Danuta Riechel ist eigentlich seit zwei Jahren im Ruhestand. Doch die 67-Jährige fühlt sich fit. So fit, dass sie weiter in ihrem Beruf arbeiten möchte. Eigentlich eine Win-win-Situation, denn Riechel ist Lehrerin und genau die werden in Bremen seit Monaten händeringend gesucht. Nachdem sie jahrelang für den Verein Stadtteilschule tätig war, verbrachte die Deutsch- und Musiklehrerin ihre letzten fünf Berufsjahre an einer Schule in Rheinland-Pfalz.
„Die Situation dort ist mit Bremen nicht vergleichbar“, sagt sie. „Dort wird sich mehr auf den eigentlichen Unterricht konzentriert. Ausfälle gab es nur in Ausnahmefällen.“ Trotzdem zog es die 67-Jährige nach ihrer Zeit in Rheinland-Pfalz wieder in den Norden. Da sie um die Probleme im Bremer Schuldienst wusste, schickte die Lehrerin gleich nach ihrer Rückkehr in die Hansestadt eine Bewerbung an die Stadtteilschule, erzählt sie.
Ohne Erfolg. „Ich hörte lange Zeit erst einmal gar nichts.“ Später wird Riechel eine Stelle in einer Grundschule in Blumenthal angeboten. Doch die Schulleiterin habe sich schlussendlich gegen sie entschieden. Sie habe Angst gehabt, dass Riechel nicht auf Dauer an der Schule bleiben wollte. „Wieso das bei mir vermutet wurde, ist mir unklar. Das betrifft wohl eher Studierende und nicht Rentner“, sagt die Deutschlehrerin.
Sie und einige weitere Kollegen im Ruhestand kritisieren aber vor allem die Bezahlung, die Rentner für die Vergütung von einzelnen Stunden bekommen. Der Stundenlohn beträgt in der Sekundarstufe 13 bis 15 Euro. „Auf der einen Seite braucht die Bildungsbehörde dringend ausgebildete Lehrkräfte, will sie aber nicht entsprechend bezahlen“, sagt Riechel. Auch die die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft bemängelt auf Nachfrage die schlechte Bezahlung ausgebildeter Lehrer.
Danuta Riechel hält zudem den verstärkten Einsatz von Studierenden für problematisch. „Die sind zum Teil noch nicht richtig vorbereitet und schrecken bei schlechten Erfahrungen im schlimmsten ganz vor dem Beruf zurück.“ Aktuell arbeiten nach Angaben der Bildungsbehörde 228 Studierende an Bremer Schulen. Das seien etwa 1,9 Prozent der Unterrichtsstunden, die nicht von vollständig ausgebildeten Lehrkräften erteilt würden.
Derzeit seien 22 Vollzeitstellen unbesetzt. Vor allem fehlen Sonderpädagogen sowie Sport- und auch Musiklehrkräfte für den Grundschulbereich. „Große Probleme machen uns auch die Vertretungen. Es gibt Krankheitsfälle und Schwangerschaften. Diese Stellen sind zwar besetzt, trotzdem sind die Köpfe nicht vor Ort“, sagt Annette Kemp, Sprecherin der Bildungsbehörde.
Das Ressort von Senatorin Claudia Bogedan (SPD) hat erkannt, dass Studierende den Bedarf an Lehrern nicht decken. Um die Löcher zu stopfen, hat die Behörde deshalb vor einigen Tagen 550 pensionierte Lehrkräfte angeschrieben: Die Bildungssenatorin warb darin dafür, in den Schuldienst zurückzukehren, und sei es auch stundenweise, um angesichts des Lehrermangels auszuhelfen.
Bedarf an Lehrkräften wird noch steigen
Bisher arbeiten 69 Ruheständler für den Verein Stadtteilschule, 15 weitere Lehrkräfte sind bei der Senatorin für Kinder und Bildung angestellt. Sie wären regulär ausgeschieden, haben ihre Dienstzeit aber über die Altersgrenze hinaus verlängert. Die Lehrkräfte, die ihren Ruhestand hinausgeschoben haben, werden nach Angaben der Bildungsbehörde unverändert besoldet.
Dass der Bedarf an Lehrkräften noch steigen wird, zeigt auch eine Prognose der Behörde. Bis 2025 werden im Grundschulbereich 176 Lehrkräfte in Rente gehen, im Bereich der Sekundarstufe I sind es 228. „Durch den Anstieg der Schülerzahlen ergibt sich natürlich ein Mehrbedarf über die Abgänge hinaus“, sagt Annette Kemp. Für die Grundschulen werden dadurch zusätzlich 120 Lehrkräfte benötigt werden, in der Sekundarstufe I seien es 152.
Danuta Riechel arbeitet mittlerweile an der Jacobs University Bremen und gibt dort Deutschkurse. Zwar mache der 67-Jährigen die Arbeit Spaß, „ich lerne viel über andere Kulturen“, sagt sie. Doch finanziell lohne sich der Aufwand als Honorarkraft in Bremen-Nord kaum. “Wenn ich die zusätzlichen Beiträge für die Krankenkasse und die Steuervorzahlungen leiste, bleibt mir nicht viel übrig.”