwanewede. Ihre Gesamtleistung lag 2012 bei rund 37670 Megawattstunden. Damit wurden knapp zehn Prozent des Stromverbrauchs abgedeckt.
Die Biogasanlage von Jörg-Peter Steilen produziert indes nicht nur elektrische Energie, sondern auch Abwärme. Soviel, dass der Landwirt neben seinen eigenen Gebäuden auch die Häuser in der Nachbarschaft beheizen könnte. Entsprechende Pläne sind in Arbeit. Werden sie realisiert, sorgt die Zuckerrübe auch für etliche warme Stuben am Meyenburger Damm.