Jedes Jahr kommen in Bremen rund 600 Kinder in die Schule, die noch nie in einer Kita waren. Ein großer Teil dieser Kinder dürfte einen hohen Sprachförderbedarf haben. Das sagt die grüne Bildungspolitikerin Solveig Eschen, die sich schon länger für eine bessere Sprachförderung einsetzt. Jetzt ist ihr zufolge in Bremen ein Plan in Arbeit, um Kinder ohne Kita-Erfahrung besser zu fördern.
Wie viele Kinder Sprachprobleme haben
2020 wurde jedem zweiten Kind in Bremen Sprachförderbedarf bescheinigt. Insbesondere im Bremer Westen ballen sich die Sprachprobleme, heißt es im aktuellen Armutsbericht der Sozialsenatorin. Im Ohlenhof (74 Prozent) und in Grohn (73 Prozent) ergaben Sprachtests, dass fast drei Viertel der Kinder Sprachförderbedarf hatten. Seit 2012 ist der Anteil der Kinder mit Sprachschwierigkeiten in der Stadt stetig gestiegen. In Bremen sind alle Kinder verpflichtet, ein Jahr vor ihrer Einschulung an einem Sprachtest namens Primo teilzunehmen. Dabei sollen sie zum Beispiel zeigen, ob sie Begriffe wie "vorher / nachher" richtig anwenden und ob sie den Unterschied zwischen ähnlich klingenden Wörtern wie "Nadel" und "Nudel" hören.
Wo es bisher hakt
Bislang machen Kinder im Herbst einen Sprachtest, wenn sie im Sommer des Folgejahres in die erste Klasse kommen. Viel zu spät, sagen Expertinnen wie die Pädagogik-Professorin Anja Starke von der Universität Bremen. Eine Sprachentwicklungsstörung könne man schon bei zwei- oder dreijährigen Kindern sehen. Kinder, die nicht in die Kita gehen, müssen bislang in Bremen etwa ein halbes Jahr lang verpflichtend vier Stunden pro Woche eine Art Sprachförderkurs besuchen. Das sei zu wenig, kritisiert Solveig Eschen. Klar ist aus Sicht von Fachleuten auch: Wenn ein Kind in die Kita geht, ist das gut für den Spracherwerb. In Bremen fehlten zuletzt aber mehr als 1000 Kita-Plätze.
Was sich jetzt ändern soll
Eingeführt werden soll Solveig Eschen zufolge ein Kita-Brückenjahr für Kinder, die noch nie in der Kita waren und die Sprachprobleme haben. Das heißt, diese Kinder sollen das letzte Jahr vor der Einschulung verpflichtend in eine normale Kita-Gruppe gehen, in der die Erzieherinnen durch eine Sprachförderkraft Verstärkung bekommen. Die Kinder sollen also ein Kita-Jahr lang von Montag bis Freitag täglich mit anderen Kindern und Erwachsenen sprechen und lernen.
Frühere Sprachtests geplant
Damit eine längere Förderung möglich ist, müssen die Sprachtests früher gemacht werden. Und das ist nun auch geplant: Für Kinder, die bislang noch keine Kita besuchen, werde der Primo-Test im kommenden Jahr vorgezogen und solle vom 17. bis 28. Januar durchgeführt werden. Das ist auf der Webseite der Bildungssenatorin zu lesen. Derzeit werden von der Behörde noch Personen gesucht, die diese Sprachtests durchführen. Eltern, die auf Einladungen für ihr Kind zum Sprachtest nicht reagieren, sollen Eschen zufolge zuhause von weitergebildeten Studierenden Besuch bekommen. Die Studierenden sollen dann die Eltern möglichst überzeugen, dass ihr Kind an dem Test teilnimmt.
Was die Behörde dazu sagt
Im Bildungsressort will man diese Pläne noch nicht näher kommentieren. "Die beste Sprachförderung ist, mit anderen Kindern Zeit zu verbringen und zu sprechen", sagt Behördensprecherin Maike Wiedwald. Derzeit werde im Ressort mit Hochdruck an einem Paket zur optimalen Unterstützung der Kinder gearbeitet. Anfang kommenden Jahres will das Ressort ein konkretes Konzept vorlegen. Für die verbesserte Sprachförderung sind im Rahmen der Haushaltsbeschlüsse 2,3 Millionen Euro eingeplant. Dass Kinder ohne Kita-Erfahrung früher Sprachtests machen und zumindest ein Jahr lang vor der Einschulung eine Kita besuchen, sei ein erster Schritt, sagt Solveig Eschen: "Für mich ist das ein Anfang, von dem aus wir weitermachen müssen."
Wozu Sprachprobleme führen
Experten sagen: Je früher man fördert, desto besser. Ein Lesetraining in der siebten Klasse komme viel zu spät, man müsse in der Kita-Zeit ansetzen, wenn man verhindern wolle, dass Kinder später Probleme in der Schule haben. Die Schere geht schon sehr früh sehr weit auf, sagt zum Beispiel Pädagogik-Expertin Anja Starke: Einige Kinder können schon lesen, wenn sie in die Schule kommen. Andere brauchen erst mal ein ganzes Jahr, bis sie in der Schule ankommen und sich auf den Lernstoff konzentrieren können. Zuletzt zeigte die Testreihe Vera 8, dass mehr als jeder zweite Achtklässler in Bremen nicht die Mindeststandards in Mathematik bewältigen kann.