Beim Parken im öffentlichen Straßenraum wird sich etwas tun. Das ist spätestens seit Ende Februar klar, als das Verwaltungsgericht die Verkehrsbehörde verpflichtete, gegen die weitverbreitete Praxis des aufgesetzten Parkens einzuschreiten. Zwar hat der Richterspruch noch keinen endgültigen Bestand, aber im Grundsatz ist klar: Tausende Parkplätze werden mittel- und langfristig verschwinden – zumal auch die Verkehrsbehörde darauf hinarbeitet, die Parkraumbewirtschaftung in den innenstadtnahen Stadtteilen auszuweiten. Wo Bewohnerparkzonen entstehen, reduziert sich in der Regel auch die Zahl der verfügbaren Stellplätze am Straßenrand.
Wo aber hin mit den rund 50.000 Autos, die derzeit nach grober Schätzung der Verkehrsbehörde stadtweit illegal abgestellt sind? Eine Vokabel, die in diesem Zusammenhang stets auftaucht, sind die sogenannten Quartiersgaragen. Kleine bis mittlere Parkhäuser also, die in oder am Rande von Wohnquartieren entstehen könnten. In zumutbarer Entfernung von der eigenen Wohnung würden Autobesitzer ihre Fahrzeuge dort gegen eine Gebühr abstellen. Doch lassen sich auf diese Weise tatsächlich ausreichende Kapazitäten schaffen? Gibt es überhaupt genügend verfügbare Grundstücke für solche Parkpaletten – gerade in den dicht bebauten innenstadtnahen Bereichen?
Der freiberufliche Verkehrsplaner Markus Otten hat sich mit diesen Fragen eingehend auseinandergesetzt. Der Ingenieur, der in der Baumwollbörse das Fachbüro BMO betreibt, misst den Quartiersgaragen bei der Verkehrswende eine hohe Bedeutung zu. Er hält sie für wirtschaftlich machbar und für ein wichtiges Instrument bei der Elektrifizierung des Individualverkehrs.
Gibt es genügend geeignete Flächen?
Diese Frage bejaht Markus Otten mit Nachdruck. In allen innenstadtnahen Stadtteilen mit Ausnahme von Teilen Schwachhausens hat der Verkehrsexperte genügend Flächenpotenzial ausgemacht. Die meisten Autobesitzer könnten innerhalb einer Distanz von bis zu 500 Metern von der Wohnung in Zukunft eine Quartiersgarage vorfinden, wenn diese Potenziale ausgeschöpft würden. Als mögliche Standorte benennt Otten unter anderem vorhandene private Garagenhöfe und Supermarktparkplätze, die mehrstöckig überbaut werden könnten, außerdem entfallende Tankstellengrundstücke. Daneben kämen Randlagen, etwa in der Nähe von Eisenbahnflächen, infrage.
Am Beispiel Findorffs benennt Otten konkrete Flächen – immer unter dem Vorbehalt, dass die Eigentümer zur Mitwirkung bereit wären. In dem beliebten Wohnquartier gibt es unter anderem ein geeignetes Grundstück des Versorgers SWB im Bereich der Plantage. Weitere denkbare Standorte für eine Quartiersgarage sieht BMO auf einer vorübergehend für Kleingärten genutzten Fläche am Bahndamm nahe der Bezirkssportanlage, außerdem auf vorhandenen Garagenhöfen. Addiert man solche Potenziale, dann lassen sich nach Einschätzung des Planungsbüros die künftigen Verluste an Parkplätzen im öffentlichen Straßenraum ohne Weiteres kompensieren.
Welche Investitionen wären erforderlich?
Hier gehen die Einschätzungen zwischen BMO und Verkehrsbehörde weit auseinander. Das Haus von Senatorin Maike Schaefer (Grüne) setzt für Tiefgaragen Kosten von 40.000 bis 60.000 Euro pro Stellplatz an. "Hochgaragen können günstiger sein. Allerdings wird bei Quartiersgaragen auch eine städtebauliche Gestaltung erwartet sowie Lärmschutz, was laute einfache Stahlbaukonstruktionen ausschließt", heißt es in einer Antwort des Ressorts auf eine Anfrage des WESER-KURIER. Wenn man also – rein theoretisch – den Gesamtbestand der 50.000 derzeit falsch geparkten Fahrzeuge auf Quartiersgaragenplätze umlegt, käme man auf einen überschlägigen Investitionsbedarf von rund zwei Milliarden Euro. Viel zu hoch gegriffen, meint Markus Otten. "Realistisch sind bei Stahlbauweise Bruttokosten pro Stellplatz von gut 15.000 Euro, wobei eine einfache E-Lade-Infrastruktur für die abgestellten Autos schon eingerechnet ist." Er setzt die Gesamtzahl der derzeit irregulär abgestellten Autos zudem deutlich niedriger an, nach seinen Berechnungen sind es etwa 20.000. Der theoretische Aufwand für eine vollständige Kompensation in Quartiersgaragen läge mithin bei etwa 300 Millionen Euro plus Grundstückskosten.
Wie hoch wären die Kosten für die Nutzer?
Auf der Basis der BMO-Berechnungen kämen auf die Nutzer der Stellplätze monatliche Bruttokosten von im Schnitt 100 Euro zu. Diese Belastung lasse sich jedoch noch verringern. Zum einen durch Umlegung von Kosten über eine Mischkalkulation in Bewohnerparkgebieten, zum anderen durch günstigere Versicherungsprämien. Die Tarife für "Laternenparker" sind nämlich teurer als für Kfz-Besitzer, die ihr Fahrzeug in Garagen abstellen. In der Investorenrolle sieht Otten die Stadt. Sie könnte die einzelnen Standorte anschließend an verschiedene private Betreiber ausschreiben.
Welche Rolle spielen Quartiersgaragen bei der E-Mobilität?
Eine ganz entscheidende, meint der Verkehrsingenieur. Eine flächendeckende Struktur von Quartiersgaragen sei "der Schlüssel für autoverträgliche Quartiere". Die vielen künftig benötigten E-Ladesäulen würden im Straßenraum deutlich höhere Kosten auslösen und viel zu viel Platz wegnehmen. Sinnvoller sei es, die Ladeinfrastruktur zumindest teilweise in Quartiersgaragen zu bündeln. Wer dort über Nacht sein Auto laden könne, erhalte zusätzlich zu einem verlässlichen Parkplatz einen praktischen Mehrwert.