Herr Willenbrink, Sie behandeln Menschen, die wie Tobias Laatz unheilbar krank sind. Wie gehen Sie mit Hoffnungen um, die unrealistisch sind?
Hans-Joachim Willenbrink : Sehr vorsichtig. Hoffnung zu haben, ist schließlich wichtig – auch wenn es aus Sicht der Schulmedizin eventuell keine Hoffnung auf Heilung gibt. Wenn es jemandem guttut, beispielsweise ein homöopathisches Mittel zu nehmen, dann soll er es nehmen. Dazu würden wir sogar raten.
Wie oft kommt es vor, dass Ihnen Patienten von Präparaten und Heilmethoden berichten, die für Sie unbekannt sind?
Das kommt hin und wieder vor. Weitaus häufiger erleben wir es jedoch, dass sich Patienten von bekannten Medikamenten zu viel versprechen. In der Regel kann aus ihrer Sicht eine Arznei dann mehr, als es tatsächlich der Fall ist.
Warum?
Manchmal hören die Patienten nicht richtig zu, weil sie mit ihren Gedanken ganz woanders sind. Oder sie verstehen etwas anderes, weil ihre Erwartungen und Hoffnungen einfach zu groß sind. Es kommt aber auch vor, dass Mediziner nicht deutlich genug sagen, was das Medikament kann und was nicht. Sie sprechen nicht die Sprache des Patienten.
Und von welchen Mitteln und Methoden berichten Ihnen nun Patienten zum ersten Mal?
Es gab einen Fall, bei dem wurde Heilung durch eine Art von Bluttransfusion versprochen. Dann gab es einen anderen, bei dem sollten die roten Blutkörperchen durch Anreicherung von Ozon vermehrt werden. Das Verfahren sollte den Verlauf der Erkrankung stoppen.
Was halten Sie davon, sich eine Reinigungslösung zu spritzen?
Ich habe über das Präparat im Internet gelesen. Es wird quasi als Allheilmittel gegen viele Krankheiten gepriesen. Es wäre toll, wenn es tatsächlich so ein Medikament gäbe. Nur gibt es das eben nicht.
Wann warnen Sie vor Mitteln, die nichts mit der Schulmedizin zu tun haben?
In der Regel gar nicht. Wir schreiten nur dann ein, wenn wir merken, dass der Patient durch die Einnahme eines Mittels gesundheitlichen Schaden nehmen könnte oder durch den Kauf von Präparaten an seine finanziellen Grenzen stößt und dadurch Familien in den Ruin getrieben werden.
Wie häufig müssen Sie Patienten sagen, dass sie sich falsche Hoffnungen machen?
Auch das kommt vor. Oftmals sind es aber gar nicht mal die Patienten, die unrealistische Erwartungen an ein Medikament oder eine Therapie haben, sondern die Angehörigen, die nicht wahrhaben wollen, dass es für den Patienten keine Aussicht auf Heilung gibt.
Und wie reagieren die, wenn Sie deutlich werden müssen?
Wir suchen immer wieder das Gespräch, fragen vor allem, was verstanden wurde und was die Patienten oder ihre Angehörigen wirklich bewegt. Angehörigen fällt es oft schwerer, das Voranschreiten einer Erkrankung hinzunehmen, vor allem wenn es mit Leiden einhergeht.
Welche Erwartungen haben Menschen, die keine Hoffnung mehr auf Heilung haben?
Ihnen geht es vor allem darum, einen Partner an ihrer Seite zu haben, der dafür sorgt, dass belastende Symptome, Schmerzen, Luftnot und Ängste kompetent behandelt werden.
Und welche Hoffnungen haben Sie?
Dass palliativmedizinische Behandlungsgrundsätze in die Köpfe derer geht, die dem Patienten immer noch Heilung versprechen, obwohl sie genau wissen, dass sie ihm Schaden zufügen, falsche Hoffnungen machen und Ängste schüren.
Die Fragen stellte Christian Weth.
Zur Person:
Hans-Joachim Willenbrink (65) ist Palliativmediziner am Klinikum Links der Weser. Er behandelt Menschen, die Krebs, Aids, aber auch Amyothrophe Lateralsklerose haben. Willenbrink ist verheiratet, hat vier Kinder und wohnt in Bremen.