Saskia Wöhler hat extra ihren silbernen Glitzerrock angezogen. Sie nimmt heute die Gäste in Empfang und verpasst ihnen einen Stempel. Es ist ein einfacher Kinderstempel, aber er erfüllt seinen Zweck. Das kennen noch viele: Der Stempel, den sich Wöhler von ihrer Tochter geliehen hat, ist quasi die Eintrittskarte ins Diorama. Der Veranstaltungsraum im Übersee-Museum hat sich für diesen Abend in eine Disco verwandelt.
Eine Frau ist spontan mit dem Fahrrad gekommen und fragt Wöhler, ob sie auch ohne Anmeldung teilnehmen darf. Keine Chance. Saskia Wöhler: "Wir haben 120 Anmeldungen und mussten schon 30 Leuten absagen, weil wir nach den Brandschutzvorschriften nur 90 einlassen dürfen." Sie vertröstet die Frau auf den nächsten Termin am 21. März: "Sie können sich dafür jetzt schon anmelden."
Projekt des "Roten Fadens"
Bei der Disco-Premiere, ein Projekt des "Roten Fadens" der Arbeiterwohlfahrt (Awo), um Einsamkeit und sozialer Isolation im Alter vorzubeugen, waren es nur 40 Gäste gewesen. Und nun dreimal so viele Anmeldungen. "Wir müssen uns überlegen, ob wir womöglich auf andere Räume ausweichen, damit wir Leuten nicht absagen müssen", sagt Wöhler und in ihre Augen strahlen vor Freude über die gelungene Veranstaltung.
An der Bar warten Swenja Beet und Isabell Schilke vom Übersee-Museum auf die ersten Gäste. Die beiden stillen nicht nur den Durst der Besucher, sie sind auch für die Organisation zuständig. Während aus dem Diorama "What ever you want" von Status Quo dröhnt, berichten Beet und Schilke, dass sie aus den Fehlern der ersten Veranstaltung gelernt haben. Beim Auftakt war es einfach zu leise. Mehr wie Tanztee. "Der Laptop reicht für Tagungen, aber eben nicht für eine Musikveranstaltung", wissen die beiden Frauen nun. Dieses Mal haben sie eine Anlage aufgebaut, die ihrer Bezeichnung gerecht wird.
Tanz mit Rundum-Panorama
Das Rundum-Panorama des Meeresbodens im Diorama ist mit Scheinwerfern in Meeresfarben illuminiert und sorgt für stimmungsvolles Ambiente. An einem Tisch sitzt Heiko Neugebauer, rechts und links von ihm zwei Boxen. "Man muss das Tempo vorgeben, damit die Leute in Fahrt kommen", beschreibt er die Grundlage seiner Auswahl. Allerdings werde er nicht den ganzen Abend temporeiche Musik spielen: "Wir sind ja alle nicht mehr die Jüngsten." Ein paar Meter weiter setzt unterdessen Bruce Springsteen mit "I'm on fire" die Tanzfläche in Brand. Die Tänzer kommen richtig ins Schwitzen.
"Das ist Musik, die wir uns wünschen, wenn wir mal im Altersheim sind. Es könnte auch AC/DC sein, bloß keine Schlager oder Blasmusik", meinen Anke und Eckhard, die extra aus Osterholz-Scharmbeck hergekommen sind. Ihren vollen Namen wollen die beiden nicht nennen, aber beide gehören offensichtlich der Generation an, die mit Springsteen und Co. aufgewachsen sind. "Wir haben von der Veranstaltung im STADTTEIL-KURIER gelesen und waren neugierig. Die Musik heute Abend ist genau unser Ding", sagt Anke. Dabei hätten sie sich auch kennengelernt – vor 23 Jahren.
Erinnerungen inklusive
Toni und Silke sind ebenfalls Fans der Musik, die heute gespielt wird. "Das ist hier wie Tanzen im Meer, die Kulisse des Dioramas ist toll", findet Silke. Sie war schon beim ersten Disco-Abend dabei und freut sich, dass bei dieser zweiten Auflage eine bessere Anlage zum Einsatz kommt: "Das ist schon ein ganz anderer Schnack, und die Musik ist auch besser." Dann geht sie zu Melissa Etheridge "Like the way I do" auf die Tanzfläche.
Weitere Gäste kommen herein, darunter Monique und John. Der Engländer flachst rum: Er sei extra für diese Disco von der Insel herüber gekommen. Dann lacht er. Seine Begleiterin drängt auf die Tanzfläche. Es läuft "Saturday Night Fever". Wer erinnert sich nicht gern an den gleichnamigen Film mit dem smarten John Travolta? Die Frau ist in Bewegung: "Für mich ist Alter eine Zahl, darüber definiere ich mich nicht", meint die ehemalige Fotografin, die heute malt, und mischt sich unters tanzende Partyvolk. Sie und John haben sich vor acht Jahren über eine Anzeige kennengelernt. Da kommt der nächste Titel gerade recht: Heiko Neugebauer spielt "Love is in the Air".