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Diskussion über ökologische Folgen Weservertiefung nicht vom Tisch

Es ist ruhig um das Thema geworden. Die nächste Diskussionsrunde zur Weservertiefung steht aber nach Einschätzung von Martin Rode vom BUND Bremen an. Er warnt weiter vor den Folgen des Eingriffs.
18.03.2018, 17:03 Uhr
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Von Georg Jauken

Brake. Es ist ruhig um das Thema geworden. Die Weservertiefung ist damit nach Einschätzung von Martin Rode aber noch nicht vom Tisch. Um daran zu erinnern, hat der Geschäftsführer vom Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) in Bremen nach Brake eingeladen. Thema ist der zweifelhafte Nutzen der seit Jahren geplanten sechsten Weservertiefung für die Seefahrt. So zumindest sehen es die Referenten an diesem Abend in Wiechmanns Weserhotel, der ehemalige Kapitän Elmar Hüttenmeister und frühere Lotse Michael Urlaub.

Elmar Hüttenmeister fuhr viele Jahre lang auf einem Tanker, bis er auf der "Wega II" anheuerte. Das Ausflugsschiff sticht auch heute noch regelmäßig vom Hafen Fedderwardersiel in Butjadingen aus in See. Hüttenmeister ist inzwischen jedoch im Ruhestand. In Brake berichtet er über die Geschichte der menschlichen Eingriffe in den Fluss ab der sogenannten Weserkorrektion (1887 bis 1895) bis in die Gegenwart.

Tidenhub extrem angestiegen

„Ich habe sehr unter den Weservertiefungen gelitten“, erinnert er sich der frühere Kapitän der "Wega II". Denn der Ausbau des Flusses hatte gravierende Folgen. Der Tidenhub der Weser sei extrem angestiegen, ebenso die Strömungsgeschwindigkeit in der Fahrrinne, erklärt Hüttenmeister. Nebenarme, Strände und Bootshäfen seien verschlickt, die salzige Brackwasserzone verschiebe sich flussaufwärts. Das Burhaver Strandbad und Burhaversiel gebe es nicht mehr, beklagt der Referent. „Da ist nichts mehr und dahinter sind die Schlickberge.“ Der BUND nennt den Deichschutz, die Landwirtschaft, Fischerei, Freizeitnutzung und die natürlichen Lebensräume mit ihren charakteristischen Tieren und Pflanzen als Leidtragende der Verschlechterungen.

Ab Bremerhaven seewärts werde die Fahrrinne von Leitdämmen eingezwängt, erklärt Hüttenmeister weiter. „Die Strömung ist so stark geworden, dass Leben nicht mehr möglich ist. Das Watt wird zu einer Sandmasse ohne Leben.“ Dass die Außenweser nun weiter vertieft werden soll, damit Bremerhaven tideunabhängig von Großcontainerschiffen mit einem Abladetiefgang von bis zu 13,5 Meter erreicht werden kann, lehnt Hüttenmeister ab. Der BUND weist darauf hin, dass die weltgrößten Containerschiffe bereits heute regelmäßig Bremerhaven anlaufen.

Aus Sicht des früheren Lotsen Michael Urlaub macht die Vertiefung auch aus einem anderen Grund keinen Sinn. Die Trasse zwischen den Leitdämmen sei so schmal, dass sich große Containerschiffe ab 35 Meter Breite dort nicht begegnen könnten, die größten Schiffe seien aber bis zu 60 Meter breit. Schon heute gebe es Wartezeiten auf der Nordsee. Schiffe müssen wertvolle Zeit ungenutzt auf Reede liegen und auf die Einfahrt in die Weser warten. Eine Vertiefung der Fahrrinne würde daran nichts ändern, weiß Michael Urlaub. Als Seelotse hatte er 27 Jahre lang die großen Schiffe sicher durch die Außenweser geleitet.

