Darf man sich „viel Spaß“ wünschen bei einer Diskussion über das Sterben? Henrike Müller, stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Grünen, korrigierte sich vorsichtshalber lieber am Ende ihrer Begrüßungsrede bei der öffentlichen Anhörung ihrer Partei am Mittwochnachmittag in der Bürgerschaft zum Thema Hospizversorgung in Bremen und wünschte den rund 80 Gästen und Experten dann lieber „viel Erfolg“. Eine sprachliche Kleinigkeit nur. Aber sie zeigt, dass die Beschäftigung mit dem Tod und seinen Begleitumständen die meisten Menschen scheu und unsicher macht – obwohl sie irgendwann ohne Ausnahme auf jeden zukommt. Es wurde dann übrigens mitunter auch gelacht, in der Hauptsache aber argumentiert.
Wie ist die Situation, gibt es ausreichend Plätze in der stationären und ambulanten Palliativ-Versorgung? Wie sieht es in den Hospizen aus? Wie wird der Bedarf zukünftig aussehen, Stichwort alternde Gesellschaft? Das waren zentrale Fragen, zu denen die Grünen Fachleute aus verschiedenen Bereichen eingeladen hatten.
Die Einschätzungen unterschieden sich zum Teil je nach Funktion der Redner, insgesamt kristallisierten sich in der mehr als zweistündigen Veranstaltung aber vier zentrale Punkte heraus, bei denen sich die Vertreter der Praxis Hilfe aus der Politik erhoffen. Sie wünschen sich mehr finanzielle Unterstützung in der Planungs- und Bauphase von Hospizen. Sie fordern eine Verbesserung der palliativen Versorgung der Menschen in Pflegeheimen und insgesamt ein Palliativ- oder Hospizregister, das grundlegende Standards festlegt sowie eine höhere Qualitätskontrolle.
Insgesamt, das war der allgemeine Tenor, steht Bremen im Moment eigentlich ziemlich gut da, was das Netz an Diensten angeht, die sterbenden Menschen Hilfe leisten, zu großen Teilen getragen von der ehrenamtlichen Arbeit vieler Helfer beziehungsweise Helferinnen – in der Mehrzahl sind es Frauen, die sich in den Hospizvereinen engagieren.
Bislang gibt es mit der Brücke in Walle und dem Lilge-Simon-Stift in Nord zwei Hospize im Stadtgebiet mit insgesamt 16 Plätzen, 2020 wird der Lahrshof in Arsten mit ebenfalls acht Plätzen die ersten Patienten aufnehmen. Auch auf dem Gelände des Klinikums Bremen-Ost gibt es Pläne, dort will die neu gegründete Lungenstiftung Bremen ein Hospiz aufbauen. Ob und wann es gelingt, ist allerdings noch unklar. In Bremerhaven wird es künftig ebenfalls zehn bis zwölf Plätze in einem neuen Hospiz geben. Hinzu kommen die stationären und ambulanten Angebote.
Es muss in Zukunft weitere Angebote geben
Allerdings, darauf wies auch Sozialsenatorin Anja Stahmann hin, wird es in Zukunft weitere Angebote geben müssen. Im Moment leben 31 000 Bremerinnen und Bremer über 80 Jahre in der Stadt, im Jahr 2030 werden es 41 000 sein, sagte sie. „Menschen müssen wählen können, wie sie ihre letzte Lebensphase verbringen. Wir müssen offen darüber sprechen, wie wir einen würdigen Übergang gestalten können.“
Schon jetzt gibt es für die 16 Hospiz-Plätze Wartelisten, auf denen immer zwischen 30 bis 40 Namen stehen. Allerdings ließe sich an den Listen der tatsächliche Bedarf nicht ablesen, weil es viele Doppelmeldungen gebe, erklärte Brücke-Leiterin Keris Schnelle. „Trotzdem ist es so, dass wir ein Drittel aufnehmen können und ein weiteres Drittel vorher stirbt“, sagte sie. „Und die Tendenz der Anfragen geht nach oben.“ Auch Michael Kruse vom Bremer Regionalzentrum der Johanniter, sie betreiben das Lilge-Simon-Stift, berichtete von einer Auslastung von mehr als 90 Prozent.
Für einen Großteil der Bremer kommt das Ende aber nicht im Hospiz, sondern in einem Krankenhaus- oder Pflegeheimbett. Hans-Joachim Willenbrink, Chefarzt der Palliativstation des Klinikums Links der Weser, wies darauf hin, dass er deshalb bei den stationären Einrichtungen Verbesserungsbedarf sehe: sowohl bei der Aus- und Fortbildung der Ärzte als auch bei der personellen Ausstattung insgesamt.
„Für mich ist es Sterben dritter Klasse, wenn Palliativdienst draufsteht, das aber nicht gelebt wird“, sagte Willenbrink. Mark Castens, der seit Jahren in Bremen und umzu für das Thema Palliativmedizin kämpft, wünscht sich Aufmerksamkeit für den Aspekt des Sterbens in der Kurzzeitpflege. „Die Rahmenbedingungen fehlen. Keiner weiß, unter welchen Bedingungen da Menschen versorgt werden. Da guckt man zu wenig hin.“