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Der Nordbremer Kraftfahrzeug-Meister Wilfried Michael restauriert Oldtimer / Ersatzteilmarkt im Internet Wenn die alte Liebe rostet

Kaum werden die Tage kürzer und kälter, verschwinden sie von den Straßen: Die markanten Oldtimer auf vier Rädern. Feuchtigkeit und Streusalz sind Gift für betagte Autos, deshalb überwintern die meisten alten Fahrzeuge in Garagen und Carports.
16.11.2012, 05:00 Uhr
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Von Imke Molkewehrum

Kaum werden die Tage kürzer und kälter, verschwinden sie von den Straßen: Die markanten Oldtimer auf vier Rädern. Feuchtigkeit und Streusalz sind Gift für betagte Autos, deshalb überwintern die meisten alten Fahrzeuge in Garagen und Carports.

Bremen-Nord. Auf dem Hof der Werkstatt für "Autoraritäten" von Wilfried Michael an der Grenze zu Beckedorf sieht es wüst aus. Scheinbar schrottreife Karosserien ohne Räder stehen neben aufgestapelten Stoßstangen und Radachsen. Für Michael sind diese Autos allerdings keine wertlosen Wracks, sondern handwerkliche Herausforderungen. Der leidenschaftliche KFZ-Meister möbelt mit Hingabe alte Autos auf, vorzugsweise aus der Nachkriegszeit.

Im Innern der Werkstatt stehen unter riesigen Baumwolltüchern diverse Modelle, die zur Zeit aufgearbeitet werden, darunter ein Mercedes 280 Coupé 3,5 Liter in Rotmetallic. Das Prachtstück hat Doppelscheinwerfer, eine lange Kühlerhaube, cremefarbene Ledersitze und ein weißes Lenkrad. Im Fußraum des Wagens liegt noch eine lange To-Do-Liste von Wilfried Michael. Darauf steht unter anderem "Stern Heckdeckel fehlt". Für Michael kein Problem. "Ich ruf dafür bei Daimler an, und morgen hab ich das Teil." Das ist auch einer der Gründe, warum der 56-Jährige auf die Marke Mercedes Benz schwört. "Man bekommt die Ersatzteile fast alle noch vom Werk. Die werden bei Bedarf nachproduziert – schließlich hat Mercedes ein eigenes Classic Center."

Bei Fahrzeugen, die in geringeren Stückzahlen produziert wurden, sieht das ganz anders aus. Ein besonders ehrgeiziges Projekt war deshalb Michaels kürzlich vollendete Restauration eines Mercedes Benz Möbelwagens, der einen Ackermann-Aufbau hatte. "Die Firma Ackermann gibt es seit 20 Jahren nicht mehr, ich habe deshalb ein Dreivierteljahr vergeblich hinter Türgummis hertelefoniert", so Michael. "Und am Ende habe ich die dann von einer Spezialfirma nachproduzieren lassen." Im Übrigen sei der Markt für Originalteile dank Ebay allerdings sehr groß. "Eigentlich gibt es nichts, was es nicht gibt."

Die komplette Überholung eines Autos koste den Besitzer etwa 60000 bis 80000 Euro, sei aber auch sehr zeitaufwändig. "Allein die Stoßstangen für das Mercedes Coupé kosten 8000 bis 10000 Euro", erzählt Michael. Deshalb habe er den Wagen schon seit 2002 unter seinen Fittichen. Der Besitzer könne die Instandsetzung nicht auf einen Schlag finanzieren.

Das I-Tüpfelchen wird später auch bei diesem Auto die Montage der Felgen sein. Bevor es aber so weit ist, vergehen im Schnitt zwei Jahre mit standardisierten Arbeitsschritten. "Das Wichtigste ist das Zerlegen des Wagens", betont der Kraftfahrzeugmeister. "Das dauert drei bis vier Wochen." Jede Schraube und jedes Kabel werde einzeln registriert und gecheckt. Die Monteure notieren defekte oder fehlende Teile. In einem zweiten Schritt wird die Karosserie ohne Räder auf einen Transportwagen gesetzt. Danach gilt es, die Außenschweller oder den Boden zu schweißen. Anschließend folgt das Sandstrahlen und Grundieren der Karosserie. Vor dem Lackieren müssen dann unbedingt alle Teile kurzzeitig montiert werden, um sicher zu stellen, dass sämtliche Bohrungen richtig platziert sind. "Dann kommt alles wieder ab und der Wagen geht zum Lackieren weg", erläutert Michael. Allein dieser Arbeitsgang könne dann bis zu sechs Monate dauern. "Wir haben das Blech ja mit den Händen bearbeitet, und das ist natürlich nicht immer alles perfekt glatt." Ist der Wagen lackiert, beginnt das sogenannte Finish: Alle Teile werden in einem Zeitraum von etwa drei Monaten Stück für Stück wieder angebaut.

Schreck nach dem Sandstrahlen

"Als ich damals mein Auto nach dem Sandstrahlen gesehen habe, war ich richtig erschrocken", erzählt Kundin Irene Brinkmann. "Der Käfer sah aus, als wäre er von Motten zerfressen worden". Alle Roststellen seien dabei rausgeflogen. Die inzwischen 70-jährige Taxifahrerin hat ihr Cabriolet von 1969 vor Jahren von Wilfried Michael restaurieren lassen. "Insgesamt hat das vier Jahre gedauert", erzählt sie. Aber das Warten habe sich gelohnt. "Der größte Moment war, als ich zum ersten Mal den Motor angelassen habe und vom Hof fuhr, um eine Spritztour zu machen."

Wehmut verspürt Wilfried Michael nicht, wenn die aufpolierten Oldtimer mit ihren Besitzern entschwinden. "Die meisten kommen ja wieder, wenn etwas repariert werden muss." Demnächst wird sich der Experte seinem eigenen Oldtimer widmen, einem Mercedes mit Heckflossen aus dem Jahr 1977. Michael: "Im nächsten Sommer will ich damit wieder auf die Straße."

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