"Wir können nicht in den Hund hineinschauen.“ Dieser Satz, gesagt von Zoologe Udo Gansloßer nach fast sieben Stunden Verhandlung, fasst gut die Problematik zusammen, vor der die Kammer des Landgerichts am Freitag im Mordprozess um die seit 25 Jahren verschwundene Jutta Fuchs stand.
Die Staatsanwaltschaft ist davon überzeugt, dass der heute 58-jährige Ehemann seine Frau 1993 umgebracht hat. Zu ihren wichtigsten Beweisen gehören eine im Tietjensee gefundene Tüte mit Schminksachen von Jutta Fuchs und ihr Verlobungsring. Der See soll bald für eine neue Durchsuchung abgepumpt werden (wir berichteten). Und dann gibt es Video-Aufnahmen, die die Mord-Theorie der Anklage unterstützen.
Sie zeigen, wie 1995 ein Firmenfahrzeug des Angeklagten mit zwei Leichenspürhunden durchsucht wird – sie schlagen bei einer Kunststoff-Matte und der darunterliegenden Abdeckung des Ersatzreifens aus Pressspan im Kofferraum an. Rund 19 Jahre später, im November 2014, geben bei zwei neuen Überprüfungen der damals sichergestellten Abdeckungen erneut (andere) Spürhunde das Zeichen, dass sie Leichenspuren gefunden haben, allerdings nicht so eindeutig wie im Jahr 1995.
Ist das Anschlagen der Hunde ein Beweis dafür, dass in dem Wagen eine Leiche transportiert wurde? Nein, denn – hier wird der an sich schon spektakuläre Fall besonders kurios – das Auto wurde kurz nach Jutta Fuchs’ Verschwinden verkauft, ausgerechnet an eine Frau, die als Altenpflegerin in Friedehorst arbeitete und deshalb auch regelmäßig in Kontakt mit Verstorbenen kam. Sie hatte in ihrer Vernehmung angegeben, dass sie nicht ausschließen könne, bei der Arbeit getragene Kleidung im Kofferraum transportiert zu haben. Außerdem hatte sie an einem Tag den Leichnam ihres verstorbenen Katers vom Tierarzt nach Hause gefahren und ihn dafür in den Kofferraum gelegt. Der tote Kater immerhin, so viel ist nach diesem Verhandlungstag klar, hat nicht zum Anschlagen der speziell trainierten Hunde geführt. Sie können Tierkadaver von Leichen unterscheiden.
Viele offene Fragen
Viele andere Fragen aber bleiben für die Kammer auch nach den Aussagen von dreien der damals an den Suchen beteiligten Hundeführer und dem Studium der Videobilder offen. Vor allem die, welchen Leichengeruch die Hunde erspürt hatten: Den von Jutta Fuchs oder den von normal Dahingeschiedenen, übertragen über die Kleidung der damaligen Autobesitzerin? Sie hätte übrigens als Zeugin erscheinen sollen, offenbar hatte die Ladung die inzwischen in Kroatien lebende Frau aber nicht rechtzeitig erreicht. „Klar ist, dass die Hunde angeschlagen haben. Aber es ist unklar, woher der Geruch kam“, sagte Richter Helmut Kellermann.
Deutlich wurde nur, das bestätigten auch die als Sachverständigen anwesenden Gansloßer und der sächsische Polizeidirektor und Spürhunde-Experte Leif Woidtke, dass die Videos insgesamt einen eher geringen Beweiswert besitzen. So ist es nach Ansicht der Experten durchaus möglich, dass die Hundeführer bei der zweiten Überprüfung im Jahr 2014 ihre Tiere unbewusst durch Körperbewegungen beeinflusst haben könnten.
Die Einsätze bestanden aus zwei bis drei Durchgängen, und nach dem ersten wussten die Hundeführer ja schon, bei welchem der Autoteile die Hunde angeschlagen hatten. „Aufgrund des engen Verhältnisses zwischen Hund und Mensch kann man einen Hund ohne böse Absicht auf die falsche Spur setzen“, sagte Zoologe Gansloßer. „Was zwischen dem Hund und dem Mensch passiert, wissen wir nicht“, befand auch Richter Helmut Kellermann.
Ein anderer Unsicherheitsfaktor: Die Hunde hatten 2014 auch bei einem Autoteil angeschlagen, das nicht Teil der Ermittlungen ist. Möglicherweise war es bei der Auslegung der Objekte von einem Beamten kontaminiert worden. Ebenfalls ist bislang wissenschaftlich nicht belegt, welche Moleküle genau die Hunde eigentlich als Leichengeruch wahrnehmen.
Der Prozess wird am Mittwoch, 17. Oktober, um 9 Uhr fortgesetzt.