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Bahnhofsvorstadt Varietétheater und Comedy-Club "Fritz" eröffnet

Bahnhofsvorstadt. Der wärmste Applaus galt den Handwerkern: Dass das "Fritz" im ehemaligen Filmstudio rechtzeitig fertig werden würde, darauf hätte außer den Betreibern kaum jemand gewettet. Am Donnerstag aber war das Kunststück vollbracht.
22.11.2010, 05:00 Uhr
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Varietétheater und Comedy-Club
Von Monika Felsing

Bahnhofsvorstadt. Der wärmste Applaus galt den Handwerkern: Dass das "Fritz" im ehemaligen Filmstudio rechtzeitig fertig werden würde, darauf hätte außer den Betreibern kaum jemand gewettet. Am Donnerstag aber war das Kunststück vollbracht.

Nach knapp zehn Wochen Umbauzeit gingen in Bremens neuem Varieté am Herdentorsteinweg die Scheinwerfer an. 600 geladene und ungezählte späte Gäste kamen "zum Lachen in den Keller". Das ist der Wahlspruch der neuen Spielstätte.

"Sie sind Zeugen der Geburt!", rief Comedian Philip Simon seinem Publikum zu. Pate des Babys ist eine Bremer Legende: Seit "Fritz-Cola" als Namensgeber offiziell ausgedient hat, haben die markenbewussten Unternehmer Emil Fritz zum Schutzpatron erkoren. Was nicht heißt, dass sie das "Astoria" kopieren. Mit dem "Comedy Club" und ihrem Weihnachtsvarieté haben Timm Kulke und Christopher Kotoucek bereits einen Ruf in der Szene und starke Partner an ihrer Seite. Was ihnen und ihren Kompagnons Jens Meinke und Christian Schlemm vorschwebt, ist eine wilde Mischung aus Varieté und Oper, Kindertheater und Comedy, Travestie und Casting-Shows, Hip-Hop und Strapsen, Party und Musical, Improtheater und Gesellschaftstanz. "Irgendwie gemütlich und doch hochmodern", ein "Haus mit Persönlichkeit, Seele und Anspruch" soll ihr "Fritz" sein. "Alle vier haben hoffentlich etwas von der Genialität meines Großvaters, dann wäre der Erfolg gesichert", sagte Michael Fritz aus Oberneuland, ein Enkel des

"Astoria"-Gründers, zum Einstand. Auf offener Bühne übergab er den "Fritz"-Chefs ein Porträt des Patriarchen für die noch glaslose Vitrine im roten Foyer. Wer zur Garderobe will, kommt jetzt bei Emil Fritz vorbei.

Illustre Gäste

Hätte das "Fritz" ein Gästebuch, stünde Preußenprinz Christian darin, dessen Familie das "Astoria" in den fünfziger Jahren häufig von Borgfeld aus besucht hat. Er und Prinzessin Nina waren zur Eröffnung eingeladen, zusammen mit Politikern, Unternehmern, Gastronomen, Künstlern, Kooperationspartnern und vielen jungen Leuten. Auch Gregor Marx (80) aus Schwachhausen kennt das Original noch. Der gelernte Opernsänger und langjährige Gastspieldirektor stand als Mac Gregor im "Astoria" auf der Bühne. Im "Fritz" applaudierten er und seine Frau Erika der Bremer Mezzosopranistin Stefanie Golisch und der "Capella Vivace". Königlich amüsierte sich das Paar über Alleinunterhalter Philip Simon, der oberhalb der Gürtellinie blieb und Menschen mit Flugangst riet, sich doch bitteschön in die erste Reihe des Fliegers zu setzen: "Dann kommt beim Absturz die Minibar noch mal vorbei."

Vom freundlichen Witze-Erzähler, der erst seine Landsleute und dann die Schweizer aufs Korn nahm, steigerte sich der Holländer zum bitterbösen Politkabarettisten mit klaren Feindbildern: Rechtspopulisten, Rüstungsproduzenten und Finanzjongleure haben bei ihm nichts zu lachen.

Wie Simon kam auch die wandelnde Federboa "Sunny Beaches" von der Burlesk-Tanzgruppe "Teaserettes" aus Berlin. Die Show im etwas freizügigeren Las-Vegas-Stil der Vierziger läuft im Januar. Mit ähnlich erotischen Tänzen hat die Ära "Astoria" in den späten Sechzigern mal geendet. Das "Fritz" fängt ohne Not damit an. Vieles am Konzept des Hauses hat den Charme eines Experiments, anderes verwundert: Travestiekünstler gibt?s auch im Teatro Magico. Und Impro gleich um die Ecke.

Otto Kuhnle vom Trio Blamage schockt sein Publikum gern. "Man kann Scheiße aussehen, Kacke reden, man muss halt gut angezogen sein", ist das Motto des Comedians. Wie er den Papageno mit Baustellenhelm, Schwirrvogel und Hula-Hoop-Reifen gab, war opernzirkusreif. Dass nur einer im Saal sofort auf Mozart kam, dafür aber viele Zuschauer Bob den Baumeister kannten, ertrug er mit gespielter Fassung. "Können wir das schaffen?" rief er. "Ja wir schaffen das", antwortete das fernsehgeschulte Publikum. "It?s magic!", versicherte Otto Kuhnle. Was dann kam, war nichts für schwache Nerven. Kuhnle stopfte sich einen Tischtennisball nach dem anderen in die Backen, bis er Maulsperre hatte und auch manch anderem der Mund offen stand. Der Rest war eine logopädische Herausforderung: "Idfff Mädfipp!"

Einigen Interpreten hätte man am ersten Abend die Kulisse ihres Stückes und ein Publikum gewünscht, so aufmerksam wie die Bedienung. Mowgli und Balou aus der neuen Bremer Fassung des "Dschungelbuchs" fanden den Urwald dann auch ohne Bäume. Und Alexander und Olena "aus der Talentschmiede von Roberto Albanese" tanzten souverän vor Musikinstrumenten, die für Bremer Bands bereit standen. Eine davon war die von Jonny Glut. "Ich will runter vom Schiff", rockte er zur Melodie von "Highway to hell".

Nicht nur zum Lachen sollen die Bremer und ihre Gäste künftig in den Keller gehen: Im Saal darf auch getanzt werden, wenn die Tische weggeräumt sind. "Double-o- Soul", eine Coverband der Extraklasse, machte dem Auftaktpublikum Beine: Wer da nicht mitging, war schon gegangen.

Mehr übers "Fritz", Herdentorsteinweg 39 (in Bahnhofsnähe) und seine wechselnden Shows unter www.fritz-bremen.de und unter Telefon 6391713. Karten gibt es auch bei Nordwestticket unter 363636.

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