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Die Kinderfrage Wie Bremerinnen und Bremer ihre Familie planen

Zwei Männer und zwei Kinder, alleinerziehend oder ein Leben ohne Nachwuchs – sieben Bremerinnen und Bremer erzählen, wie ihre Familien aussehen und was sie sich für ihre Zukunft wünschen.
26.06.2021, 09:33 Uhr
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Von Lisa Urlbauer Patricia Friedek

Familien werden diverser, die Vorstellungen davon auch. Kinder, ja oder nein? Mit Partnerin oder Partner, oder lieber ganz alleine? Bremerinnen und Bremer berichten von ihren Plänen und davon, wie es wirklich gekommen ist. Sie zeigen, dass sich Familie nicht immer planen lässt.

Fenna Pust, 32, will keine Kinder

Ich habe schon sehr früh für mich entschieden, dass ich keine Kinder haben möchte. Ich mag Kinder total gerne und habe selbst mal im Kindergarten gearbeitet, aber ich habe kein Bedürfnis, selbst welche zu bekommen. Mein Traum wäre es, wenn meine Brüder Kinder bekommen würden und ich mich als Tante ab und zu um sie kümmern könnte. Ich möchte mein Leben nicht komplett nach Kindern ausrichten und will die Verantwortung nicht tragen, auch wenn ich weiß, dass sie nicht unbedingt das Leben komplett verändern müssen.

Der Beruf, in dem ich arbeite, gibt es definitiv her, ihn mit Kindern zu vereinen, das wäre also kein Grund für mich. In Partnerschaften war der Kinderwunsch häufig Thema, und ich hatte schon Partner, die gerne ein Kind haben wollten – das war für mich auch ein Problem und beim Dating zum Beispiel auch eher ein Ausschlusskriterium. Jetzt habe ich einen Partner, der Kinder hat, das stellt auch kein Problem für mich dar. Nur, dass ich eben selbst nicht schwanger werden möchte und auch kein Kind großziehen will. Wenn ich versehentlich schwanger werden würde, kann ich dennoch nicht sagen, ob ich das Kind bekommen würde – ich denke, das kann man erst beurteilen, falls es passiert. In meinem Alter ist das Kinderkriegen häufig ein Thema, aber eigentlich kommen fast nie kritische Nachfragen. Die Ansichten in meinem Freundeskreis sind ganz unterschiedlich. Es gibt auch Freunde, die wollen wegen des Klimawandels oder Kriegen keine Kinder in die Welt setzen. Das hat meine Meinung allerdings nie beeinflusst.

Gunnar Held, 47, hat mit seinem Mann zwei Kinder adoptiert

Mein Mann und ich haben zwei Adoptivkinder. Der Große ist sechs und die Kleine ist zwei. Ich habe mir immer Kinder gewünscht und war ein Stück enttäuscht und traurig, als mit meinem Coming-out klar wurde, dass es mindestens schwierig wird. Ende der 90er-Jahre war das noch unmöglich. Mein Mann und ich hatten uns eigentlich von dem Kinderwunsch verabschiedet. Ich bin dann darauf aufmerksam geworden, dass Adoption für gleichgeschlechtliche Paare in Bremen möglich ist. Damit tauchte dieser Wunsch bei mir wieder auf. Mein Mann hatte sich vom Thema schon so weit verabschiedet, dass wir einen Moment Zeit brauchten, um zu überlegen, ob das mein Wunsch ist oder unser beider. Aber dann haben wir entschieden: Es ist unser Wunsch, und so haben uns auf den Weg zur Adoption gemacht.

Im Großen und Ganzen haben wir als Familie nur positive Erfahrungen gemacht. Ich weiß aber, dass der Große im Kindergarten schon gefragt wird, warum er zwei Papas hat und wo seine Mama ist. Im Kindergarten ist das aber noch harmloser als auf dem Schulhof, da müssen wir uns nichts vormachen. Unsere Aufgabe ist, ihm so viel Selbstverständlichkeit und Selbstbewusstsein mitzugeben, dass er damit gut umgehen kann.

