Blumenthal. Frei wie ein Vogel durch die Lüfte ziehen – die Umsetzung dieses alten Menschheitstraums soll ja einst nur Hexen gelungen sein. Welche Mittel sie jenseits des Teufels Hilfe dazu eingesetzt haben sollen, ist eine von vielen Informationen, die man aus der Wanderausstellung „Die giftigen 13 – gefährlich – nützlich – schön“ mitnehmen kann. Ihr zentrales Thema sind die gefährlichsten Giftpflanzen, auf die man in unseren Breiten stoßen kann. Derzeit ist die Ausstellung in der evangelischen Kirche Blumenthal zu sehen. Am 12. November zieht sie ins Overbeck-Museum.
Auch wenn jede der dazugehörigen großen Schautafeln kuriose bis gruselige Anekdoten zu Wirkweise und (historischer) Anwendung besonderer pflanzlicher Extrakte bereit hält, so gründet die Ausstellung doch auf eher praktischen Fragen. Welche Gefahren könnte beispielsweise der eigene Garten bergen? Worauf ist bei einem Waldspaziergang mit kleinen Kindern zu achten? Und welchen Nutzen haben die tückischen Pflanzen womöglich?
Entstanden ist die Ausstellung beim Regionalverband Umweltberatung Nord (R.U.N.) in Hamburg aus einer Fortbildung für Erzieherinnen. Da zu deren pädagogischer Arbeit auch die Vermittlung von Naturerlebnissen gehört, ist es für sie unter anderem wichtig zu wissen, welche Gewächse sich für die Gestaltung eines kindgerechten Gartens eignen. Von doppeltem Nutzen ist es auch, wenn die giftigen Vertreter der Flora nicht nur selbst erkannt, sondern ihre Eigenschaften auch weitervermittelt werden können. Auch wer nicht beruflich Kinder erzieht und betreut, sondern „nur“ seine eigenen, kann davon profitieren. „Holen Sie sich Tipps für den Ernstfall“ ist nicht von ungefähr der Titel einer der Schautafeln.
Auch für jüngere Kinder geeignet
„Die Ausstellung ist grundsätzlich für Erwachsene und Jugendliche konzipiert“, erklärt Sandra Bildstein von der Bremer Umweltberatung, die die Ausstellung nun auch in den Bremer Norden geholt hat. Aber viele der relativ kurzen Texte lassen sich gut vorlesen. Und auch jüngere Kinder können sich hier Merkmale der wichtigsten Giftpflanzen einprägen, sei es durch Ausmalvorlagen oder ein spielerisches Quiz. Den essbaren Bärlauch von der Herbstzeitlosen unterscheiden zu können, gewöhnliche Bohnenschoten von den Hülsen des Goldregens oder den Wiesenkerbel vom tödlichen Schierling, kann unter Umständen einen Krankenhausaufenthalt vermeiden.
Wissenschaftliche Fakten sind dabei höchst unterhaltsam aufbereitet, Untaten des ehemaligen russischen Geheimdienstes KGB kommen ebenso vor wie ein Kaisermord vor 2000 Jahren oder Nonnen und Mönche mit unbotmäßigem Geschlechtstrieb. Selbst die Zutaten der sogenannten Hexensalbe, auch „Flugsalbe“ genannt, lassen sich auf einer der Schautafeln nachlesen: „Man nehme Fliegenpilz, Alraune, Tollkirsche, Stechapfel, Bilsenkraut… .“ Bevor aber noch jemand auf die Idee zu einem waghalsigen Selbstversuch kommt, sollte er bedenken, dass der „Flug“ nach Anwendung der Salbe eher mentaler Natur gewesen sein dürfte. Und die Landung ziemlich ungewiss.
Wissenschaftlich betrachtet führt die Einreibung mit der Mixtur genannten Substanzen nämlich schlicht zu mehr oder minder starken Halluzinationen. Weil der Wirkstoffgehalt der Pflanzen sehr unregelmäßig ist, so erklärt Sandra Bildstein, ist bei unkontrollierter Anwendung mit allem zu rechnen. „Manchmal spürt man gar nichts, manchmal endet das Experiment auf der Intensivstation oder in der Psychiatrie“, heißt es auf einer der Schautafeln, die sich auch mit sogenannten Biodrogen befasst.
Mancher vermeintliche Partyspaß unter Jugendlichen kann demnach schnell zur bedrohlichen Situation werden. Ganz üble Folgen der Hexensalbe waren auch schon mal Thema in einem „Tatort“. Zwar führt nicht jede bewusstseinsverändernde Substanz zum Tod – „die allermeisten Vergiftungen durch Pflanzen verlaufen harmlos“ – aber fast jeder Rausch hat unerwünschte Begleiterscheinungen. Überlässt man das Experimentieren hingegen der Wissenschaft, sind die Umstände erstens abgesichert und zweitens die Ergebnisse mitunter ein Segen für die Medizin. Um nur ein Beispiel zu nennen: Die heimische Eibe wurde in der Vergangenheit nahezu ausgerottet, nicht zuletzt, weil Pferde an den am Wegesrand stehenden Bäumen knabberten und nach Verzehr der giftigen Nadeln nicht selten verendeten.
„Heute steht die Eibe auf der Roten Liste der gefährdeten Arten“, erläutert Sandra Bildstein, „und gleichzeitig wird tonnenweise Eibenschnitt gebraucht“. Denn richtig aufbereitet haben sich die giftigen Inhaltsstoffe als wirksame Krebsmedizin erwiesen.