Die meisten sind 25 mal 25 Zentimeter groß, gut fünf Kilo schwer, in der Neuanschaffung 25 Euro wert und eignen sich offensichtlich zum Zertrümmern von Schaufensterscheiben: Sogenannte Rostenkastenabdeckungen, im Volksmund Gullydeckel genannt.
Immer wieder passiert es, dass Gullydeckel zu Wurfgeschossen umfunktioniert werden. Drei zerstörte Schaufensterscheiben registrierte die Polizei allein im ersten Quartal diesen Jahres im Bremer Norden. Von einer Serie will Polizeisprecherin Franka Haedke zwar nicht sprechen. Längst ist das Phänomen aber zum Politikum geworden.
Einer der Vorfälle ereignete sich Anfang Februar im Blumenthal. Die Polizei hat dort zwei 21 und 22 Jahre alte Männer vorläufig festgenommen. Sie stünden im Verdacht, in ein Geschäft in der Mühlenstraße eingebrochen zu haben, berichtet Haedke. Die Täter hatten die Scheibe der Eingangstür mit einem Gullydeckel eingeworfen, um in den Verkaufsraum zu gelangen und aus der Kasse Kleingeld zu stehlen.
Es gab laut Polizei zwei weitere Einbrüche mit gleichem Modus operandi. Einen in der Weserstrandstraße bei einem Optiker und einen in der Landrat-Christians-Straße bei einem Geschäft für Fotografie mit angeschlossenem Paketdienst, so die Polizeisprecherin Haedke auf Anfrage unserer Zeitung. Auch hier wurden die Scheiben mit Gullydeckeln eingeschlagen. Was nicht aus ihrem Bericht hervorgeht: Der Optiker ist zum wiederholten Male Opfer von Gullydeckel-Werfern geworden ist. Vier Mal in einem guten halben Jahr haben Unbekannte die Scheiben in dem Brillengeschäft eingeworfen.
Auch, wenn sich alle diese Straftaten im Bremer Norden ereigneten, handelt es sich für die Polizei nicht um ein Nordbremer Problem. „Es kommt im gesamten Stadtgebiet vor, dass Gullydeckel gelegentlich als Tatmittel für vornehmlich Einbrüche eingesetzt werden, bei Körperverletzungen ist es eher die Ausnahme“, sagt Haedke. Ansonsten würden Gullideckel auch mal von Metalldieben gestohlen und bei Schrotthändlern angeboten.
Selbst im Bremer Umland werden die Kanalabdeckungen als Wurfgeschosse eingesetzt. Erst vor wenigen Tagen warfen bislang unbekannte Täter einen Gullydeckel in ein Lebensmittelgeschäft an der Straße Butendoor in Meyenburg. Die Polizei Osterholz hat die Ermittlungen aufgenommen. Die Beamten dort haben hinreichend Erfahrungen mit den Tatwaffen.
Im vergangenen Jahr war hier tatsächlich eine „Ermittlungsgruppe Gullydeckel“ eingerichtet worden. Ermittler verschiedener Dienstbereiche spürten eine Bande auf, die nachts mit Gullydeckeln anrückte, um Laden- und Tankstellentüren zu zertrümmern. Wie Polizeisprecher Jürgen Menzel berichtet, hatte die Bande seit April 2015 unter anderem in den Kreisen Osterholz, Rotenburg und Cuxhaven 27 Einbrüche verübt. „Das Phänomen“, so Menzel, „ist nicht neu, kommt aber immer mal wieder vor.“
Die Vorfälle im Raum Bremen-Nord beschäftigen zurzeit auch die Ortspolitik. Anke Krohne, Mitglied der Links-Fraktion im Beirat Blumenthal, hat einen Dringlichkeitsantrag gestellt. Sie fordert den Beirat auf, das Amt für Straßen und Verkehr (ASV) sowie die zuständigen Behörden zu beauftragen, die Gullydeckel im Blumenthaler Zentrum diebstahlsicher zu machen. Krohne geht davon aus, dass ihr Antrag im März beraten wird.
Es wäre nicht das erste Mal, dass Gullydeckel in Blumenthal angekettet werden. Vor rund 15 Jahren sind auch nach der Erinnerung des damaligen Ortsamtsleiters Erik Petersen einige Abdeckungen befestigt worden. „Das war kein großer Aufwand“, erinnert sich Petersen. Anlass sei damals ein zertrümmertes Schaufenster eines Juweliers gewesen. Die Polizei würde es jedenfalls begrüßen, würden die Gullydeckel befestigt: „Wenn Kanalgitter gesichert werden können, nimmt es Tätern die Gelegenheit, auf diese als Tatmittel zuzugreifen“, sagt Franka Haedke.
In besonderen Lagen hat das Amt für Straßen und Verkehr (ASV) längst Vorsorge getroffen. Wie ASV-Sprecher Martin Stellmann erläutert, sind einige Gullydeckel in besonders gefährdeten Lagen wie der Bremer Innenstadt bereits heute abschließbar. Doch: „Je mehr Schlösser man verbaut, desto mehr Folgekosten entstehen.“ Stellmann geht davon aus, dass es in Bremen zwischen 80 000 und 100 000 Abdeckungen gibt. Um diese zu sichern, müssten sie gegen einheitliche, abschließbare Modelle ausgetauscht werden.
Zwei Mal pro Jahr werden die Auffangbehälter unter den Rostenkastenabdeckungen von Laub und Schmutz gereinigt. „Es gibt ungefähr ein Dutzend unterschiedlicher Bauarten von Gullydeckeln“, weiß Thomas Möhring vom Umweltbetrieb Bremen.
Würden die Kanalgitter mit Schlössern – zumal noch unterschiedlichen – versehen sein, würde dies die Reinigungsprozedur in die Länge ziehen. Möhring: „Der Aufwand wäre unvertretbar hoch.“
Der betroffene Blumenthaler Optiker jedenfalls meint, es mache für die Täter sowieso keinen Unterschied: „Dann nehmen sie einen Stein.“