Lebenslänglich wegen gemeinschaftlichen Mordes lautet das Urteil für die beiden Angeklagten. Doch den Sohn des Opfers kann auch das offensichtlich nicht beruhigen. Sofort nach der Urteilsverkündung verlässt er den Gerichtssaal. Wartet dann aber draußen auf die Verurteilten, die wenig später in Handschellen herausgeführt werden, und attackiert die Mörderin seines Vaters. Er reißt ihr an den Haaren, schlägt und tritt auf sie ein. Die Frau sackt laut schreiend auf den Stufen zum Saal 218 zusammen. Ihr Partner will helfen. „Was hat er dir getan?“, brüllt er, strauchelt und geht ebenfalls zu Boden. Erst dann gelingt es dem völlig überraschten Wachpersonal, den aufgebrachten Sohn von den beiden wegzuzerren. Er wird zu Boden gerungen, mit Handschellen fixiert, schließlich nach weiter hinten im Gerichtsflur gebracht, um ihn von den anderen zu trennen. Immer mehr Justizbeamte kommen hinzu, aber da ist der Tumult schon vorbei. Die beiden Verurteilten werden abgeführt, zurück vor Saal 218 bleibt ein gutes Dutzend Personen aus verschiedenen Bereichen der Justiz. Alle ein wenig ratlos. Was war das denn?
Für den Sohn des Mordopfers wird die Attacke ein juristisches Nachspiel haben. Die Staatsanwaltschaft kündigte am Freitag ein Ermittlungsverfahren wegen Körperverletzung an.
Im Gerichtssaal hatte sich diese Entwicklung zuvor nicht abgezeichnet. Emotionslos verfolgten alle Beteiligten die Urteilsbegründung des Vorsitzenden Richters. Das Pärchen – er 57, sie 48 Jahre alt – tauschte mehrfach Blicke aus, zwei-, dreimal der Ansatz eines Kopfschüttelns bei ihr. Sollten die Angeklagten nach den Plädoyers ihrer Verteidiger auf ein milderes Urteil gehofft haben, so war es ihnen nicht anzumerken.
Doch das Gericht folgte dem Antrag des Staatsanwaltes. Mit eindeutigen Worten: Da war kein Platz für ein milderes Urteil, etwa der Verurteilung für Totschlag. Es ging um Mord. Keine spontane Handlung, sondern gemeinsam geplant und zielgerichtet ausgeführt, so der Vorsitzende Richter. Nach Auffassung des Gerichts erzählte die Frau ihrem Lebensgefährten, dass das spätere Opfer ihr zwischen die Beine gefasst habe. Deshalb erwartete sie von ihm, dass er sich für sie starkmache. Von einer Abreibung war die Rede, die man dem anderen verpassen müsse.
Rache, Wut und Selbstjustiz
„Das Gericht ist überzeugt davon, dass Sie beide den Plan hatten, den anderen für sein Verhalten abzustrafen.“ Umgesetzt wurde dieser Plan am 8. Mai. Die Angeklagten griffen sich beide ein Steakmesser aus ihrer Küche und machten sich gegen Mittag auf den Weg zu einem sechs Kilometer entfernten Parkplatz an der Hafenstraße in Bremerhaven, wo sie ihr Opfer vermuteten.
Was dann geschah, ist durch Zeugenaussagen belegt. Schreiend stürzte das Pärchen auf den Mann zu. Während der folgenden Rangelei stach zunächst die Frau zweimal mit dem Messer auf ihn ein, ohne den Mann allerdings ernsthaft zu verlassen. Anders der Angeklagte. Er rammte dem anderen das Steakmesser in die Brust und durchbohrte dessen Herzkammer. Dem Opfer gelang es noch, sich das Messer aus der Brust zu ziehen. Der Mann versuchte sogar, seinerseits auf den Angreifer loszugehen, brach dann aber zusammen. 36 Stunden später starb er im Krankenhaus.
Es sei um Rache, Wut und Selbstjustiz gegangen, sagte der Vorsitzende Richter. Das Pärchen habe aus niedrigen Beweggründen gehandelt, deshalb die Höchststrafe. Für beide. Denn der tödliche Stich sei auch der Frau mittäterschaftlich zuzurechnen. "Sie haben beide den Tod ihres Opfers von Anfang an billigend in Kauf genommen", betonte der Richter. Wofür auch ihre Reaktionen nach der Tat spräche: Kein Entsetzen, schon gar kein Bedauern. „Das macht keiner mit meiner Freundin“, sagte der Täter der Polizei unmittelbar nach der Tat. „Das hat er verdient.“
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