Als Werder-Fan wurde ich geboren. Man kann nicht sagen, dass ich mir das ausgesucht hätte. Meine Eltern kommen aus dem Viertel und der Neustadt: für sie als Bremer war Werder immer ein Teil ihres Lebens – und so auch für mich. Zum Fußball-Fan, könnte man sagen, wurde ich aber erst mit meinem ersten Besuch im Weserstadion.
Ich war etwa zehn Jahre alt. Damals spielte Micoud noch bei Werder. Es lief gut für die Mannschaft. Mein Vater hatte eine Dauerkarte in der Nordgeraden. Als er mich fragte, ob ich mal mitkommen möchte, freute ich mich. Ich glaube, bis zu diesem Zeitpunkt hatte ich bisher kein Fußballspiel ganz gesehen.
Meine Erinnerung an diesen Tag beginnt in einer Fußballkneipe, mit Currywurst und Cola, mit Wimpeln und Schals an jedem Zentimeter der Wände. Beim Stadion kaufte mir mein Vater dann meinen ersten eigenen Werderschal mit Cappy. Zuhause hatte er mich bereits mit einer grün-weiß-gehäkelten Tasche ausgestattet, die meine Oma für ihn gemacht, als er ein Teenager war. Wir mussten sie vom Dachboden holen. Ich fand sie toll.
Ich weiß noch, dass mir auffiel, wie gut gelaunt an diesem Tag alle waren. Die Erwachsenen duzten sich, mein Vater verteilte Handschläge und Schulterklopfer an Menschen, die ich noch nie zuvor gesehen hatte. An den Farben grün und weiß (und damals auch orange) erkannte ich, wer zu uns gehörte. Nie waren mir so viele fremde Menschen so vertraut gewesen.
Den Wechselgesang muss man live erlebt haben
Ich fand es aufregend, durch die Katakomben des Stadions zu laufen. Als wir die Treppe runter zu den Sitzplätzen gingen, war die Ostkurve bereits mit Menschen und Fahnen gefüllt, wenige Minuten später betraten die Spieler zum Aufwärmen den Platz. Ich hatte meine erste eigene Digitalkamera dabei und filmte alles, weil ich es zu Hause meiner Mutter zeigen wollte. Später war ich enttäuscht, wie wenig von all dem die Kamera im Stande war einzufangen. Vor allem den Wechselgesang, wenn die eine Seite des Stadions "Werder!" und die andere "Bremen!" ruft, muss man live erlebt haben. Fand ich schon damals. Bis heute geht mir das in Mark und Bein – auf positive Weise.
Rückblickend auf diesen Tag würde ich heute sagen: Der Moment, in dem ich endgültig zum Fußballfan wurde, war, als Werder das erste Tor schoss. Das ganze Stadion sprang auf, Menschen umarmten sich, Adrenalin und überschwängliche Freude wie auf Knopfdruck. Im echten Leben sind diese Momente rar, im Weserstadion waren sie es damals nicht. Seit diesem Moment waren meine Augen auf den Ball geheftet, in der Hoffnung, dass er wieder im gegnerischen Tor landen würde. Werder hat an diesem Tag gewonnen, gegen wen, weiß ich nicht mehr.

Kim Torster ist Volontärin beim WESER-KURIER.
Bis heute gehe ich gerne und regelmäßig ins Weserstadion. Wie jede Mannschaft, braucht Werder seine Fans. Bevor ich nach Bremen zurückkam, habe ich in anderen Städten gelebt. Mein Eindruck war: Nirgends ist die eigene Fußballmannschaft so präsent wie hier, nirgendwo hat sie die Menschen so sehr verbunden. An einem Nachmittag vor ein paar Jahren blieb ich einmal vor einem Kneipenschaufenster stehen, um auf dem Fernseher in der Kneipe den Spielstand zu sehen. Es regnete. Und trotzdem gesellten sich ein paar andere Vorübergehende zu mir: eine ältere Frau auf einem Fahrrad, ein Mann um die 50. Sofort kamen wir ins Gespräch; jeder in Bremen hat etwas zu Werder zu sagen.
Fußball fehlt mir, aber vor allem fehlen mir die Stadionbesuche. Geisterspiele sind das Gegenteil von dem, was Fußball für mich ausmacht. Bei Geisterspielen geht es nicht mehr um die Fans – aber was wäre die Bundesliga denn noch ohne ihre Fans?
Ich glaube, Werder wird es in leeren Stadien schwer haben. Vielleicht noch schwerer als andere. Die Fans waren immer eine wichtige Unterstützung für Werder. Der erste Stadionbesuch nach Corona wird für mich das Zeichen dafür sein, dass das Schlimmste überstanden ist. Ich freue mich darauf. Egal, in welcher Liga Werder dann spielt.
Zur Person
Kim Torster (27) ist Volontärin beim WESER-KURIER, gebürtige Bremerin. Bevor sie vor zwei Jahren wieder nach Bremen zog, hat sie unter anderem in Hamburg gelebt. Sie sagt, nirgends habe sie so viel Fan-Layolität erlebt wie in Bremen.