Ein Autobahntunnel unter der Weser? Sicher, ein gewaltiges Unterfangen, aber ohne Weiteres vorstellbar. Man braucht halt einen besonders großen Bohrer. Doch es geht auch ganz ohne Bohrer. Mit dem sogenannten Einschwimm- und Absenkverfahren. Hierbei werden die einzelnen Tunnelelemente an Land gebaut, zur vorgesehenen Stelle in der Weser geschleppt, dort dann versenkt und unter Wasser zur Röhre zusammengefügt. Genau dieses Verfahren kommt im Zuge der Weserquerung für die A281 bei Seehausen zum Einsatz.
Die Grundsatzentscheidung „Tunnel oder Brücke?“ fiel schon vor 17 Jahren, 2002 in der Bremischen Bürgerschaft. Vor allem städtebauliche Gründe hätten für diese Variante gesprochen, erklärt Jörn Kück, Abteilungsleiter bei der für den Bau der A 281 zuständigen Projektmanagementgesellschaft Deges. Die nächste anstehende Frage lautete: „Bohrtunnel oder Einschwimm- und Absenktunnel (E+A)?“ Aus städtebaulicher Sicht hätte vieles für einen Bohrtunnel gesprochen, doch entscheidend war 2004 die Kostenfrage. Die Differenz von 51 Millionen Euro erwiesen sich als unschlagbares Argument für die E+A-Variante. Zum Leidwesen der Anwohner in Seehausen, die dagegen vor Gericht zogen, dort aber kein Gehör fanden.
„Die Kosten waren der ausschlaggebende Aspekt“, räumt Kück ein. „Aber es gab auch andere Gründe.“ Mit einer umfangreichen Studie seien seinerzeit beide Varianten geprüft worden. Dabei wurden nicht nur die Wirtschaftlichkeit und städtebauliche Argumente verglichen, sondern auch Bereiche wie Verkehr, Sicherheit, Technik sowie die Auswirkungen für Umwelt und Natur. „Und egal, wie wir dabei die unterschiedlichen Zielfelder gewichtet haben, gab es immer ein relativ eindeutiges Bild“, berichtet Kück: „Mit der E+A-Lösung hatten wir die deutlich höhere Zielerreichung.“

Ein E+A-Tunnel ist nur ein Meter unter der Weser möglich, Bohrtunnel müssten dagegen deutlich tiefer gebaut werden.
Bohrtunnel benötigt großen Abstand zur Flusssohle
So kann der Einschwimm- und Absenktunnel zum Beispiel direkt unterhalb der Wesersohle verlaufen. „Dadurch kommen wir relativ früh wieder hoch“, so Kück, „der Tunnel kann also wesentlich kürzer werden.“ Ein Bohrtunnel dagegen müsste bei seiner Herstellung aus Sicherheitsgründen mindestens den Abstand seines eigenen Durchmessers zur Flusssohle haben. Der Bohrtunnel hätte also deutlich tiefer gebaut werden müssen, wäre deshalb fast 600 Meter länger und entsprechend teurer geworden.
Aber auch Sicherheitsbelange sprächen für den Absenktunnel, sagt Kück. Denn bei dieser Variante sind die beiden Fahrspuren der Autobahn nur durch eine Mittelwand voneinander getrennt. Kommt es in einer der Röhren zu Komplikationen, einem Unfall oder einem Brand, können Menschen unmittelbar durch die Fluchttüren in die andere Röhre gelangen. Bei einem Bohrtunnel lägen die beiden Röhren 15 bis 20 Meter voneinander getrennt rund 30 Meter unter der Weser und müssten über Fluchtstollen miteinander verbunden werden. „Aufwendiger und weniger sicher.“
Bei der Einschwimm- und Absenkbauweise werden die Tunnelelemente an Land hergestellt. Sechs an der Zahl, gefertigt als zweizeiliger Stahlbetonrahmen, jedes von ihnen bis zu 125 Meter lang, knapp 23 Meter breit und bis zu zehn Meter hoch. „Sobald die fertig sind, werden die vorne und hinten verschlossen und sind dann ganz normal schwimmfähig“, erklärt Jörn Kück das Verfahren.
Bauabschnitt noch mit Wasser gefüllt
Als Ort, an dem die sechs Elemente gebaut werden könnten, hat sich die Deges den Kap-Horn-Hafen gesichert. Ein altes, zwischen Industrie- und Handelshäfen gelegenes Hafenbecken, an dessen Ende der U-Boot-Bunker „Hornisse“ liegt. Derzeit ist das Becken mit Wasser gefüllt. Wird dort gebaut, wird es vorne provisorisch geschlossen, dann das Wasser abgepumpt und der Grund des Beckens als Trockendock hergerichtet. Der dadurch entstehende Platz reicht für den Bau von jeweils zwei der 125-Meter-Elemente. Sobald die hergestellt sind, wird das Becken wieder geflutet und geöffnet. Die Tunnelteile könnten wie aus einer Schleuse in die Weser geschleppt und zwei Kilometer weiter an ihren Bestimmungsort gezogen werden.
Ob der Kap-Horn-Hafen tatsächlich zum Einsatz kommt, ist allerdings nicht sicher. „Das ist nur eine Option“, sagt Kück. Denkbar sei auch, dass die Elemente in Holland erstellt werden, wo es dutzende Baudocks für E+A-Tunnel gibt. Die Holländer sind führend in dieser Bauweise und werden auch beim späteren Absenken der Elemente in der Weser zurate gezogen.
Parallel zum Bau der Röhren laufen in Seehausen und auf Gröpelinger Seite die Vorbereitungen für den Tunnel. Im Übergangsbereich wird mit gewaltigen Spundwänden gearbeitet, in der Weser selbst eine Rinne ausgebaggert, in die dann später die Tunnelteile abgesenkt werden. An ihre exakte Position werden die Röhren mithilfe von Vermessungstürmen gebracht, die auf jedem der einzelnen Elemente angebracht sind. Vier Seilwinden ziehen die schwimmenden Teile von Land aus an ihren Platz. Anschließend werden die Röhren mithilfe von Ballasttanks beschwert, damit sie auf den Grund der Weser absinken können. Erst dort werden sie dann miteinander verbunden.
Absprachen sind notwendig
Ist unter Wasser technische Präzision gefragt, so sind es über Wasser zahlreiche Absprachen. Da sind die Sperrzeiten für die Weser, teils halbseitig, manchmal aber auch komplett, dann die Belange des Hochwasserschutzes, die es zu beachten gibt, die Gewässerentwicklung, die Brut- und Setzzeiten ..., zählt Kück auf. „Das alles muss in einen zeitlichen Ablauf eingepasst werden.“
Konkret fixierbar sei dieser Zeitablauf derzeit aber noch nicht, betont der Bauingenieur. Entscheidend sei, wann tatsächlich mit dem Tunnelbau begonnen wird. Danach lägen die Zeitabläufe relativ fest. Erste Rodungsarbeiten sind bereits im Gange, die Ausschreibung für die eigentliche Baumaßnahme soll im Herbst 2019 erfolgen. Mit einem Zuschlag rechnet Kück Mitte 2020, anschließend dürfte für die Ausführungsplanung ein weiteres halbes Jahr ins Land ziehen. Womit Anfang 2021 gebaut werden könnte. Knapp vier Jahre später soll der Tunnel fertig sein, doch wirklich festlegen lassen möchten sich Bund, Deges und Land Bremen auch hier nicht: Die Verkehrsfreigabe ist „ab“ Ende 2024 vorgesehen.