Bei Pathologen denken die meisten an den ARD-"Tatort" und insbesondere an den Münsteraner Pathologen Karl-Friedrich Boerne, gespielt von Jan Josef Liefers. Die Pathologie wird oft gleichgesetzt mit der Rechtsmedizin. "Das ist der große Unterschied, der im Krimi oft durcheinander geschmissen wird", sagt Martin Boland. Im Englischen werde der Begriff "pathologist" für beide Bereiche gebraucht, aber in Deutschland seien das zwei getrennte Facharztausbildungen. Boland muss es wissen, denn er ist Pathologe – oder wie es offiziell heißt: Facharzt für Pathologie – und arbeitet am Institut für Pathologie am Klinikum Bremen-Mitte.
Das Hauptgeschäft der Rechtsmediziner sie die Obduktion, wenn bei einem Menschen eine unklare Todesursache vorliegt oder wo im Raum steht, dass es einen kriminellen Hintergrund gibt. Also das, was man aus dem Krimi kenne. "Die wesentliche Arbeit für einen Pathologen ist die Organbefundung", erklärt Boland. Er untersuche Gewebe- oder Organproben, die von Tumoren befallen sind oder andere krankhafte Veränderungen aufweisen. So könne er feststellen, wie stark befallen eine Probe sei oder ob ein Tumor gut- oder bösartig ist. "Hauptsächlich geht es bei uns darum, Gewebe zu untersuchen und daran Krankheiten festzustellen. Das finde ich spannend, weil man als Pathologe am Ende derjenige ist, der die Diagnose stellt." Die Ärzte in der Klinik machten zwar Blutbilder und CT-Scans, aber die eigentliche Diagnose stelle der Pathologe.
Das mache für ihn auch die Faszination an seinem Beruf aus, sagt der Pathologe. Er sei zwar ein Einzelkämpfer vor dem Mikroskop und seine Aufgaben seien auch nicht das, was andere sich unter dem Arztberuf vorstellen. Trotzdem sei es interessant, weil er immer wieder Dinge zu sehen bekomme, die er so noch nicht gesehen habe, sagt Boland. "Die Proben sprechen eine eigene Sprache." Bestimmte Tumore hätten eigene Wuchsformen, und doch gebe es immer wieder neue Unterarten. "Das ist ein bisschen wie Detektivarbeit." Seine Ergebnisse gehen auch mit in die Therapiepläne der Ärzte in der Klinik ein. "Als Pathologe ist man ist ein Lotse der Therapie", sagt Boland. Durch seine Befunde könnten Chemotherapien individuell angepasst und auf den jeweiligen Tumor zugeschnitten werden - und nicht nach dem "Gießkannenprinzip", was auch oft gesundes Gewebe schädigt, angewendet werden.
Wenn Menschen hörten, dass Martin Boland als Pathologe arbeitet, reagierten sie meist interessiert und weniger mit Abscheu. "Häufig finden das viele skurril, weil sie die Vorstellung haben, dass ich nur mit Toten zu tun habe, was so ja gar nicht stimmt." In der Pathologie würden zwar auch Sektionen durchgeführt. "Aber die Fragestellung ist dann eine andere", erklärt Boland. Meist gehe darum, den Ärzten in der Klinik zu helfen, wenn ein Patient gestorben ist und die "Kliniker", wie Boland sie nennt, den Krankheitsverlauf nicht richtig nachvollziehen können. Ein andere Fall seien Sektionen in Versicherungsfällen, wenn beispielsweise geklärt werden müsse, ob eine Person an den Folgen einer Berufserkrankung verstorben ist und den Angehörigen eine Hinterbliebenenrente zustehe. "Für solche Fragestellungen machen wir dann Sektionen." Das passiere allerdings nur in einem sehr geringen Umfang. "Wir machen 60 bis 70 Sektionen im Jahr, das sind maximal ein bis zwei in der Woche", erklärt der Mediziner.
Bereits vor seinem Medizinstudium in Düsseldorf stand für Martin Boland fest, dass er Pathologe werden wollte. Nach dem Studium habe er das erste Jahr in der Chirurgie gearbeitet, aber relativ schnell gemerkt, dass das nichts für ihn war. "Pathologie hat mich schon immer interessiert, deswegen habe ich relativ schnell den Switch gemacht." Man müsse auch "hart gesotten" sein für diesen Beruf, weil die Arbeit mit Organ- oder Gewebeproben durchaus auch mit unangenehmen Gerüchen verbunden sei, sagt Boland. Er denke gern in Schemata und mag es, eins nach dem anderen abarbeiten zu können. Deswegen gefällt ihm die Arbeit in der Pathologie. "In der Pathologie gehe es geordneter zu. Das unterscheidet die Arbeit hier von der in der Klinik, wo man tausend Sachen gleichzeitig machen muss."
Während seiner Zeit in der Chirurgie habe er gemerkt, dass es ihn mitnahm, wenn Patienten schlechte Prognosen hatten. "Da finde ich es in der Pathologie angenehmer, weil es anonymisierter und weiter von einem weg ist", sagt Boland. "Man sieht das hier eher von der abstrakten Seite." Seine Untersuchungen seien für ihn abstrakte Fälle, die er abarbeite, auch wenn er dabei immer das Schicksal des Patienten oder der Patientin im Hinterkopf habe. Und trotzdem habe es in der Vergangenheit Fälle gegeben, die ihn nicht losgelassen hätten. Wenn beispielsweise sehr junge Menschen betroffen waren. "Das sind dann Fälle, die man mit nach Hause nimmt und denkt, manche Menschen haben richtig Pech", sagt Boland.
Der 36-jährige Mediziner erzählt ruhig und unaufgeregt von seiner Arbeit und zeigt keine Allüren wie die eines Karl-Friedrich Boerne. Er gibt aber zu, dass sein Fachgebiet auch "extravagante Persönlichkeiten" anziehe. Sich selbst sehe er aber als bodenständig und nicht als ein Exzentriker. Eine kleine Extravaganz offenbart er dann aber doch noch: Auf der Hochzeitstorte für ihn und seine Frau sei ein anatomisch korrektes Herz nachgeformt gewesen, aus dem beim Anschneiden Himbeersirup lief. "Da war ich vielleicht doch ein wenig exzentrisch", sagt Boland und lacht. Seine Frau habe allerdings gewusst, worauf sie sich einlasse, auch weil sich die beiden sich in der Pathologie kennengelernt haben. "Sie hat dort ihre Ausbildung gemacht und ich habe als Assistenzarzt gearbeitet."