Als Angehöriger einer Generation, die vom Versprechen blühender Landschaften enttäuscht wurde, habe ich mich diese Woche sehr an einem kleinen Geschenk erfreut: Die Kollegin M. als Raumteilerin hatte mir ein Tütchen Blumensamen auf die Tastatur gelegt. Ein Gruß der City Initiative mit der verheißungsvollen Botschaft: Bremen City blüht auf! Die Mischung aus Sonnenblumen, Wild- und Ringelblumen, Vergissmeinnicht, Kresse, Tagetes und weiteren Sorten (so der Packungsaufdruck) bringe ich sodann gerne im heimischen Garten aus, auch wenn der gewiss nicht mehr zur Bremer City zählt. Aber um kleinliche Fragen der Geopolitik geht es in der Sache ja nicht. Sondern um das viel größere Thema Biodiversität. Und da ist eine Menge zu tun.
Das hat uns etwa der Naturschutzbund Deutschland, kurz Nabu, diese Woche nochmals in aller Dringlichkeit ans Herz gelegt. Nämlich im Zusammenhang mit dem Ergebnis seiner Vogelzählung 2025. Demnach wurden jüngst in Bremen durchschnittlich 23,6 Tiere pro Garten erfasst – und damit deutlich weniger als im Jahr zuvor. Amsel, Drossel, Fink und Star mangelt es laut Analyse unter anderem an Nistplätzen. Worüber man sich vielleicht einen kurzen Moment lang wundern mag. Bis der Blick auf den Doppelstabmattenzaun des Nachbarn fällt, in den tristgraue Bahnen aus garantiert unverrottbarem PVC eingeflochten sind.
Dieses gleichermaßen sichtschützende wie lebensfeindliche Konstrukt zählt inzwischen nicht nur in Neubaugebieten zum beliebten Standard, sondern ersetzt zunehmend auch in Gebieten mit Altbebauung die klassische Hecke. Tja, und dann kommt eben nichts mehr von nichts. Merke: Wer Plastik pflanzt, wird niemals Grün ernten. Und Vögel werden dort auch nicht zwitschern. Weshalb sollten sie auch?
Und doch bietet Bremen eine ganze Menge Lebensraum für Vögel, wenn auch nicht immer im streng zoologischen Sinne. Denn schon bei der Nummer mit den geplätteten SUV in Schwachhausen in der Vorwoche hatte ich den leisen Verdacht, dass es sich bei den Handelnden des sogenannten Widerstandskollektivs um recht schräge Vögel handeln könnte. Die Nachrichten dieser Woche haben mich dann final darin bestärkt. Nächtens mit weißer Wandfarbe eine Radfahrzone auf die Hemmstraße pinseln? Das ist irgendwie schon originell, zumal die Aktion am Ende hervorragend zur promillehaltigen Fahrradmobilität am nahenden Himmelfahrtstag passte. Wobei ich annehme, dass es eher nicht die Absicht war, dieser Klientel den nötigen Verkehrsraum zu verschaffen.
Wie auch immer: Liebe Widerständler, einfach so Sachen auf die Straße malen, das geht aber irgendwie auch nicht. Fragt doch mal bei den Anwohnern der Andreestraße mit ihrem Konzept zum aufgesetzten Parken in Findorff nach. Und bis da mal eine Lösung gefunden ist, blüht bestimmt längst jene Mischung aus Sonnenblumen, Wild- und Ringelblumen, Vergissmeinnicht, Kresse, Tagetes und weiteren Sorten, die ich diese Woche zur Aussaat bekommen habe. In meinem plastikzaunlosen Garten.
Tagebucheintrag: Die vielen Katzen der Nachbarschaft! Die müssen verantwortlich dafür sein, dass sich die Vögel 2025 in meinem Garten bisher so rargemacht haben.