Chi Thanh Phan, 26, will auf jeden Fall Kinder

Ich würde gerne später eine Familie mit Kindern haben. Ich bin kein Fan von Ehe oder Hochzeit, es ist mir nicht wichtig, zu heiraten. Mit meiner jetzigen Partnerin habe ich das Glück, dass wir beide von dem traditionellen Konzept abrücken wollen, bei dem der Mann für die Familie Sorgen muss und die Frau zu Hause für die Kinder sorgt. Wir möchten beide Kinder, und wir würden es auch nicht ausschließen zu adoptieren. Ich würde meiner Partnerin die Wahl lassen, wer als Erstes und wie lange in Elternzeit geht und hätte auch kein Problem damit, alleine die Sorgearbeit zu Hause zu übernehmen.

Alleine ein Kind zu adoptieren kann ich mir jedoch nicht vorstellen – aber wenn es sich so ergeben würde, dass meine Partnerin und ich getrennt leben, wäre es auch kein Problem für mich, alleinerziehend zu sein. Dadurch, dass sowohl meine Partnerin als auch ich vietnamesische Wurzeln haben, würden wir beide gerne Tradition an unsere Kinder weitergeben – allerdings würden wir es ihnen nicht aufzwingen wollen. In meiner Familie war es so, dass vor allem meine Mutter an der Erziehung beteiligt war, mein Vater weniger. Ich finde es wichtig, dass ein Kind beide Seiten kennenlernt, das würde ich bei meinem Kind deshalb anders machen.

Marika Nagy, 23, wurde mit 19 ungeplant schwanger

Ich bin mit 19 ungeplant schwanger geworden und habe mit 20 meinen kleinen Sohn bekommen, den ich bis heute allein erziehe. Vorher habe ich mir natürlich immer vorgestellt, ein Kind mit einem Partner gemeinsam großzuziehen. Dennoch war es für mich ideal, jung Mutter zu werden, weil ich ein großer Freund davon bin, Kinder schnell groß zu bekommen. Natürlich hatte ich auch Ängste, als ich so jung schwanger wurde: Ob ich das überhaupt alleine schaffe, ob ich es schaffe, neben dem geplanten Studium ein Kind großzuziehen.

Es erfordert enorm viel Koordination: Zum Glück kann ich den Vater des Kindes viel involvieren oder bekomme Unterstützung von meinen Eltern. Nichtsdestotrotz muss ich mein Leben um das Kind herum bauen und habe aktuell so gut wie keine Zeit für mich selbst, da ich als Model arbeite und im Oktober mein Studium beginnen will. Auch wenn es viele Hilfsangebote in Bremen gibt, merke ich in der Praxis, dass es nicht gut funktioniert. Ich habe zum Beispiel ganz lange keinen Krippenplatz für meinen Sohn bekommen und habe jetzt auch einen Kita-Platz von acht bis 14 Uhr – das wird sich auch nicht immer mit meinem Studium vereinbaren lassen. Ich merke gerade durch die Pandemie, dass ich völlig überlastet bin und leide inzwischen an einem Eltern-Burnout. Nichtsdestotrotz möchte ich sehr gerne irgendwann ein zweites Kind bekommen – am liebsten würde ich das aber dann mit einem Partner zusammen großziehen.

Andreas Hamburg, 48, hat mit seiner Frau sechs Kinder

Meine Frau und ich haben insgesamt sechs gemeinsame Kinder, drei Mädchen und drei Jungs. Der Kleinste ist vier Jahre alt, die Älteste 18. Ich bin selbst Einzelkind und als Jugendlicher hätte ich mir maximal zwei Kinder vorstellen können. Meine Frau ist der Motor gewesen. Mit dem vierten Kind dachten wir, dass es das jetzt gewesen ist. Aber meine Frau sagte, dass sie noch Kapazitäten und Lust hätte, so kam es zum fünften Kind. Unser sechstes Kind hat uns etwas überraschend getroffen, aber er macht uns viel Freude und ist ein kleiner Sonnenschein. Die Größe unserer Familie ist weit über dem deutschen Durchschnitt anzusiedeln. Für mich ist es nach wie vor ungewohnt. Wenn ich vor dem Spiegel stehe und denke, "Junge, hast du wirklich sechs Kinder?", dann muss ich mich auch wach rütteln, um die Frage mit Ja zu beantworten. Damit habe ich nie gerechnet, und ich weiß bis heute nicht, wie mir das widerfahren konnte. Es ist schon ungewöhnlich, wenn wir zum Beispiel essen gehen mit so einer großen Familie. Manchmal merken wir an bewundernd-mitleidigen Blicken, dass wir aus der Reihe tanzen.

