Brieftauben sind Spitzensportler, sagt Frank Gust. Im Gespräch mit Bettina Dogs erzählt der Vorsitzende der Reisevereinigung Bremen-Nordwest über den Brieftaubensport und reagiert auf Kritik von Tierschützern. Der Reisevereinigung gehören neun Vereine und 61 aktive Züchter aus Schwanewede, Bremen und der Wesermarsch an. Frank Gust ist selbst aktiver Brieftaubensportler und setzt sich für einen artgerechten Brieftaubensport ein.
Herr Gust, Tierschützer kritisieren, dass Brieftauben nach Wettkampfflügen erschöpft und völlig entkräftet nach Hause kommen. Sofern sie ihr Ziel denn überhaupt erreichen. Stimmt das?
Frank Gust: Nein, das stimmt so nicht. Das Ziel ist immer, dass die Tiere heil und gesund nach Hause kommen. Verletzte Tiere oder Verluste will niemand. Solche Aussagen werden aus Unwissenheit gemacht. Brieftauben sind Spitzensportler und, wenn ich das mal so sagen darf, sie strotzen in der Regel vor Kraft. Wenn meine Tauben zurückkommen, brauchen sie natürlich erst einmal Zeit, um sich zu erholen. Das ist bei Sportlern nicht anders. Das hat nichts mit Auszehren und Entkräften zu tun. Die Strecken, die wir fliegen lassen, sind Anforderungen, die man an eine Taube stellen darf. Dafür werden die Tiere hervorragend vorbereitet und versorgt.
Wie hoch sind die Verluste bei einem Wettkampfflug?
Das kann man nicht generell sagen. Manchmal gibt es keine, mal gibt es tatsächlich welche. Normalerweise ist es so, dass geschulte Flugleiter entscheiden, ob die Witterungsbedingungen einen Flug zulassen. Sie beobachten bereits zwei, drei Tage vorher die Wetteraussichten. Bei starkem Regen, Gewitter oder Nebel werden die Flüge abgesagt. Natürlich gibt es auch unvernünftige Flugleiter, die ein Rennen auf Krampf durchführen wollen und die Tauben dadurch in Schwierigkeiten bringen, weil sie durch das ungünstige Wetter schneller vom Kurs abkommen. Alle Flüge werden aber vom Deutschen Brieftaubenverband überwacht, der ein Auge auf die Anzahl der Verluste hat. Handelt ein Flugleiter unvernünftig, wird er abgemahnt und ihm kann die Lizenz entzogen werden. Es kann aber auch sein, dass Tauben eine Pause machen und erst Tage später zurückkommen oder in einem anderen Schlag auftauchen. Dort werden sie dann mitversorgt und betreut und später wieder freigelassen, wenn sie sich erholt haben.
Also nimmt sich eine Taube von sich aus die Erholung, die sich braucht?
Nein, Brieftauben haben schon das starke Verlangen, so schnell wie möglich nach Hause zu kommen und dabei machen sie in der Regel keine Pausen. Deshalb halte ich auch nichts von Flügen, die über 1000 Kilometer und mehr gehen. Nicht selten müssen Tauben dabei über Wasser fliegen, was gegen die Natur einer Brieftaube ist. So sind sie gezwungen, während der Nacht unterwegs zu sein. Das geht an die Substanz, und das ist nicht das, was ich unter Brieftaubensport verstehe. Hier sollten die Tierschützer auch differenzieren, wenn sie verlangen, den Brieftaubensport verbieten zu wollen. Normale Strecken von 200 bis 600 Kilometern sind kein Problem für die Tiere und problemlos an einem Tag oder sogar in wenigen Stunden zu bewältigen.
Kritisiert wird auch, dass die Tauben außerhalb der Saison monatelang im Schlag eingesperrt sind. Die Züchter wollen sich vor Verlusten durch Greifvögel schützen.
Auch das muss man differenzieren. Ich habe für meine Tauben große Volieren. Sie können jeden Tag raus, baden, in der Sonne oder im Regen sein. Dazu kommt, dass Tauben von September bis ungefähr Weihnachten in der Mauser sind und dann sowieso nicht ganz so gerne fliegen. Ich habe bislang nicht festgestellt, dass es den Tauben in dieser Zeit an etwas fehlt, nur weil sie nicht frei fliegen können. Die Greifvögel sind tatsächlich ein riesiges Problem, nicht nur für unsere Brieftauben, sondern insgesamt für unser Klein- und Niederwild. Aber das wird nicht gerne gehört, weil Greifvögel unter Schutz stehen.
Dafür monieren Tierschützer, dass Tauben bei vollem Bewusstsein der Hals umgedreht wird, wenn sie ihre Leistung nicht bringen.
Auch unter den Brieftaubenzüchtern gibt es schwarze Schafe, keine Frage. Aber hier darf nicht verallgemeinert werden. Man kann nicht jede Taube behalten. Ich verschenke meine, wenn sie nicht die erhofften Leistungen bringen.