Die in einem Schreiben an die Anwohner von der Verkehrssenatorin Maike Schaefer (Grüne) kommunizierte Zahl von 1300 verbleibenden legalen Parkplätzen im geplanten Bewohnerpark-Quartier in Findorff bleibt unter den rechtlich zulässigen Möglichkeiten. Demnach könnten in dem rund 38 Hektar großen Areal zwischen Plantage, Findorffstraße, Eickedorfer Straße und Hemmstraße knapp 1650 legale Parkplätze im öffentlichen Raum verbleiben. Die Lücke zu den knapp 2000 gemeldeten Fahrzeugen der 4000 Haushalte in dem Gebiet wäre deutlich kleiner. Das geht aus den zwei Parkraumuntersuchungen hervor, die dem Projekt vorangegangen sind.
Der Unterschied ergibt sich aus der Art und Weise, wie mit dem aufgesetzten Parken in dem Gebiet verfahren wird. Bei 1300 Parkplätzen wird es nahezu vollständig unterbunden. Bei 1650 Stellplätzen wird es überall dort gestattet, wo der Straßenraum breit genug ist, um trotz des aufgesetzten Parkens alle Vorgaben zur Barrierefreiheit für Fußgänger auch mit Rollstühlen und Rollatoren zu erfüllen.
Dazu wird das technische Regelwerk allerdings pragmatisch interpretiert. Ein Beispiel: In den Vorgaben zur Breite eines Fußweges sind immer auch Sicherheitsabstände zum fließenden Verkehr enthalten. In den betreffenden Wohnstraßen existiert aber im Grunde kein Durchgangsverkehr, und die aufgesetzt parkenden Fahrzeuge trennen die Fahrbahn zusätzlich vom Fußweg. Daher könne man nach Einschätzung der Experten an vielen Stellen auf den Sicherheitsabstand verzichten und schmalere Fußwege akzeptieren. Auch müssten Begegnungen zweier Rollstuhlfahrer nicht überall möglich sein, sondern es genügen ausreichend breite Stellen. Etwa alle 15 Meter, um die Barrierefreiheit gemäß gesetzlicher Vorgaben zu gewährleisten.
"Wir haben in der Tat den Eindruck, dass die Senatorin die reine Lehre durchsetzen möchte und wenig kompromissbereit ist", kommentiert Marcella Dammrat-Tiefensee, Vorsitzende des Vereins Findorffer Geschäftsleute, in dem knapp 70 örtliche Händler, Dienstleister, Gastronomen und Handwerksbetriebe vertreten sind. Sie verweist auch auf die Ankündigung, für jeden Betrieb in der Bewohnerparkzone gebe es genau einen Parkausweis, unabhängig von der Zahl der Mitarbeiter. "Bislang wurde jeder unserer Einwände dagegen kategorisch abgebügelt."
Den Vorwurf, dass die Senatorin die angestrebte Verkehrswende nun mit aller Macht erzwingen wolle, erhebt auch Klaus Kellner, einer der Initiatoren und Sprecher der Bürgerinitiative "Mobilitätsfrieden für Bremen", die sich gegen die Beseitigung von immer mehr Parkraum wendet. "Was über Jahrzehnte geduldete Praxis war, kann man jetzt nicht mit der Brechstange abschaffen", sagt der Verleger im Ruhestand. Selbst wenn man das angestrebte Ziel, die Zahl der Fahrzeuge im Straßenraum zu verringern, teile und akzeptiere, sei verordnetes Anwohnerparken mit reduziertem Parkplatzangebot dafür nicht das richtige Instrument. "Wir brauchen längere Übergangszeiten und Alternativen zum Parken in den Straßen, wie etwa Quartiersgaragen", sagt er. Die Autos seien aktuell nun mal vorhanden, auch weil die Politik dies in der Vergangenheit befördert habe, nicht zuletzt durch die unterlassene Ahndung des aufgesetzten Parkens. Wenn man da von jetzt auf gleich umsteuere, um den Autobesitz zu erschweren und zu verteuern, sei das eine "kalte Enteignung" von Autofahrern, die häufig auf das Fahrzeug angewiesen seien.
Befürworter eines neuen Kurses wie der in Peterswerder lebende Umweltjurist Olaf Dilling betonen dagegen, dass auch ein massenhafter und bislang nicht sanktionierter Verstoß gegen geltendes Recht keinen Anspruch auf ein anderes Recht begründe. "Im Grunde sind die Fußgänger durch aufgesetzt parkende Autos auf ihren Wegen in den vergangenen Jahrzehnten schleichend enteignet worden."
Ob dies jetzt unbedingt in Findorff korrigiert werden muss, wird indes von den betroffenen Bewohnern bezweifelt. Bei den ersten Ortsbegehungen am vergangenen Sonnabend, um Rückmeldungen zum Planungsstand aufzunehmen, schilderten viele, dass in den Wohnstraßen ein entspannter Umgang mit der engen Situation vorherrsche. "Wenn die Bürgersteige durch parkende Autos zu schmal geworden sind, nutzen Fußgänger und Rollstuhlfahrer doch fast überall einfach die Fahrbahn", sagt ein Anwohner. Und er habe noch nie Autofahrer beobachtet, die dann hupten, drängelten oder auf ihr Recht bestünden. "Eigentlich tun alle so, als seien das hier Spielstraßen."
Und auch Dammrat-Tiefensee sieht den Alltag in dem Gebiet nicht als Problem an. "Stein des Anstoßes waren die Fremdparker, die das Quartier in der Zeit des Freimarkts oder bei anderen Großveranstaltungen kostenfrei nutzen wollen." Nur dann sei das hier schwierig. Deswegen habe der Beirat die Parkraumsituation untersuchen wollen, sagt die Geschäftsfrau, die für die SPD in dem Stadtteilgremium sitzt. Dass daraus jetzt Bewohnerparken mit rigidem Abbau von Parkflächen geworden sein, habe man so nicht bestellt.