Ich habe das Gefühl, heute sind Kinder nur noch eine Beigabe im Leben. Sie zu haben wäre nicht schlecht, weil es sich eben so gehört. Dass man sich auf die Kinder so einlässt, wie es ihnen gebührt, das vermisse ich - manchmal sogar bei mir. Vielleicht können Kinder wieder zum Lebenskonzept gehören, wenn wir den Mut und die Freude haben, uns auf sie einzulassen und das Kind in uns selbst entdecken. Meiner Frau gelingt das definitiv besser als mir.

Anorth Ramalingam, 24, plant seine Familie nach tamilischer Tradition

Ich möchte spätestens mit 33 Jahren verheiratet sein. Ideal stelle ich mir die ersten ein oder zwei Jahre in der Ehe noch ohne Kinder vor, und würde am liebsten danach das erste Kind erwarten. Aktuell studiere ich noch BWL und würde schon gerne erstmal weiterarbeiten, wenn ein Kind da ist – allerdings auch nur, wenn meine Partnerin das auch so will und zu Hause beim Kind bleiben möchte. Ich habe tamilische Wurzeln und in unserer Kultur ist es schon erwünscht, dass man nach dem Studium bestenfalls erst einmal arbeitet und dann heiratet. Wenn das Kind mit 27 Jahren noch single sein sollte, würden die Eltern anfangen, Ausschau nach einem potenziellen Partner oder einer Partnerin zu halten.

Das hört sich krasser an als es ist – das heißt nicht, dass man zu etwas gezwungen wird. Bei meinen Eltern ist es so, dass sie auf keinen Fall gegen die Liebe sind, da sind sie ganz offen. Sollte ich aber noch single sein, wenn es so weit ist, würden sie schon ihre Fühler ausstrecken und sich umhören und versuchen, einen Kontakt herzustellen. Das wäre für mich auch total in Ordnung, aber ich wünsche mir eher, dass ich selber jemanden kennenlerne. Meine Mutter würde schon wollen, dass ich auch eine tamilische Freundin habe, meinem Vater ist das nicht so wichtig. Auch ich lege mich dahingehend noch nicht fest. Mir ist es auf jeden Fall wichtig, dass ich mich in eine Person wirklich verliebe – erst dann würde ich aufs Ganze gehen. Ich würde es nicht nur wegen der Vorstellung machen.

Kerstin Lucht, 45, hat vier Kinder

Ich bin selbst mit zwei Geschwistern aufgewachsen, und drei Kinder waren immer meine Mindestzahl. Dann sind es aber vier geworden, drei Mädchen und ein Junge. Sie sind sechs, sieben, zwölf und 14 Jahre alt. Im Alltag zu Hause merken wir, dass wir von allem etwas mehr haben: mehr Wäsche, mehr Lebensmittel, mehr Veranstaltungen.

Auffällig ist es zum Beispiel auch in einigen Schwimmbädern, wenn wir keine Familienkarte kaufen können, weil es nicht reicht. Eine Familie sind zwei Erwachsene und zwei Kinder, Punkt. Wir müssen dann immer noch zwei Kinderkarten extra kaufen. Aber es ist nicht überall so. Im Universum, zum Beispiel, ist es egal, wie viele Kinder man hat. Aber, ja, manchmal empfinde ich das schon als Nachteil. Ich finde, die Idee einer Familie wird häufig zu starr gesehen. Eine Familie ist eine Familie – egal, ob sie ein Kind oder drei Kinder hat. 

Mein Mann arbeitet Vollzeit und ich etwas mehr als Teilzeit. Wir haben einen Vollzeitkindergartenplatz bis um halb vier und für den Grundschüler noch einen Hortplatz. Die beiden anderen sind in der weiterführenden Schule, da brauchen wir das nicht mehr. Ohne diese Ganztagsplätze wäre es total schwierig zu schaffen, das haben wir während Corona gemerkt. Als das alles nicht funktioniert hat, war das hier zu Hause schon sehr wuselig. Ich war immer ein Jahr nach der Geburt meiner Kinder in Elternzeit und habe dann wieder angefangen zu arbeiten. Ohne Job zu sein, das wäre nichts für mich. Für jeden, der damit glücklich ist, finde ich das total okay - aber für mich war immer klar, dass ich arbeiten möchte. 

Das komplette Dossier zum Thema finden Sie unter https://www.weser-kurier.de/thema/die-k-frage/

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