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Das Weser-Strand-Porträt Kreativ bis in die Haarspitzen

Wenn die gelernte Mediengestalterin Saskia Behrens Pläne schmiedet, geht es nicht nur um die Ästhetik. Die Bremerin versteht es, ihren Ideen eine soziale Komponente zu verleihen.
08.08.2021, 05:00 Uhr
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Kreativ bis in die Haarspitzen
Von Lisa Urlbauer

Saskia Behrens ist eine Macherin. Ob Siebdruck, Kleidung oder Schlüsselanhänger, eine Werkstatt in der Neustadt oder ein Pop-up-Laden in Delmenhorst – sie ist eine Kreative. Und das strahlt sie auch aus, beispielsweise mit ihrer Kleidung. Behrens ist gelernte Mediengestalterin und seit 2004 selbstständig. Die 39-Jährige kreiert Produkte, schmiedet Gemeinschaften. Dabei geht es in ihren Projekten um weit mehr als nur Ästhetik: "Ich will einen Mehrwert mit meinen Ideen schaffen." 

Ihr künstlerisches Zuhause hat sich Saskia Behrens in einem Hinterhof in der Kornstraße eingerichtet. Im kommenden Jahr feiert "Kalle", kurz für "Kreative Halle", zehnjähriges Bestehen. Dort hat Saskia Behrens zum Beispiel schon College-Jacken entworfen, deren Erlöse an das SOS-Kinderdorf geflossen sind, und Schlüsselanhänger für die Teilnehmerinnen und Teilnehmer des Bundesfreiwilligendienstes produziert.

Immer wieder öffnet sie ihre Türen auch für andere Künstler und Kreative, macht Platz für Benefiz-Veranstaltungen und Konzerte. Seit fast vier Jahren ist sie als Coach für die Kultur- und Kreativpiloten tätig, die jedes Jahr von der Bundesregierung ausgezeichnet werden.

Behrens ist eine Netzwerkerin. Das bringt sie auch in ihr neustes Projekt ein: Seit Kurzem ist die Bremerin in der Überseestadt unterwegs, wo sie das Gewerbekonzept für den Europahafenkopf entwickelt. Dabei gehe es nicht nur darum, die einzelnen Ladenflächen zu füllen. Ziel sei es, Verbindungen zwischen den Mietern zu schaffen. "Ich bin eine Art Quartiersmanagerin."   

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Wie man einen Ort mit Ideen bereichert, hat Saskia Behrens bereits Ende 2018 in Delmenhorst bewiesen. Ein Ort mit einem "Scheißimage", wie Behrens sagt, der gerne abfällig belächelt wird. Das hat die Bremerin, die vor den Toren der Hansestadt aufgewachsen ist, aber nicht von ihren Plänen abgehalten. Im Gegenteil: "Wir haben das Raumschiff eines modernen Konzept-Stores in der Stadt gelandet und gezeigt, was geht."

Drei Monate existierte das Pop-up-Geschäft mit Café in der Stadt – dort, wo einige Monate zuvor ein Herrenausstatter seine Türen schloss. Ein Laden, wie man ihn in Bremen oder Hamburg erwartet – aber nicht unbedingt in Delmenhorst. Den Besucherinnen und Besuchern habe es gefallen. Gewundert hat es Behrens nicht. "Du legst ja am Ortsschild Delmenhorst nicht deinen Anspruch ab."

An ihrem kleinen Finger trägt Behrens zwei Ringe. Der eine ist rosa, der andere hellblau. Sie sind aus Porzellan, erklärt sie. "Jetzt gerade sind sie schön." Doch eine falsche Bewegung und sie gehen kaputt. Bruchware nennt sie den Schmuck. Die Ringe, sie sind eine tägliche Erinnerung an Behrens eigene Zerbrechlichkeit. Die Bremerin leidet an Depressionen. 2008 hatte sie ihre erste Episode. 

"Du? Depressionen? Das kann ich mir gar nicht vorstellen." Das hat Behrens nicht nur einmal gehört. "Dabei hat das nichts mit dem Charakter zu tun. Das ist ein Klischee." Mut zu haben ist ein wichtiges Thema für sie, sagt Saskia Behrens, den Mut, bekannte Pfade zu verlassen und neue Wege einzuschlagen. Die Möglichkeit zu scheitern, hält sie nicht davon ab, es zumindest zu probieren.

"Angst ist keine Option", sagt Behrens. Das sei ihr Leitmotiv. Statt vor neuen Herausforderungen zurückzuschrecken, suche sie lieber nach Gründen, die für den Erfolg sprechen könnten. Außer im klinischen Sinne. "Da gehört Angst behandelt", sagt die Bremerin. Ihr Leben sei ein steter Balanceakt, zwischen neuen Ideen und Rücksicht auf die mentale Gesundheit. 

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Während ihrer depressiven Phasen neige sie dazu, sich all ihre Fähigkeiten abzusprechen: "Ich bin nichts, ich kann nichts". Eine Einstellung, die ganz und gar im Gegensatz zu ihrem Gestaltungswillen stehe, erzählt sie. Doch Behrens hat Strategien gefunden, mit ihrer depressiven Störung umzugehen, hat sich ihr eigenes Sicherheitsnetz geschaffen. "Es wird immer ein Teil meines Lebens sein", sagt sie. Bis zum bitteren Ende durchzuhalten, das funktioniere nicht. "Wenn mein Körper Diabetes entwickelt, diskutiere ich auch nicht mit ihm darüber, Insulin zu produzieren."

Heute setzt sie auf Therapie und Medikamente, auch darauf, offen über ihre Krankheit zu sprechen, auch in den sozialen Medien. Auf Instagram zeigt sie ihre neusten Bruchstücke, die zerbrechlichen Ringe. Dass sie zur Therapie geht, erzählt sie, wie andere von ihrer Yogastunde. "Je mehr das machen, desto leichter wird es für andere." 

Saskia Behrens größte Herausforderung: Grenzen ziehen. "Ich mache viel von dem, was ich beruflich tue, auch privat", sagt sie. "Wenn du nie arbeitest, hast du auch nie Freizeit." Einen Ausgleich findet sie auf der Parzelle, die sie mit ihrem Partner und einer befreundeten Familie gekauft hat. Ein Häuschen aus den 1950er-Jahren, auf einem verwilderten Grundstück zwischen Weser und Werdersee.

"Ich bin Team Haus, die anderen sind Team Garten", erzählt sie. Während der Rest bei gutem Wetter die Beete umgräbt, zieht Behrens sich am liebsten bei Sturm ins Haus zurück, alleine. Von Grund auf renoviert sie das Haus. "Es ist schön, mit den eigenen Händen zu arbeiten." Saskia Behrens ist eben eine Kreative – im Beruf wie im Privaten.

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