Volker und Petra Leue genießen die Ruhe. Fast allein kampiert das Paar aus dem Lahn-Dill Kreis für ein paar Tage mir seinem Wohnmobil auf dem großen Stellplatz beim Kuhhirten. Nur zwei weitere Wohnmobile machen noch Station zwischen Weser und Werdersee, wo rund 100 dieser Gefährte Platz haben.
Doch touristische Übernachtungen sind laut Corona-Verordnung untersagt. Die wenigen, die jetzt sein können, sind zumeist aus beruflichen Gründen in der Stadt. Bei Volker Leue ist es ein medizinischer Anlass. „Mein Doktor hat zuvor bei uns praktiziert und ist nach Bremen umgesiedelt“, sagt der Lkw-Fahrer. So ist er seinem Arzt jetzt für einige Behandlungstermine hinterher gereist. Einige touristische Aspekte lassen sich dabei nicht ganz vermeiden. „Wir unternehmen kleine Spaziergänge und Radtouren, aber in erster Linie genießen wir die Ruhe“, sagt Petra Leue. Dass der Stellplatz gerade ziemlich leer ist, kommt den beiden ganz gelegen. „Große Menschenmassen vermeiden wir ohnehin gern. Wir versorgen uns hier selbst und haben alles dabei“, sagt Volker Leue.
„Normalerweise wäre unsere Auslastung jetzt so bei 60 bis 70 Prozent“, sagt Hans Bahrenburg, der den Stellplatz seit 2006 betreibt. Und um Ostern herum wäre man in normalen Jahren komplett ausgebucht gewesen. Doch nach 2020 wird Corona auch die Wohnmobil-Saison 2021 auf seinem Platz beeinträchtigen. Bleiben darf aktuell nur, wer ihm unterschreibt, nicht aus touristischen Gründen zu übernachten. Erlaubt sind berufliche Anlässe oder auch Familienbesuche, wenn es dafür einen Grund gibt: Beerdigungen zählen dazu, aber auch Geburtstage und Hochzeiten sowie Pflege und Betreuung von Verwandten. Das Ordnungsamt habe die eidesstattlichen Erklärungen der wenigen Gäste auch schon begutachtet, erzählt Bahrenburg.
Er hadert mit dem pauschalen touristischen Beherbergungsverbot, das keinen Unterschied zwischen Hotel und Wohnmobil macht. „Die Besucher haben ja im Grunde ihre eigenen vier Wände dabei“, meint Bahrenburg. Die Coronaregeln von Abstand und Kontaktvermeidung sind nach seiner Ansicht im Wohnmobil deutlich einfacher umzusetzen als in einem Hotel. „Hier hat ja sogar jeder seine eigene Toilette dabei.“
Theoretisch lässt sich mit den Fahrzeugen jedes zeitweilige Beherbergungsverbot durch das „frei stehen“ umgehen, wie es Wohnmobilisten nennen. Schließlich kann so ein Wohnmobil wie ein Auto einfach ordnungsgemäß geparkt werden, ganz ohne offiziellen Wohnmobil-Stellplatz. „Weil ich die Leute nicht aufnehmen darf, können die also im Grunde 100 Meter weiter einfach stehen“, sagt auch Bahrenburg. Aber so zu übernachten ist rechtlich gesehen eine unerlaubte Sondernutzung des Straßenraums. Laut Innenbehörde ist das in Bremen allerdings kein Problem. „Unseren Ordnungsdiensten sind derartige Verstöße bislang nicht aufgefallen“, sagt eine Sprecherin des Ressorts. Mutmaßlich stelle sich die Frage danach eher an bestimmten touristischen Hotspots außerhalb von Städten, heißt es.
Ob der Sommer die Einbußen ausgleichen kann, ist aus Bahrenburgs Sicht fraglich. „Alle hoffen natürlich, dass dann wieder mehr gereist werden kann, aber anders als Pauschalurlauber buchen die Wohnmobilisten nicht groß im Voraus.“ Im vorigen Jahr lief der Sommer nach dem Frühjahrs-Lockdown ganz gut. Was aus dem europäischen Umland nicht anreisen konnte, wurde durch einheimische Urlauber wettgemacht. Viele davon reisten häufig erstmals mit dem Wohnmobil – ihr Ersatz für den Auslandsurlaub. Zumindest die Hersteller verzeichneten 2020 dadurch ein ziemliches Boomjahr, anders als die Stellplatzbetreiber. „Was wir jetzt nicht vermieten, können wir im Sommer ja nicht doppelt vergeben“, sagt Bahrenburg. Die Ausfälle knabberten inzwischen ziemlich an seinen Rücklagen. „Das war eigentlich für die Rente gedacht.“
Nach Ansicht von Michael Katzmarek ist die Nachfrage ebenfalls nicht gestiegen, sondern nur anders verteilt. Er leitet eine große Wohnmobil-Vermietung in Bremen. „Das hat sich vor allem auf den Sommer konzentriert, noch stärker als in den Vorjahren“, berichtet er. Das Frühjahr 2020 sei wegen der Reisebeschränkungen eigentlich komplett ausgefallen. „Unterm Strich war es dann kein großer Unterschied zum Vorjahr“, zieht er seine Bilanz. Für 2021 zeichnet sich eine ähnliche Entwicklung ab. „Der Sommer ist jetzt schon so gut wie ausgebucht, während aktuell natürlich kaum was geht.“ Auch er beobachtet, dass viele Neulinge diese Art des Urlaubs in Corona-Zeuten austesten. Direkt danach habe dann tatsächlich eine spürbare Zahl ein eigenes Gefährt gekauft.
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Wohnmobile im Trend
Im Jahr 2020 wurden in Deutschland mehr als 78.000 Wohnmobile neu zugelassen. Gegenüber dem Vorjahr bedeutet das ein Wachstum von 44,8 Prozent. Schon in den Jahren zuvor stieg ihre Zahl stetig, sodass sich in den vergangenen drei Jahren die Zulassungszahlen insgesamt verdoppelt haben. „Die Pandemie hat grundsätzliche und langfristige Entwicklungen im Tourismus wie Nachhaltigkeit, regionales und individuelles Reisen oder den Trend zurück in die Natur beschleunigt“, sagt dazu Daniel Onggowinarso, Geschäftsführer des Caravaning Industrie Verbandes e. V. (CIVD), der diese Zahlen regelmäßig erhebt. Auch in diesem Jahr geht es so weiter: Im ersten Quartal wurden 19.058 Fahrzeuge zugelassen, ein Anstieg um 23,9 Prozent und laut Verband ein Rekord für ein erstes Quartal. Das sei auch deswegen bemerkenswert, weil durch den Lockdown Verkaufs- und Beratungsgespräche zeitweise unmöglich waren. Außerdem hätten viele Interessenten geplante Käufe möglichst schon 2020 getätigt, um die herabgesetzte Mehrwertsteuer zu nutzen.