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Bremen-Walle „Wir sind keine Demokratiefeinde“

Rainer Weber hat das Aktionsbündnis gegen ein mögliches AfD-Büro im Stadtteil mitgegründet.
23.06.2018, 06:06 Uhr
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„Wir sind keine Demokratiefeinde“
Von Anne Gerling

Wie kam es zur Gründung des „Waller Aktionsbündnisses AfD Büro? Nirgendwo!“ und wer steht dahinter?

Rainer Weber: Nachdem Buten un binnen im April über das geplante AfD-Wahlkreisbüro in Walle berichtet hatte, hatten wir die Befürchtung, dass hier ein rechtsextremes Organisationszentrum entstehen soll. Wir haben uns daraufhin mit mehreren Anwohnern getroffen und überlegt, was man tun sollte. Dabei entstand die Idee, beim Stadtteilfest auf einem Auto-Werbeanhänger Unterschriften gegen das Büro zu sammeln. Im Wesentlichen wird die Initiative von den Wallern getragen, die um das Büro herum wohnen.

Weshalb sind Sie gegen ein AfD-Wahlkreisbüro in Walle – und auch anderswo?

Unsere Nachbarn haben ihre Wurzeln in Dänemark, Marokko oder der Türkei. Wir legen hier sehr viel Wert auf gegenseitige Akzeptanz und darauf, dass es harmonisch zugeht. Wir haben Angst, dass die AfD versucht, Streit und Zwietracht zu säen. Herr Magnitz stellt hier Personen der Identitären Bewegung ein, die eine rechtsextreme und gewaltbereite Bewegung ist. Es gibt Hinweise darauf, dass dort offenbar auch andere Extremisten willkommen sind und dass Herr Magnitz hier mit Steuergeldern des Bundes einen rechtsextremen Treff- beziehungsweise Koordinierungspunkt einrichten will.

Wie haben Sie die Reaktionen auf Ihre Aktion erlebt?

Das Feedback war sehr positiv. Zum Teil standen Menschen Schlange, um mit ihrer Unterschrift gegen das AfD-Büro Position zu beziehen – zeitweise gingen uns die Stifte aus. Unter den Leuten, die unterschreiben wollten, waren viele Menschen mit Migrationshintergrund. Was manche von uns besonders bewegt hat: Es kamen immer wieder Menschen jenseits der 70, die direkt ohne große Kommentare unterschrieben haben. Einer von ihnen sagte: Wir finden gut, was Ihr hier macht. Wir haben die Zeit damals miterlebt, so etwas soll es nicht wieder geben.

Gab es auch Kritik an der Aktion?

Ja, vereinzelt gab es auch kritische Stimmen. Das war aber nur ein verschwindend geringer Bruchteil. Wir hatten über 90 Prozent positives Feedback.

Die AfD wirft Ihrem Bündnis antidemokratisches Verhalten vor. Können Sie diesen Vorwurf nachvollziehen?

Nein. Wir sind keine Demokratiefeinde und wollen auch kein Büro verbieten. Es geht uns nur um die Hetze. Herr Magnitz, der im Übrigen zum ultrarechten Flügel seiner Partei zählt, versucht ganz offensichtlich, zu polarisieren, wo er dazu die Gelegenheit hat. Was man auch sehr gut aus dem Flugblatt herauslesen kann, das kurz nach dem Stadtteilfest in einigen Briefkästen in der Nachbarschaft verteilen lies. Wir werden darin als ‚linke Gesinnungsterroristen’ bezeichnet, die auch vor Mord nicht zurückschrecken – wegen unserer Unterschriftenaktion auf dem Stadtteilfest! Die AfD will einen Spaltkeil in die Bevölkerung treiben. Das halten wir für sehr gefährlich und werden es nicht einfach so hinnehmen.

Beim Waller Stadtteilfest hing auch ein Banner mit der Aufschrift „Für ein Walle ohne AfD, Identitäre & Co.“ über der Vegesacker Straße. Stammt dieses Banner auch von Ihrem Bündnis?

Mit dem Banner haben wir nichts zu tun. Das muss aus einer anderen Ecke kommen, es hing am Morgen des Festes da. Wir waren aber erfreut darüber, offenbar hatte eine andere Gruppe eine ähnliche Idee wie wir. Sie kann sich gerne bei uns melden.

Eine Woche nach dem Stadtteilfest hat Ihr Bündnis zu einem Kundgebungsfrühstück vor dem AfD-Büro eingeladen. Wie haben Sie die Stimmung dort empfunden?

Die Stimmung war gut und friedlich. Auch der Einsatzleiter der Polizei sagte hinterher, er hätte lange keine so gute und friedliche Veranstaltung erlebt. Es waren viele Kinder dort und wir hatten Musik, Kaffee, Brötchen … Nachbarn hatten ein Akkordeon und eine Mandoline mitgebracht.

Wie viele Menschen waren dort?

Ich bin überrascht, wie gut die Resonanz ist. Schon beim Stadtteilfest war sie hoch. Als wir uns auf den Weg zum Kundgebungsfrühstück machten, sahen wir schon die Leute mit Kaffeekannen, Klappstühlen und Frühstücksutensilien aus allen Richtungen kommen. Wir hatten die Veranstaltung für 20 bis 40 Leute auf dem Gehweg angemeldet, es wurden dann aber schließlich 200. Die Polizei hat deshalb spontan mit einem Mannschaftswagen die Straße blockiert, sodass wir auch auf der Fahrbahn sein konnten.

Haben Sie sich bedroht gefühlt?

Nein, ich war eher genervt von dem Fotografieren. Von einem Fenster des Hauses aus ist eine Kamera auf den Bürgersteig gerichtet und aus den oberen Fenstern haben Leute rausgefilmt.

Sie selbst sollen aber auch Fotos gemacht haben?!

Ja, und auf diesen Fotos kann man gut erkennen, wie sich Herr Höns, Herr Korol und Herr Magnitz inmitten der Frühstücksteilnehmer bewegt haben, ohne in irgendeiner Form bedroht zu werden.

Haben Sie sich auch mit ihnen unterhalten?

Ich bin gleich am Anfang direkt zu Herrn Korol und Herrn Höns gegangen und habe sie gefragt, ob sie denn auch gegen das AfD-Büro protestieren wollten. Die Stimmung war aber weder aggressiv noch sonst etwas. Mit Herrn Magnitz habe ich mich nicht unterhalten. Ich fand nicht, dass das die richtige Veranstaltung war, um ihn zu bekehren.

Plant das Bündnis weitere Aktionen?

Ja, wir wollen den Plakatanhänger mit den schätzungsweise 3000 Unterschriften gerne bremenweit verleihen. Wer ihn auf einem Privatgrundstück aufstellen möchte, kann sich über Facebook an uns wenden. Es wäre ja auch schön, wenn er die Stadtteilgrenze überquert und auch woanders wahrgenommen wird.

Das Gespräch führte Anne Gerling.

Zur Person

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Rainer Weber

ist Bildhauer und Universitätsdozent. Er hat eigenen Angaben zufolge einen „süddeutschen Migrationshintergrund“ und lebt seit 1992 mit kurzen Unterbrechungen in Walle.

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