Mit einer Klage vor dem Bundesverwaltungsgericht in Leipzig hatte der BUND nach jahrelanger Auseinandersetzung 2016 einen Baustopp erreicht. Die geplante Weservertiefung (Außenweser plus 1,20 Meter, Unterweser bis Brake plus 0,90 Meter und bis Bremen plus 0,60 Meter) sei damit aber noch nicht erledigt. „Der Planfeststellungsbeschluss wurde wegen schwerer rechtlicher Mängel für nicht vollziehbar erklärt“, sagt Martin Rode. „Es darf nicht weiter gebaut werden, aber es wird weiter geplant.“ Mit einem demnächst erwarteten neuen Urteil zur ebenso umstrittenen Elbvertiefung werde auch das Thema Weservertiefung wieder in den Fokus rücken, erwartet Rode. Die Weservertiefung zwischen Brake und Bremen werde wohl nicht weiter verfolgt, doch das Ringen um die Abschnitte von Brake bis Bremerhaven und vor dort bis Mündung gehe weiter.

Auswirkungen auf Natur

Auf jeden Fall müssen die drei Abschnitte als selbstständige Vorhaben behandelt werden, um die nachteiligen Auswirkungen auf Umwelt und Natur, aber auch den Nutzen sachgerecht ermitteln, bewerten und gegeneinander abwägen zu können. Das hatten die Leipziger Richter entschieden. Rode und die Zuhörer, die sich zu Wort melden, gegen davon aus, dass die Wasser- und Schifffahrtsdirektion Nordwest als Planfeststellungsbehörde die Mängel durch ein ergänzendes Verfahren zu beheben versuchen wird.

Ganz ohne neue Öffentlichkeitsbeteiligung, wie ein Zuhörer vermutet, werde es aber wohl nicht gehen, erklärt Rode. Der BUND werde auf jeden Fall achtsam bleiben. Ein Streitpunkt könnte die Auslegung der Wasserrahmenrichtlinie sein, die ein Verschlechterungsverbot und eine Verbesserungspflicht des ökologischen Zustands der europäischen Oberflächengewässer vorsieht. Der Europäische Gerichtshof hatte diesen Vorgaben in einem Grundsatzurteil in Zusammenhang mit der Weservertiefung ein großes Gewicht bescheinigt. Ein Zuhörer befürchtet, die Behörden könnten argumentieren, dass das Verschlechterungsverbot nur für Naturgewässer gelte und die Weser längst keins mehr sei. Wolfgang Meiners von der Kreisgruppe Wesermarsch des BUND kommt die schlechte Wasserqualität in der öffentlichen Wahrnehmung viel zu kurz. In Zukunft werde die Kreisgruppe stärker darauf aufmerksam machen.

Und doch. Trotz aller bisherigen Eingriffe sind die artenreichen Lebensräume aus Nebenarmen der Unterweser, Inseln, ausgedehnten Überschwemmungsgebieten sowie einem breiten Trichter ins Meer erhalten geblieben. Das von der EU verordnete Naturschutzprojekt Tideweser soll dafür sorgen, dass das auch so bleibt. Die Weservertiefung werde dadurch nicht verhindert, aber schwieriger, vermutet Rode.

Und dann geht es noch um den Hafen Brake. Die Vertiefung der Unterweser bis dahin verfolge einzig den Zweck, dass Massengutfrachter etwas mehr beladen werden als bislang, kritisieren der BUND und Referent Hüttenmeister. Die Fracht bestehe großteils aus genmanipuliertem Soja für die Massentierhaltung, die sie ablehnen.

Auch der frühere Lotse Michael Urlaub hält den Nutzen für gering. Er hat sich die Liste der 2017 in Brake eingelaufenen Schiffe angesehen. Im Zeitraum von zwei Monaten habe er darin die Namen von lediglich vier Frachtern entdeckt, die wegen ihres Tiefgangs die Tide abwarten mussten. Ein Problem sieht er darin nicht. Denn mit jeder Tide sei der Braker Hafen abhängig vom Tiefgang zwischen 7,5 und etwa zwölf Stunden erreichbar. Ein Meter mehr Tiefgang würde einem Frachter außerdem lediglich die Aufnahme von 7000 bis 9000 Tonnen zusätzlich ermöglichen. Das sei so wenig, dass sich die Anzahl der Fahrten kaum verringern werde.

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